Flugzeugträger „Sao Paulo“
Reuters/Brazilian Navy
Voll mit Asbest

Flugzeugträger soll auf Meeresgrund enden

Ein Flugzeugträger treibt seit Monaten ohne Ziel im Atlantik. Die „Sao Paulo“, erst als „Foch“ im Dienst Frankreichs, dann Flaggschiff der brasilianischen Marine, wurde 2018 außer Dienst gestellt. Danach hätte das 266 Meter lange Schiff in der Türkei verschrottet werden sollen. Voll mit Asbest durfte es dort allerdings nicht anlegen. Nun könnte die Irrfahrt auf dem Meeresgrund enden – mit enormen potenziellen Folgen für die Umwelt.

Von den Plänen, den ausgedienten Flugzeugträger zu versenken, berichteten zuletzt etwa der US-Sender CNN und das „Time“-Magazin unter Berufung auf die brasilianische Marine. Diese wolle, trotz entsprechender Warnungen, daran festhalten, hieß es bei CNN. Es gebe, da das Schiff leck sei, „keine andere Option“. Die „Sao Paulo“ drohe damit zu einem der größten Stücke giftigen Mülls im Ozean zu werden, schrieb „Time“.

Die Irrfahrt des Kriegsschiffes mit einer Verdrängung von unbeladen über 24.000 und maximal fast 34.000 Tonnen hatte begonnen, nachdem dieses ein türkisches Unternehmen 2021 zur Verschrottung gekauft hatte, das Schiff aber keinen Hafen fand, in dem es anlegen hätte dürfen. Grund sind umweltgefährdende Materialien an Bord, allen voran Asbest, das früher in vielen Schiffen verbaut wurde. Die „Sao Paulo“ musste im Vorjahr auf ihrem Kurs in Richtung Ägäis dann an der Straße von Gibraltar kehrtmachen, berichtete CNN am Mittwoch.

Ältester Flugzeugträger der Welt

Der Flugzeugträger, gebaut ab 1957, war sechs Jahre später in den Dienst der französischen Marine gestellt worden, ursprünglich unter dem Namen „Foch“. Dort diente er, bis ihn im Jahr 2000 die brasilianische Marine für zwölf Mio. Dollar (nach heutigem Wechselkurs knapp elf Mio. Euro) kaufte und 2001 als „Sao Paulo“ – benannt nach der Wirtschaftsmetropole des Landes – in Dienst stellte. Ab diesem Zeitpunkt war das Schiff der einzige Flugzeugträger der brasilianischen Marine. Die Vorgängerin „Minas Gerais“, gebaut in Großbritannien und bis dahin Flaggschiff, wurde ausgemustert.

Flugzeugträger „Foch“, 1994
APA/AFP
Damals als „Foch“ im Dienst Frankreichs: das Schiff (rechts im Bild) mit Platz für 40 Flugzeuge 1994 im Mittelmeer

Zum Zeitpunkt ihrer Außerdienststellung war die „Sao Paulo“ der älteste betriebene Flugzeugträger weltweit. Ersetzt wurde sie erneut durch ein britisches Kriegsschiff. Nach dem Verkauf in die Türkei für knapp 1,9 Mio. Euro hätte das Schiff bei Sök Denizcilik in den Abwrackwerften von Aliaga in der Bucht von Candarli in der Ägäis verschrottet werden sollen. Im August 2022 trat sie die Reise dorthin an.

Endstation einer Odyssee

Das Umweltministerium in Ankara ging allerdings davon aus, dass mehrere Tonnen Asbest, das als krebserregend gilt, in dem Schiff verbaut waren und widerrief die Genehmigung zum Anlegen, als sich die „Sao Paulo“ vor Gibraltar befand.

Flugzeugträger „Sao Paulo“, 2001
AP/Douglas Engle
Später als „Sao Paulo“, im Bild vor dem Zuckerhut in Rio de Janeiro (Brasilien), 2001

Der Flugzeugträger wurde von der niederländischen ALP Guard nach Brasilien zurückgeschleppt, lag einige Zeit vor dem Hafen von Suape, durfte aber auch dort nicht mehr anlegen und wurde in internationale Gewässer vor der Küste geschleppt – die vorläufige Endstation der Odyssee.

