Ein Microsoft-Mitarbeiter demonstriert die neuen Open AI-Funktionen in der Suchmaschine Bing
AP/Stephen Brashear
Google vs. Microsoft

Wettstreit mit künstlicher Intelligenz

Der plötzliche Hype um künstliche Intelligenz (KI) wie ChatGPT hat auch ein neues Wetteifern der Netzgiganten Microsoft und Google befeuert. Mit KI-Funktionen soll sich Microsofts Suchmaschine Bing künftig gegen den ewigen Marktführer Google behaupten. Beide Konzerne gaben in den vergangenen Tagen ihren Kurs vor, bei dem KI eine wesentliche Rolle spielt – doch die Riesen stehen dabei vor noch unüberwindlichen Hürden.

Eines macht der aktuelle Hype um ChatGPT offensichtlich: Die Nutzerinnen und Nutzer sehnen sich offenbar nach Antworten. Wer eine Suchmaschine öffnet und dort nach Ergebnissen sucht, wird erst mit Werbung überhäuft, dann versteckt sich die eigentlich gesuchte Antwort oft in ellenlangen Texten, die vor allem dazu verfasst werden, um möglichst weit vorne in den Suchergebnissen zu stehen.

Wer hingegen ChatGPT eine Frage stellt, bekommt binnen Sekunden eine klare Antwort. Dass diese manchmal gar nicht stimmt und dabei ohne oder mit falschen Belegen versehen ist, spielt offenbar keine so große Rolle. Nicht zuletzt liefert die KI oft auch vollkommen richtige Antworten und erstaunt damit Userinnen und User. So wurde ChatGPT in den vergangenen Wochen zum Gesprächsthema Nummer eins der IT-Branche.

Das setzte auch die größten Dienstleister im Netz unter Zugzwang – zumindest nach außen hin, denn freilich ist KI schon seit Jahren großes Thema bei den Netzriesen. Doch mit den Ankündigungen der vergangenen Tage soll KI offenbar Teil des Alltags aller Internetnutzer werden – und nicht mehr nur im Hintergrund werken. Das stellt die Konkurrenten Google und Microsoft vor unterschiedliche Probleme.

Microsoft verspricht „Mosaic Moment“

Am Dienstag präsentierte Microsoft, wie man sich die Zukunft der Suchmaschinen vorstellt. Konzernchef Satya Nadella sprach von einer Revolution und nannte es den „Mosaic Moment“ – in Anlehnung an den allerersten Webbrowser aus den frühen 90ern, Mosaic. Wer etwas in die Suchmaschine Bing eintippt, erhält künftig auf einer Bildschirmhälfte Suchergebnisse wie bisher, die andere Hälfte ist der Antwort der KI gewidmet.

Open AI-Chat-Funktionen in der Suchmaschine Bing
APA/AFP/Jason Redmond
Die Such-KIs sollen einfache Antworten auf Fragen liefern

Microsoft investierte bereits Milliarden in die Macher von ChatGPT, OpenAI – für Bing wird ein daraus weiterentwickeltes Modell verwendet. Die Microsoft-Suchmaschine kann anders als ChatGPT auch auf aktuelle Informationen zugreifen, weiß also etwa bereits, wer die Grammys gewonnen hat. Darüber hinaus antwortet die Bing-KI mit Emojis, versieht Ergebnisse mit entsprechenden Quellen – und faszinierte in den ersten Stunden nach der Präsentation Fachmedien und Nutzer gleichermaßen.

„Neue Ära“ wird Microsoft viel Geld kosten

OpenAI-Chef Sam Altman sprach vom „Beginn einer neuen Ära“ – was bei den beiden Firmenchefs durchklang: Endlich hat man ein Ass im Ärmel, mit dem man Googles Vorherrschaft beenden kann. Zumindest in der Theorie. Denn in der Praxis könnte das für Microsoft nicht nur ein gewagtes, sondern ein teures Unterfangen werden.

