Chinesischer Spionageballon
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Spionage aus China?

Mysteriöser Ballon beschäftigt US-Militär

Ein Ballon, der in großer Höhe über Nordamerika fliegt, beschäftigt die USA und Kanada. Für Washington ist die Sache klar: Es handle sich um einen Spionageballon aus China, der Atomwaffenstützpunkte auskundschaften wolle. Kanada ist etwas vorsichtiger, bestätigte am Freitag allerdings auch einen möglichen „Zwischenfall“ im Luftraum. Einen Abschuss wollen die USA nicht riskieren.

Am Donnerstag hatte es aus dem Pentagon geheißen, der „relativ große“ Ballon werde intensiv beobachtet. Er sei bereits vor einigen Tagen in den Luftraum der USA eingedrungen und bewege sich über den Nordwesten des Landes. Das Ziel sei klar: Spionage.

Ein namentlich nicht genannter Beamter des Verteidigungsministeriums in Washington wurde in US-Medien mit den Worten zitiert, der aktuelle Weg des Ballons führe diesen „über sensible Stützpunkte“, darunter Luftwaffenbasen und unterirdische Raketenstandorte. Seine Route sei schon länger von der US-Armee verfolgt worden. Laut einem Bericht des „Wall Street Journal“ lagern auf einem Stützpunkt in Montana an die 150 mit Atomsprengköpfen bestückte Interkontinentalraketen.

USA sind sich sicher

Die anonyme Quelle aus dem Pentagon versicherte auch, dass es „keinen Zweifel“ daran gebe, dass der Ballon aus China komme. Und weiter: „Wir ergreifen Maßnahmen, um uns gegen das Sammeln von sensiblen Informationen zu schützen.“ Allerdings sei die Gefahr nach Einschätzung des Pentagon aktuell nicht besonders groß. „Wir sind zu der Erkenntnis gelangt, dass dieser Ballon aus Spionagesicht nur eingeschränkte Fähigkeiten hat.“ Er liefere, wenn überhaupt, kaum bessere Informationen als erdnahe Satelliten das können, hieß es bei CNN.

US-Präsident Joe Biden ordnete nach Entdeckung des Ballons laut Medienberichten an, einen möglichen Abschuss zu prüfen. Verteidigungsminister Lloyd Austin und Spitzenkräfte des Militärs hätten sich letztlich aber dagegen entschieden, weil bei einem Abschuss durch die herunterfallenden Teile zu viele Menschen auf dem Boden gefährdet werden könnten. „Er ist unserer Einschätzung nach so groß, dass seine Trümmer Schäden anrichten könnten.“ Laut CNN hat der Ballon die Größe von drei Autobussen. Der Ballon sei nicht der erste, der über den USA auftauchte, hieß es.

Kampfjets klärten Objekt auf

Über dem Bundesstaat Montana hätten sich Kampfjets dem Ballon genähert, um der Militärführung Informationen über ihn liefern zu können. Brigadegeneral Patrick Ryder, Sprecher des Pentagons, bestätigte zuletzt, dass sich der mutmaßliche Spionageballon noch immer im US-Luftraum aufhalte. Er fliege „deutlich“ über der Höhe des zivilen Luftverkehrs und stelle „keine militärische oder physische Gefahr für die Menschen auf dem Boden dar“.

US-F-22 Raptor
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US-Kampfjets stiegen auf – aber nur zur Beobachtung statt zum Abschuss

Die wiederum anonyme Stimme aus dem Pentagon sagte laut Medienberichten, dass China bereits wegen des Vorfalls kontaktiert und Peking dabei „die Schwere des Vorfalls“ verdeutlicht worden sei. „Wir haben klargemacht, dass wir tun werden, was immer nötig ist, um unser Volk und unser Land zu schützen.“

Peking verspricht Prüfung der Causa

Aus Peking hieß es am Freitag in einer Reaktion, die chinesische Regierung gehe den Berichten über den Ballon nach, warne aber vor voreiligen Spekulationen. „Wir sammeln und überprüfen die Fakten“, sagte Außenamtssprecherin Mao Ning vor der Presse. „Wir hoffen, dass beide Seiten die Sache mit einem kühlen Kopf behandeln.“ Es sei nicht hilfreich, zu spekulieren oder die Angelegenheit aufzubauschen, bevor klar werde, was passiert ist. China habe keinerlei Interesse daran, internationales Recht zu verletzen.

Spionageballon in den USA

In den USA wurde ein verdächtiger Ballon am Himmel entdeckt. Das Verteidigungsministerium in Washington geht davon aus, dass China damit Atomwaffenstützpunkte ausspionieren will.

Auch Kanada meldet „Vorfall“ ohne Details

Neben den USA und ersten Medienberichten über den Ballon meldete am Freitag das Nachbarland Kanada einen „möglichen zweiten Vorfall“ im Zusammenhang mit einem Überwachungsballon – allerdings ohne konkret zu werden. Nur so viel: Ottawa arbeite gemeinsam mit Washington an der Beobachtung des mutmaßlichen Eindringlings, seine „Bewegungen werden aktiv verfolgt“, so das kanadische Verteidigungsministerium. Es werde darüber hinaus alles getan, um die Sicherheit des Luftraums zu gewährleisten, „einschließlich der Überprüfung eines möglichen zweiten Vorfalls“, hieß es weiter.

China nicht genannt

Was dieser „zweite Vorfall“ gewesen sein soll, ging aus den Medienberichten von Freitagvormittag noch nicht klar hervor. Laut BBC war der Ballon über kanadisches Gebiet geflogen – Kanada grenzt an Montana –, bevor er am Mittwoch über dem dünn besiedelten „Mountain State“ und viertgrößten US-Bundesstaat auftauchte. In der offiziellen kanadischen Erklärung wurde China nicht erwähnt.

Heikler Zeitpunkt

Kommt der Ballon tatsächlich aus der Volksrepublik, dann kommt er tatsächlich auch zu einem unpassenden Zeitpunkt. Am Sonntag wird US-Außenminister Antony Blinken in Peking erwartet. Sein Besuch in China ist der erste eines US-Außenministers seit 2018. Die Beziehungen der beiden Länder sind aus mehreren Gründen angespannt.

Streitpunkte sind unter anderem Chinas zumindest stille Rückendeckung für Russlands Angriffskrieg in der Ukraine, seine Drohungen gegen Taiwan, die umstrittenen Ansprüche Pekings im Südchinesischen Meer, der Handelskrieg mit Washington und US-amerikanische Exportkontrollen für Hochtechnologie. China wirft den USA vor, seinen Aufstieg zur wirtschaftlichen und geopolitischen Supermacht blockieren und einen neuen Kalten Krieg anzetteln zu wollen.