Diamant
Getty Images/iStockphoto/Byjeng
Russische Klunker

Belgien hadert mit Diamantengeschäft

Russlands lukratives Diamantengeschäft ist lange Zeit von EU-Sanktionen verschont geblieben. Und das, obwohl vermutet wird, dass die Erlöse aus dem Edelsteinhandel in die russische Kriegskasse fließen. Nun deutet sich ein Umdenken in der Europäischen Union an: Belgien, das in der Frage bisher auf der Bremse stand, scheint einzulenken. Seine Industrie, die nach wie vor russische Rohdiamanten importiert, will das EU-Land aber weiterhin schützen.

„Russische Diamanten sind Blutdiamanten“, sagte der belgische Premierminister Alexander De Croo gegenüber Politico zuletzt. Seine Botschaft: Belgien will gegen den Handel mit russischen Rohdiamanten vorgehen. Anders als Güter wie Kaviar, Gold und Wodka blieben die Edelsteine den bisherigen EU-Sanktionspaketen fern. Bereits mehrmals sollen russische Diamanten in der letzten Minute von der Sanktionsliste gestrichen worden sein, berichtete der „Guardian“. Dabei ist der Edelsteinhandel in der EU einzig in Belgien – konkret im belgischen Diamanten-Hub Antwerpen – von Relevanz.

Dass das nächste Sanktionspaket, das die EU bis zum 24. Februar beschließen will, ein komplettes Importverbot russischer Diamanten enthalten wird, ist zwar weiterhin unwahrscheinlich, Belgien feilt alternativ aber an einem System, das die Herkunft von Rohdiamanten transparent und den Handel russischer Diamanten somit weniger lukrativ machen soll. Man befinde sich diesbezüglich auch in Abstimmung mit der EU und den G-7-Staaten, heißt es.

Belgischer Premierminister Alexander de Croo
Reuters/Arnd Wiegmann
Belgiens Premier Alexander De Croo gibt sich gesprächsbereit

Antwerpen als Knotenpunkt des Diamantenhandels

In Belgien hat das Thema große Sprengkraft. Innerhalb der Regierung, die sich aus sieben Parteien zusammensetzt, suchte man zuletzt vergebens nach einer gemeinsamen Linie. Es geht um viel Geld und Arbeitsplätze: Nach Angaben des Antwerp World Diamond Center (AWDC) könnten EU-Sanktionen zum Verlust von 10.000 Arbeitsplätzen in Antwerpen führen, wie die belgische Wirtschaftszeitung „L’Echo“ schreibt. Die Hafenstadt ist bereits seit dem 15. Jahrhundert Knotenpunkt für den internationalen Diamantenhandel.

Edelsteine aus aller Welt werden hier poliert, zu Schmuckstücken verarbeitet und verkauft – konkret landen 86 Prozent der weltweiten Diamanten mindestens einmal in Antwerpen. Russische Rohdiamanten machten 2021 allein ein Viertel der Importe in die belgische Hafenstadt aus, berichtete die Zeitung „Brussels Times“. Der Ukraine-Krieg und damit einhergehende US-Sanktionen auf russische Edelsteine trafen den belgischen Handel zwar hart, zum Erliegen kam das Milliardengeschäft aber nicht.

„Frieden mehr wert als alle Diamanten“

Der Druck auf Belgien ist deshalb weiterhin groß. Die baltischen Staaten, Polen und die Ukraine werden nicht müde, das Heimatland der EU-Kommission zu einem Umdenken aufzurufen. Frieden sei mehr wert „als alle Diamanten“, hatte etwa der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in einer Ansprache an das belgische Parlament im vergangenen März gesagt.

Belgien finanziere die russische Kriegskasse mit dem Diamantenhandel, so der Vorwurf. Konkret geht es Kritikerinnen und Kritikern um den Diamantenriesen Alrosa, der einen beträchtlichen Teil seines Einkommens in Antwerpen erwirtschaftet und der teilweise dem russischen Staat gehört.

Auf 33 bis 66 Prozent schätzen Fachleute die staatlichen Anteile an dem Konzern, der 95 Prozent der russischen Diamantenförderung ausmacht. Der CEO des Konzerns, Sergei Sergejewitsch Iwanow, ist zugleich Sohn des ehemaligen Verteidigungsministers und Vertrauten von Präsident Wladimir Putin, Sergei Borissowitsch Iwanow. Der Alrosa-CEO zählt überhaupt zu den ersten Oligarchen, die mit Kriegsbeginn von den USA mit Sanktionen belegt worden waren.

Industrie stemmt sich gegen Sanktionen

Die belgische Industrie steht Sanktionen – anders als einem Tracing-System – dennoch skeptisch gegenüber. Tom Neys vom Antwerp World Diamond Centre lehnt diese ab. Sanktionen müssten „ökonomisch und ethisch“ sinnvoll sein, hält er in einem Statement gegenüber ORF.at fest. Sanktionen würden dazu führen, dass russische Diamanten in anderen Handelszentren landen würden. „Man würde Tausende Jobs verlieren und riskieren, dass die gesamte Industrie, die 40 Milliarden US-Dollar schwer ist, die EU verlässt.“

Antwerpen sei darüber hinaus das weltweit einzige Handelszentrum „mit sehr strengen Vorschriften zu Compliance, Geldwäschebekämpfung und Maßnahmen gegen Terrorfinanzierung“, so Neys. Ein internationales Rahmenabkommen zur Rückverfolgung von Rohdiamanten hält er dagegen für sinnvoll. „Es wird den Antwerpener Händlern helfen zu überleben und die Verluste mit der weltweiten Branche zu teilen.“ Überdies könnte damit sichergestellt werden, dass es weiterhin strenge Kontrollen gibt.

Laut „L’Echo“ sei so ein System vergleichbar mit dem Kimberley-Prozess. Der Kimberley-Prozess bezeichnet ein komplexes System, das über staatliche Herkunftszertifikate den Handel mit Blutdiamanten unterbinden soll. Blutdiamanten sind Diamanten, mit deren Erlös gewalttätige Konflikte finanziert werden. Bisher sei aber noch kein Unternehmen in der Lage gewesen, ein wasserdichtes Rückverfolgungssystem zu entwickeln, räumt Neys ein.

US-Sanktionen mit Schlupfloch

Aus ökonomischer Sicht würde sich Europa mit Sanktionen selber schaden, hatte der Dekan der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften an der Universität Antwerpen, Koen Vandenbempt, der dpa diesbezüglich bereits im November gesagt.

Auch Hans Merket, der für die NGO International Peace Information Service (IPIS) forscht, hält einen internationalen Pakt für vielversprechend und effektiver als Sanktionen, die umgangen werden könnten. Das zeigt sich etwa am Beispiel der USA: Wird ein russischer Diamant etwa erst nach Mumbai oder Dubai gebracht und dort stark verändert, dann darf er in der Folge auch in die USA importiert werden.

Anders die Einschätzung der Rohstoffexpertin Larisa Stanciu. Sie ist der Ansicht, dass durch ein Verbot der Einfuhr russischer Rohdiamanten weniger Geld über Alrosa in die russische Staatskasse fließen würde. Ob russische Diamanten schon bald auf der Sanktionsliste landen oder ob ein internationales System für mehr Transparenz eingeführt wird, bleibt indes nach wie vor unklar. Hinter verschlossenen Türen wird weiter verhandelt.