Zerstörung nach Beben in der Türkei
Reuters/Umit Bektas
Bebenkatastrophe

Bereits mehr als 11.000 Tote

Zwei Tage nach dem verheerenden Erdbeben in der Türkei und Syrien ist die Zahl der Toten auf mehr als 11.000 gestiegen. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan besucht aktuell das türkische Katastrophengebiet und rief zu Zusammenarbeit und Einheit auf.

Laut Erdogan stieg die Zahl der Toten in der Türkei auf 8.574. In Syrien wurden bisher mehr als 2.500 Todesopfer gemeldet. Mit einer Stärke von 7,8 hatte das Beben in der Nacht auf Montag das türkisch-syrische Grenzgebiet erschüttert. Montagmittag folgte ein weiteres Beben der Stärke 7,5 in derselben Region. Tausende Gebäude stürzten ein. In der Türkei sind zehn Provinzen mit 13,5 Millionen Menschen von dem Beben betroffen. Es ist das Beben mit den meisten Todesopfern weltweit seit mehr als einem Jahrzehnt.

Erdogan ruft zu Einheit auf

Erdogan rief zu Einheit auf – das betroffene Gebiet wird teils mehrheitlich von Kurden bewohnt. Niemand solle auf „Provokateure“ hören, sondern lediglich auf die offiziellen Angaben der Regierung, so Erdogan. Er räumte Probleme mit der Versorgung der Katastrophengebiete ein, betonte aber, diese seien nun behoben.

Papst Franziskus rief unterdessen zu Spenden auf: „Ich danke allen, die Hilfe schicken, und ermutige alle zu Solidarität mit diesen Gebieten, die zum Teil schon von einem langen Krieg heimgesucht werden“, so der Papst bei einer Generalaudienz im Vatikan.

Zwei Tage nach den schweren Erdbeben in der Türkei und Syrien mit mehr als 11.000 Toten wird das Ausmaß der Katastrophe immer deutlicher. Ohne Unterbrechung wurde die Suche nach Verschütteten fortgesetzt.

Syrien bitte EU um Hilfe

Die syrische Regierung in Damaskus stellte unterdessen ein offizielles Hilfsansuchen an die Europäische Union. Durch den EU-Zivilschutzmechanismus wird die Hilfe einzelner EU-Staaten koordiniert. Das von jahrelangem blutigem Bürgerkrieg gebeutelte Land ist mit der Situation völlig überfordert. Damaskus, das zu Teilen der betroffenen Gebiete keinen Zugang hat, bat unter anderem um medizinische Ausrüstung, Medikamente und Lebensmittel. Das Hilfsansuchen zeigt die Notlage: Die EU hat wegen des Bürgerkrieges in Syrien Sanktionen gegen das Regime von Machthaber Baschar al-Assad verhängt.

El-Gawhary (ORF) zur Lage in Syrien

Der ORF-Korrespondent für den arabischen Raum, Karim El-Gawhary, spricht über die schwierigen Umstände in Sachen Unterstützung für die Erdbebenopfer in Syrien.

Dringliche Suche nach Überlebenden

Die Suche nach Überlebenden geht unterdessen mit aller Kraft weiter – es ist ein Wettlauf der Retter gegen die Zeit. Am Dienstag war ein Baby in Syrien lebend aus den Trümmern gerettet worden. Eltern und Geschwister waren bei dem Beben gestorben.

Am Mittwoch wurde 52 Stunden nach den verheerenden Erdstößen in der türkischen Provinz Kahramanmaras eine Frau lebend geborgen. Bilder des Senders NTV zeigten, wie die Einsatzkräfte die Frau auf einer Trage zum Krankenwagen brachten. Sie ist 58 Jahre alt und wurde aus einem eingestürzten Hotel geborgen.

Die Provinz Kahramanmaras wurde besonders schwer vom Beben getroffen, dort lag das Epizentrum. Verletzte werden teilweise zur Behandlung in die Millionenmetropole Istanbul gebracht, wie der Sender weiter berichtete. Dazu werde der für den zivilen Luftverkehr stillgelegte Atatürk-Flughafen genutzt.

Temperaturen um den Gefrierpunkt machten den Überlebenden im Katastrophengebiet zusätzlich zu schaffen, viele haben kein Dach mehr über dem Kopf. Die Helfer und Helferinnen kämpften weiter mit eisigen Temperaturen. Das Wetter klarte sich aber auf – weiterer Schneefall oder Regen ist dem Wetterdienst zufolge in den betroffenen Gebieten vorerst nicht zu erwarten.

Rund 23 Millionen Menschen betroffen

Unter den Todesopfern befinden sich auch zwei Österreicher, wie das Außenministerium Dienstagmittag mitteilte. Weitere Vermisste gebe es aktuell nicht. Nach Schätzungen des Pacific Disaster Centers, einer US-Organisation für Katastrophenhilfe, sind insgesamt rund 23 Millionen Menschen betroffen. Im Erdbebengebiet suchen Retter weiter unter großem Zeitdruck nach Überlebenden unter den Trümmern eingestürzter Häuser.

