Experten: „Zurückweisungsrichtlinie“ rechtlich unmöglich

In Sachen Flüchtlingspolitik hat die ÖVP in den vergangenen Wochen mit einem Vorschlag aufhorchen lassen: Die EU brauche eine „Zurückweisungsrichtlinie“, durch die Menschen ohne Aussicht auf Asyl direkt an der Grenze abgeschoben werden könnten.

Allerdings wäre eine solche Richtlinie rechtlich schlicht unmöglich, sind sich viele Fachleute einig. Sie würde eine „eklatante Verletzung des Flüchtlingsrechts“ darstellen, kommentiert etwa das Büro des UNO-Flüchtlingshochkommissariats (UNHCR) in Wien.

ÖVP: EU-Kommission soll prüfen

Die EU-Kommission solle prüfen, wie es rechtlich möglich wäre, sich Einzelfallprüfungen bei jenen Schutzsuchenden zu ersparen, „die praktisch keine Chance auf Asyl haben“, ließ der ÖVP-Teil der Bundesregierung zuletzt wissen.

Umgekehrt habe man es ja auch für die Ukrainer und Ukrainerinnen geschafft, innerhalb weniger Tage die Vertriebenenrichtlinie in Kraft zu setzen, so Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) im Jänner.

Verstoß gegen mehrere Konventionen

Diese pauschale Zurückweisung von asylsuchenden Personen würde aus Sicht des UNHCR gegen mehrere Bestimmungen internationaler Konventionen verstoßen, hieß es aus dem UNHCR-Büro in Wien gegenüber der APA.

Auch Walter Obwexer, Experte für Europa- und Völkerrecht an der Universität Innsbruck, hob gegenüber dem Nachrichtenmagazin „profil“ die Unvereinbarkeit des Vorschlags mit den EU-Grundrechten hervor. Der Verfassungsexperte Bernd-Christian Funk ortete in der Tageszeitung „Der Standard“ ebenfalls einen Verstoß gegen die Genfer Flüchtlingskonvention.

Einzelanträge müssen geprüft werden

Ein Kernprinzip der Genfer Flüchtlingskonvention – zu deren Einhaltung sich die Europäische Union und alle Mitgliedsstaaten verpflichtet haben – ist das Verbot, einen Flüchtling in ein Land zurückzuweisen, in dem er oder sie Verfolgung oder eine weitere Zurückweisung fürchten muss (Non-Refoulement). Um das feststellen zu können, ist es aber nötig, jeden einzelnen Asylantrag zu prüfen.

Betreffen würde diese „Zurückweisungsrichtlinie“ laut Innenminister Karner hauptsächlich Angehörige sicherer Drittstaaten wie Marokko, Tunesien und Indien. Über die genauen Inhalte der vorgeschlagenen Richtlinie – wie etwa sichergestellt werden kann, dass ohne individuelles Verfahren die Grundrechte und Flüchtlingsrechte nicht verletzt werden – schwieg das Innenministerium bisher. Die EU-Kommission solle das Rechtliche prüfen.