Aufgegeben auf dem offenen Ozean

Nachdem das Schiff aufgegeben worden war, äußerten Umweltschutzorganisationen die Befürchtung, die Marine könnte planen, es zu versenken. Inzwischen wurden die Pläne nun offenbar konkret. CNN berichtete, die brasilianische Marine plane, die „Sao Paulo“ rund 350 Kilometer vor der Küste in etwa 5.000 Meter tiefen Gewässern innerhalb der Wirtschaftszone des südamerikanischen Landes zu versenken – trotz Warnungen von Umweltministerin Marina Silva.

Die brasilianische Marine argumentierte, der Platz dafür sei weit weg von Schutzzonen, und es lägen dort auch keine Unterwasserkabel, die Schaden nehmen könnten. Zuletzt hieß es, ein Rechtsstreit über die möglichen Umweltfolgen könnte zugunsten der brasilianischen Marine ausgehen, nachdem diese die Folgen ihres Plans ausreichend „abgewogen“ habe.

Asbest und weitere gefährliche Altlasten

Welche Altlasten sich an Bord des Kriegsschiffes der französischen Clemenceau-Klasse, das bereits während seines Dienstes in der brasilianischen Marine als wartungsanfällig galt, befinden, ist nicht im Detail bekannt. Die Rede ist, neben Asbest, von umweltschädlichen Lacken, Schwermetallen in der Bordelektrik und Treib- und Schmierstoffen. Laut „Time“ soll die „Sao Paulo“ gesprengt werden. Über die aktuellen Pläne, das Schiff zu versenken, hatte erst die brasilianische Tageszeitung „Folha de Sao Paulo“ berichtet.

Rückkehr abgelehnt

Die Umweltschutzorganisation Basel Action Network (BAN) mit Sitz in Seattle im US-Bundesstaat Washington, die sich dem Kampf gegen den Export von Giftmüll in Entwicklungsländer verschrieben hat, warnte vor unkalkulierbaren Folgen, sollte das Schiff tatsächlich versenkt werden.

Außerdem verstießen die Pläne dafür gegen mehrere internationale Umweltschutzkonventionen. „Wir sprechen über ein Schiff, in dem gleichzeitig gefährliche und wertvolle Materialien verbaut sind“, ein solches könne man „nicht einfach versenken“. Auf Anfrage von „Time“ hätte die brasilianische Marine lediglich geantwortet, dass die „Sao Paulo“ wegen ihres desolaten Zustandes jedenfalls in keinem Hafen des Landes mehr anlegen dürfe.

„Regelmäßig angewandte Art der Schiffsentsorgung“

Die Art der bevorstehenden „Entsorgung“ wird, falls sie tatsächlich geschieht, kein Einzelfall sein und wahrscheinlich bleiben. Schon vor mehr als zehn Jahren nannte das deutsche Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ diese Praxis „symptomatisch für eine regelmäßig angewandte Art der Schiffsentsorgung“.

USS Oriskany wird 2006 versenkt
APA/AFP/US Navy
Die „USS Oriskany“ wurde 2006 vor Florida versenkt und bildet seither das künstliche „Oriskany-Riff“

Von 1996 bis 2010 habe allein die US-Armee „zahlreiche ausgemusterte Schiffe nicht in Werften verschrotten lassen, sondern auf See versenkt“. Das war Praxis in regelmäßigen Manövern, „Ship Sinking Exercises“ genannt. 2005 wurde der 320 Meter lange Flugzeugträger „America“ derart „entsorgt“. Das Schiff war das bis zu diesem Zeitpunkt größte, das jemals kontrolliert versenkt wurde.

Das Wrack liegt vor der Ostküste der USA in über 5.000 Meter Tiefe – in ähnlicher Tiefe soll offenbar auch die „Sao Paulo“ vor Brasilien enden. Nummer zwei nach der Größe war im Mai 2006 die „USS Oriskany“, ein Flugzeugträger der „Essex“-Klasse. Sie wurde vor der Küste des Bundesstaates Florida, südlich von Pensacola, versenkt.