Menschen wärmen sich auf der Straße an einem Feuer in Hatay, Türkei
Reuters/Kemal Aslan
Erschöpfte Menschen versuchen sich bei einem offenen Feuer etwas auszuruhen

Notstand in Türkei ausgerufen

Bereits am Dienstag hatte Erdogan den Notstand in den betroffenen Gebieten ausgerufen. Er gelte für drei Monate in zehn Provinzen im Süden des Landes, sagte Erdogan am Dienstag. Zugleich erklärte er die Region zum Katastrophengebiet.

International lief die Hilfe an, erste Teams auch aus Österreich trafen im Katastrophengebiet ein. 70 Länder hätten inzwischen ihre Unterstützung bei den Such- und Rettungsmaßnahmen angeboten, sagte Erdogan. Die Regierung plane zudem, Betroffene vorübergehend in Hotels in der westlich gelegenen Tourismusmetropole Antalya unterzubringen.

Auch zwei Tage nach dem verheerenden Beben in der Türkei und Syrien werden unter den Trümmern immer noch Menschen vermutet. Für die Einsatzkräfte ist es ein Wettlauf gegen die Zeit, weil die Wahrscheinlichkeit, Menschen noch lebend aus den Trümmern zu bergen, mit jeder Stunde sinkt. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan besuchte das türkische Katastrophengebiet und rief zu Zusammenarbeit und Einheit auf.

Die Zahl der Toten dürfte Fachleuten zufolge weiter steigen. Das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF) befürchtet, dass Tausende Kinder darunter sein dürften. Das Beben in der Türkei war das schwerste seit einem Beben ähnlicher Stärke im Jahr 1999, bei dem mehr als 17.000 Menschen ums Leben kamen. „Es ist ein Wettlauf mit der Zeit“, sagte der Chef der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Tedros Adhanom Ghebreyesus. „Jede Minute, jede Stunde, die verstreicht, schmälert die Chancen, noch jemanden lebend zu finden.“

Unterstützung aus aller Welt

Die türkische Katastrophenbehörde AFAD teilte mit, dass 60.0000 Such- und Rettungskräfte eingesetzt und mehr als 41.000 Zelte, 100.000 Betten und 300.000 Decken in die Region geschickt worden seien. Über das Zentrum für Katastrophenhilfe der EU sind bereits 27 Such- und Rettungsteams mobilisiert worden. Wie der zuständige EU-Kommissar Janez Lenarcic am Dienstagvormittag mitteilte, entspricht das insgesamt mehr als 1.150 Rettungskräften und 70 Hunden.

Griechenland schickte trotz der Spannungen mit der Türkei am Montag eine Rettungsmannschaft mit Spürhunden ins Erdbebengebiet. Eine israelische Hilfsdelegation ist in der Türkei angekommen, um dort nach den schweren Erdbeben bei der Suche nach Verschütteten zu helfen. Hilfszusagen kamen etwa auch aus Großbritannien, Indien, Pakistan, Finnland, Schweden, Russland, der von Russland angegriffenen Ukraine sowie den USA.

Epizentren und Erdbebenstärke gemäß USGS (mmw) vom 6.2.2023 0.00 Uhr bis 8.2.2023 14.00 Uhr

Katastrophenhilfeteam aus Österreich im Einsatz

Am Dienstag reisten auch 85 Soldatinnen und Soldaten der Austrian Forces Disaster Relief Unit (AFDRU) in die Türkei, um dort Verschüttete zu retten. Sie haben laut Heer mittlerweile die Sucharbeit aufgenommen. Neben den Bundesheerkräften wurde aus Österreich nach einer Anfrage der Türkei beim Zivilschutzmechanismus der Europäischen Union ein Team aus Vorarlberg in das Gebiet geschickt. Bei den 25 Spezialisten handelt es sich um Feuerwehrleute, vier Hundeführer der Bergrettung mit speziell ausgebildeten Hunden sowie um drei Notärzte.

Niederösterreichs FPÖ-Chef Udo Landbauer kritisierte am Mittwoch österreichische Hilfe – angekündigt wurden drei Millionen Euro – scharf. Es sei „unglaublich, mit welcher Unverfrorenheit gerade grüne Politiker immer wieder unser Steuergeld an das Ausland verschenken“ würden. SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch sprach von einer „barbarischen Aussage“, wenn Landbauer Hilfsgelder für Bebenopfer als „Millionengeschenk“ bezeichne. In der FPÖ würden offenbar „alle Dämme brechen“, so Deutsch unter Verweis auf jüngste ausländerfeindliche Aussagen des FPÖ-Landesrats Gottfried Waldhäusl gegenüber Schülerinnen und Schülern.