Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan gab die Opferzahl allein in seinem Land am Montagvormittag mit 912 Toten und 5.385 Verletzten an. In Syrien stieg die Zahl der Todesopfer auf 547. Rund 1.600 Menschen seien verletzt worden, berichteten der stellvertretende Gesundheitsminister Ahmed Dhamirija im syrischen Staatsfernsehen sowie die Rettungsorganisation Weißhelme, die in von Rebellen kontrollierten Gebieten des Landes arbeitet.
So wie in der Türkei stürzten auch in Syrien in zahlreichen Städten Gebäude ein. Videos zeigten Trümmerberge unter anderem aus der Provinz Idlib, teils kollabierten ganze Häuserreihen. Besonders betroffen sind nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur SANA auch die Provinzen Aleppo, Latakia und Tartus. Der Leiter des Nationalen Erdbebenzentrums, Raid Ahmed, sagte laut SANA, es sei das stärkste Beben in Syrien seit 1995. Präsident Baschar al-Assad rief sein Kabinett zu einer Dringlichkeitssitzung zusammen.

In der Türkei stürzten Regierungsangaben zufolge mindestens 1.700 Gebäude ein. Das Beben sei in zehn Provinzen zu spüren gewesen, sagte Vizepräsident Fuat Oktay. Unter den eingestürzten Gebäuden sei neben Wohnhäusern auch ein Krankenhaus in der Stadt Iskenderun. er Bürgermeister der Stadt Adana, Zeydan Karalar, sagte dem Fernsehsender TRT, dass ein 17- und ein 14-stöckiges Gebäude zerstört worden seien. In Gaziantep stürzte der Zeitung „Hürriyet“ zufolge eine historische Burg ein.

Mehrere türkische Flughäfen gesperrt
Mehrere Flughäfen in besonders von dem Erdbeben betroffen Regionen der Türkei bleiben vorerst für zivile Flüge geschlossen. Dabei gehe es um die Flughäfen in Hatay, Kahramanmaras und Gaziantep. Der Sender CNN Türk zeigte Bilder von einem tiefen Riss in einer Landebahn am Flughafen Hatay.
Türkei und Syrien: Hunderte Tote nach Erdbeben
Im Südosten der Türkei hat es in der Nacht auf Montag ein schweres Erdbeben gegeben. Auch der Norden Syriens ist stark betroffen. Hunderte Menschen kamen ums Leben.
Rettungsteams aus dem ganzen Land wurden ins Katastrophengebiet beordert, so Innenminister Süleyman Soylu. Erdogan telefonierte nach Angaben seines Büros mit den Gouverneuren der betroffenen Provinzen und informierte sich über die Lage und die Rettungsarbeiten. Der Katastrophenschutz des Landes schickte Rettungsteams und Versorgungsflugzeuge in die betroffenen Gebiete und löste einen Alarm der Stufe vier aus, mit dem um internationale Unterstützung gebeten wird.
Hilfsorganisationen und Gemeinden in den betroffenen Regionen riefen neben Blutspenden auch zu Sachspenden auf und baten etwa um Decken, Heizgeräte, Winterkleidung, Essenspakete und Babynahrung.
Noch viele Menschen unter Trümmern vermutet
„Unsere Hauptaufgabe ist es, die Such- und Rettungsarbeiten durchzuführen, und dafür sind alle unsere Teams in Alarmbereitschaft“, so Innenminister Soylu, der die Menschen in den Bebengebieten gleichzeitig dazu aufrief, die Benutzung von Mobiltelefonen einzustellen, damit vorrangig Verschüttete erreicht werden können. Rettungskräfte forderten die Menschen zudem auf, beschädigte Häuser zu verlassen.
Suche nach Verschütteten in Türkei
ORF-Korrespondentin Katharina Wagner meldet sich aus Istanbul und berichtet über die Erdbebenkatastrophe im Nordosten der Türkei. Sie schildert, wie die Suche nach Verschütteten vorangeht.
Vielerorts werden weiterhin etliche Menschen unter dem Schutt vermutet. Allein in Diyarbakir seien vermutlich rund 200 Menschen noch unter den Trümmern eines eingestürzten Gebäudes begraben, sagte ein Vertreter der Rettungsmannschaften dem türkischen Sender NTV. Im Staatssender TRT war zu sehen, wie Menschen bei Schnee in Iskenderun aus Trümmern befreit wurden. Weitere vom Beben betroffene Städte sind unter anderem Gaziantep, Sanliurfa, Osmaniye und Adana.
Hilfsangebot aus Griechenland
Die Türkei bekommt nach dem schweren Erdbeben Hilfe von ihren NATO-Partnern. Alliierte seien dabei, Unterstützung zu mobilisieren, schrieb NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg auf Twitter. „Nach dem Erdbeben in der Türkei heute Früh haben wir den EU-Zivilschutzmechanismus aktiviert“, kündigte zudem der für Krisenmanagement zuständige EU-Kommissar Janez Lenarcic am Montag auf Twitter an.
Griechenland erklärte sich trotz der schweren Spannungen mit der Türkei bereit, Rettungsmannschaften in das Erdbebengebiet im Nachbarland zu schicken. „Griechenland wird sofort helfen“, sagte der griechische Regierungschef Kyriakos Mitsotakis. Hilsangebote gibt es aus Deutschland, Italien, Belgien, Polen, Spanien und Finnland. EU-Angaben zufolge sind Rettungsteams aus den Niederlanden und Rumänien bereits auf dem Weg.
Zudem erklärten sich die USA bereit, Hilfe zu leisten. Auch Israel will der Türkei humanitäre Hilfe leisten. Der israelische Verteidigungsminister Joav Galant wies Armee und Verteidigungsministerium am Montag an, entsprechende Vorbereitungen zu treffen. AP-Angaben zufolge kündigte auch Russland an, Rettungsteams in die Türkei und Syrien entsenden zu wollen.