Denn jede Suchanfrage, die die KI beantwortet, kostet Microsoft bares Geld – und zwar deutlich mehr, als eine einzelne Suche bisher gekostet hat. Künstliche Intelligenz ist zumindest derzeit extrem rechenintensiv, schon eine einzelne Anfrage an ChatGPT und Co. beschäftigt selbst leistungsstarke Rechner. Will Microsoft mit einer noch komplexeren KI jetzt pro Sekunde Hunderttausende Anfragen oder mehr bearbeiten, wird das mit enormen Kosten verbunden sein.

Google mit abgespeckter KI

Das hat offenbar auch Google bedacht: Zwar kündigte der Suchmaschinen-Platzhirsch einen leichten Schwenk in Richtung KI an. Mit Bard stellte man eine Antwort auf den Hype um ChatGPT vor. In der Ankündigung verwies man darauf, dass die KI deutlich weniger Leistung als Googles „große“ KI LaMDA benötige – und damit mehr Nutzerinnen und Nutzern zur Verfügung gestellt werden könne.

Dem Vernehmen nach sorgte der Hype um ChatGPT bei Google zuletzt für interne Unruhen – die Firmengründer Larry Page und Sergey Brin seien zum Brainstorming zurück in die Firma geholt worden, um mit Softwareentwicklern herauszuarbeiten, wie dem Programm möglichst schnell etwas entgegengesetzt werden könnte. Mit Bard hat man jetzt zumindest einen Schritt in diese Richtung unternommen.

Doch Google steht auch vor einem anderen Problem: Der Weg zur schnellen, klaren Antwort könnte am Geschäftskonzept des Suchmaschinenriesen sägen. Denn in erster Linie verdient Google mit Werbung Geld – und für die bleibt bei klaren KI-Antworten vergleichsweise wenig Platz. Nicht zuletzt deshalb, wurde lang vermutet, habe sich Google beim Anbieten seiner KI bisher zurückgehalten.

Auch China mischt mit

Neben dem Kampf Google gegen Microsoft ist aber praktisch die gesamte Tech-Branche mit dem Phänomen ChatGPT konfrontiert – und sucht nach passenden Antworten auf den Hype. Ebenfalls diese Woche brachte etwa der chinesische Konzern Baidu eine eigene KI ins Rennen, die Userinnen und Usern schnelle Erklärungen auf Knopfdruck liefern soll.

Microsoft Vizepräsident Yusuf Mehdi bei einer Präsentation.
AP/Stephen Brashear
Microsoft will mit der KI-gestützten Suche das Netz revolutionieren

Damit diese KIs überhaupt funktionieren, werden Unmengen an Rechenleistung in das „Training“ der Systeme investiert – verbunden mit enormen Stromrechnungen. Sie werden dazu mit Unmengen an Daten gefüttert und können erst dann auf deren Basis Antworten liefern. Das geht somit auch zulasten der Umwelt.

Falsche Antworten als Achillesferse

Abgesehen von Stromverbrauch und fehlenden Geschäftsmodellen – also der Frage nach dem Geld – ist die von Microsoft ausgerufene „Revolution“ auf dem Markt der Suchmaschinen auch aus einem anderen Grund vorerst eine theoretische. Schon am ersten Tag der ausgerufenen neuen Ära zeigte sich, dass die KI auch falsche Antworten auf Fragen liefern kann.

Natürlich kann man einwenden, dass das Internet schon bisher voll von ungeprüften Falschinformationen war – doch wer schon einmal mit ChatGPT „diskutiert“ hat, weiß: Die KI antwortet stets überzeugt – auch wenn die Antwort nicht den Tatsachen entspricht.

Solange derartige Werkzeuge zur Unterhaltung eingesetzt werden, ist das harmlos, oft sogar unterhaltsam – bei der Suche nach verlässlichen Informationen wird das aber schnell zum Problem. Bis auch dafür eine verlässliche Lösung gefunden ist, könnte es noch länger dauern – die Sehnsucht nach der klaren, schnellen und vor allem richtigen Antwort wird bis dahin bleiben.