Flugzeugträger „Sao Paulo“
Reuters/Brazilian Navy
Trotz Asbests

Brasilien versenkte Flugzeugträger im Meer

Brasiliens Marine hat ein seit Monaten umherirrendes und mit giftigen Asbestplatten ausgestattetes Geisterschiff, den Flugzeugträger „Sao Paulo“, in brasilianischen Gewässern versenkt. „Die brasilianische Marine ging mit der erforderlichen technischen Kompetenz und Sicherheit vor“, hieß es in einer Mitteilung der Marine am Freitag (Ortszeit).

Laut Marine sollten damit logistische, operative, ökologische und wirtschaftliche Verluste für den brasilianischen Staat vermieden werden. Der ausgemusterte Flugzeugträger war in ein Gebiet 350 Kilometer vor der brasilianischen Küste gebracht worden, das rechtlich noch zu Brasilien gehört. Dort ist das Meer rund 5.000 Meter tief.

Natur- und Umweltschützer hatten zuvor dagegen protestiert und kritisierten nun auch das Versenken. „Die durch das Versenken verursachten Umweltschäden sind unabsehbar, aber die Entscheidung der brasilianischen Marine wird mit Sicherheit Auswirkungen auf das Leben im Meer und die Küstengemeinden haben“, hieß es in einer gemeinsamen Mitteilung der Organisationen Greenpeace, Sea Sheperd und Basel Action Network. Brasilien verstoße damit gegen drei internationale Abkommen.

Seit 2018 außer Dienst

Die „Sao Paulo“, erst als „Foch“ im Dienst Frankreichs, dann Flaggschiff der brasilianischen Marine, wurde 2018 außer Dienst gestellt. Danach hätte das 266 Meter lange Schiff in der Türkei verschrottet werden sollen. Voll mit Asbest, durfte es dort allerdings nicht anlegen.

Die Irrfahrt des Kriegsschiffes mit einer Verdrängung von unbeladen über 24.000 und maximal fast 34.000 Tonnen hatte begonnen, nachdem dieses ein türkisches Unternehmen 2021 zur Verschrottung gekauft hatte, das Schiff aber keinen Hafen fand, in dem es anlegen hätte dürfen. Grund sind umweltgefährdende Materialien an Bord, allen voran Asbest, das früher in vielen Schiffen verbaut wurde. Die „Sao Paulo“ musste im Vorjahr auf ihrem Kurs in Richtung Ägäis dann an der Straße von Gibraltar kehrtmachen, berichtete CNN am Mittwoch.

Ältester Flugzeugträger der Welt

Der Flugzeugträger, gebaut ab 1957, war sechs Jahre später in den Dienst der französischen Marine gestellt worden, ursprünglich unter dem Namen „Foch“. Dort diente er, bis ihn im Jahr 2000 die brasilianische Marine für zwölf Mio. Dollar (nach heutigem Wechselkurs knapp elf Mio. Euro) kaufte und 2001 „Sao Paulo“ taufte. Ab diesem Zeitpunkt war das Schiff der einzige Flugzeugträger der brasilianischen Marine. Die Vorgängerin „Minas Gerais“, gebaut in Großbritannien und bis dahin Flaggschiff, wurde ausgemustert.

Flugzeugträger „Foch“, 1994
APA/AFP
Damals als „Foch“ im Dienst Frankreichs: Das Schiff (rechts im Bild) mit Platz für 40 Flugzeuge 1994 im Mittelmeer

Zum Zeitpunkt ihrer Außerdienststellung war die „Sao Paulo“ der älteste betriebene Flugzeugträger weltweit. Ersetzt wurde sie erneut durch ein britisches Kriegsschiff. Nach dem Verkauf in die Türkei für knapp 1,9 Mio. Euro hätte sie bei Sök Denizcilik in den Abwrackwerften von Aliaga in der Bucht von Candarli in der Ägäis verschrottet werden sollen. Im August 2022 trat sie die Reise dorthin an.

Endstation einer Odyssee

Das Umweltministerium in Ankara ging allerdings davon aus, dass mehrere Tonnen Asbest, das als krebserregend gilt, in dem Schiff verbaut waren, und widerrief die Genehmigung zum Anlegen, als sich die „Sao Paulo“ vor Gibraltar befand.

Flugzeugträger „Sao Paulo“, 2001
AP/Douglas Engle
Später als „Sao Paulo“, im Bild vor dem Zuckerhut in Rio de Janeiro (Brasilien), 2001

Der Flugzeugträger wurde von der niederländischen ALP Guard nach Brasilien zurückgeschleppt, lag einige Zeit vor dem Hafen von Suape, durfte aber auch dort nicht mehr anlegen und wurde in internationale Gewässer vor der Küste geschleppt und schließlich versenkt.

Welche Altlasten sich an Bord des Kriegsschiffes der französischen Clemenceau-Klasse, das bereits während seines Dienstes in der brasilianischen Marine als wartungsanfällig galt, befinden, ist nicht im Detail bekannt. Die Rede ist, neben Asbest, von umweltschädlichen Lacken, Schwermetallen in der Bordelektrik und Treib- und Schmierstoffen. Die Umweltschutzorganisation Basel Action Network (BAN) mit Sitz in Seattle im US-Bundesstaat Washington, die sich dem Kampf gegen den Export von Giftmüll in Entwicklungsländer verschrieben hat, hatte vor unkalkulierbaren Folgen gewarnt.

„Regelmäßig angewandte Art der Schiffsentsorgung“

Die Praxis, Schiffe einfach zu versenken, hatte schon vor mehr als zehn Jahren das deutsche Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ als „symptomatisch für eine regelmäßig angewandte Art der Schiffsentsorgung“ genannt.

USS Oriskany wird 2006 versenkt
APA/AFP/US Navy
Die „USS Oriskany“ wurde 2006 vor Florida versenkt und bildet seither das künstliche „Oriskany-Riff“

Von 1996 bis 2010 habe allein die US-Armee „zahlreiche ausgemusterte Schiffe nicht in Werften verschrotten lassen, sondern auf See versenkt“. Das war Praxis in regelmäßigen Manövern, „Ship Sinking Exercises“ genannt. 2005 wurde der 320 Meter lange Flugzeugträger „America“ derart „entsorgt“. Das Schiff war das bis zu diesem Zeitpunkt größte, das jemals kontrolliert versenkt wurde. Das Wrack liegt vor der Ostküste der USA in über 5.000 Meter Tiefe. Nummer zwei nach der Größe war im Mai 2006 die „USS Oriskany“, ein Flugzeugträger der „Essex“-Klasse. Sie wurde vor der Küste des Bundesstaates Florida, südlich von Pensacola, versenkt.