Hilfe auch in Österreich angelaufen
Das österreichische Außenministerium drückte in einer ersten Reaktion sein Mitgefühl und seine Solidarität mit den Opfern der Tragödie sowie den Rettungskräften aus. Nach Angaben des Roten Kreuzes sei auch in Österreich die Hilfe samt Spendenaufruf bereits angelaufen.
„Unsere Partner vor Ort sind schon aktiv“, so Diakonie-Direktorin Katharina Moser, der zufolge auch Spenden für Soforthilfe dringend gebraucht werden. „Wir stehen derzeit mit unseren Partnern vor Ort in engem Austausch und evaluieren die Situation“, teilte Caritas-Auslandshilfe-Generalsekretär Andreas Knapp per Aussendung mit.
„Die Lage in der Türkei und Syrien ist dramatisch, viele Menschen sind noch unter den Trümmern verschüttet, und wir befürchten, dass die Opferzahl weiter steigt“, teilte der Generalsekretär des Österreichischen Roten Kreuzes (ÖRK), Michael Opriesnig, per Aussendung mit. „Nach Berichten unserer Kolleginnen und Kollegen im Einsatzgebiet müssen sich die Hilfstransporte den Weg durch verschneites Gebiet bahnen, um diejenigen zu retten, die noch unter den Trümmern begraben sind.“
Epizentrum bei Gaziantep
Die europäische Erdbebenwarte EMSC erklärte, dass ein Tsunami-Risiko noch geprüft werde. Das Epizentrum lag nach Angaben des Geo-Forschungszentrums (GFZ) in Potsdam in Deutschland nahe der türkischen Millionenstadt Gaziantep unweit der Grenze zu Syrien. Das Beben hatte nach Angaben von GeoSphere Austria eine Stärke von 7,8. Auch die US-Erdbebenwarte (USGS) nannte diesen Wert. Der türkische Katastrophendienst AFAD korrigierte die Stärke des Hauptbebens kurz vor Mittag von 7,4 auf 7,7.
Auch Stunden später wurden starke Nachbeben registriert. Um 11.24 Uhr MEZ ereignete sich laut USGS nur wenige Kilometer von der Stadt Ekinözü entfernt ein Beben der Stärke 7,5. Bereits zuvor meldete USGS ein Beben der Stärke 6,7 in Gaziantep und ein weiteres der Stärke 5,6 im Stadtgebiet von Nurdag. Die betroffene Region wird regelmäßig von starken Erdbeben heimgesucht. Erst Ende Jänner hatte ein Beben die Grenzregion zwischen der Türkei und dem Iran erschüttert.
Auch im Libanon und auf Zypern war das Beben zu spüren. In den libanesischen Städten Beirut und Tripoli flohen die Menschen aus Angst vor einem Einsturz aus ihren Wohnhäusern, berichteten Augenzeugen. In Italien gab der Zivilschutz noch in der Nacht auf Montag eine Tsunami-Warnung aus und empfahl, sich von der Küste zu entfernen. Wenige Stunden später nahm die Behörde die Warnung zurück.