Luftaufnahme aus Nordsyrien
APA/AFP/Omar Haj Kadour
Nordsyrisches Bebengebiet

Berichte über Luftangriffe

Auch nachdem das verheerende Erdbeben mit Tausenden Toten im türkisch-syrischen Grenzgebiet am Montag für ein enormes Maß an Zerstörung gesorgt hat, gibt es Berichte über Luftangriffe auf betroffene Regionen. Syrische Regierungsgruppen sollen demnach eine von der Opposition gehaltene Stadt angegriffen haben, und die Türkei soll Luftangriffe auf vorwiegend von Kurden bewohnte Gebiete in Nordsyrien fortgesetzt haben.

Wie das Onlineportal Middle East Eye (MEE) am Dienstag unter Berufung auf syrische Quellen und britische Abgeordnete berichtete, verübten Truppen des syrischen Machthabers Baschar al-Assad einen Angriff auf Marea, eine Stadt 35 Kilometer nördlich von Aleppo – direkt als Einwohner versuchten, unter eingestürzten Gebäuden Verschüttete zu retten.

Der britische Außenminister James Cleverly verurteilte die Regierung Assads für die „völlig inakzeptable Bombardierung“, die einem „langjährigen Verhaltensmuster des Assad-Regimes“ entspreche. Man werde versuchen, durch fortgesetzte Sanktionen in Zusammenarbeit mit internationalen Partnern ein erneutes Verhalten wie dieses zu verhindern, sagte er laut dem Fernsehnetzwerk Sky News.

Die konservative britische Abgeordnete und Vorsitzende des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten, Alicia Kearns, bezeichnete den Angriff als „wirklich gefühllosen und abscheulichen Angriff“ sowie Opportunismus. Ziel sei, „die gemäßigte Opposition anzugreifen und zu zerstören“, so die Konservative vor Abgeordneten. Die von der Opposition in den Rebellengebieten im Nordwesten betriebene Zivilschutzorganisation Weißhelme hatte zuvor in einem Brief Diplomaten aufgefordert, Druck auf Damaskus auszuüben, „um sicherzustellen, dass es in den betroffenen Gebieten keine Bombenangriffe gibt“.

Bericht über türkische Angriffe auf Kurdengebiete

Wie das ZDF in der Nacht berichtete, soll auch die Türkei nach dem Erdbeben in der Region Luftangriffe auf vorwiegend von Kurden bewohnte Gebiete in Nordsyrien fortgesetzt haben. Eine Helferin der Organisation Kurdischer Roter Halbmond erklärte gegenüber dem deutschen Sender, dass es in der schwer vom Beben getroffenen Gegend weiter Bombardements gegeben habe: „Wir haben gestern Nacht noch mal Nachbeben gehabt, und trotzdem wurden weiter türkische Luftangriffe geflogen“, wurde Fee Baumann zitiert.

Auch der Nahost-Experte der Gesellschaft für bedrohte Völker, Kamal Sido, bestätigte die Angaben gegenüber dem ZDF. In der Nacht auf Dienstag habe die Türkei das vom Beben betroffene Umland von Tall Rifaat angegriffen, wo kurdische Vertriebene aus der Region Afrin Zuflucht gefunden hätten. „Es ist skandalös, dass ein NATO-Staat eine humanitäre Katastrophe mutwillig verschlimmert. Von anderen NATO-Ländern kommt dazu kein Wort der Kritik“, so Sido.

Vier Tote durch Raketenbeschuss

Auch die Frauenkampfverbände der kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPJ) bestätigten auf Twitter, dass die Stadt Tall Rifaat von türkischer Artillerie beschossen worden sei. „Das Erdbeben ließ Gebäude einstürzen und zwang die Menschen, draußen zu bleiben. Kurz nach dem Erdbeben beschossen die Türkei und ihre verbündeten Söldner das Gebiet mit schweren Waffen“, hieß es in dem Tweet.

Durch eine türkische Rakete seien vier Menschen zum Teil schwer verletzt worden, teilten auch die in England ansässige Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte und die kurdisch geführten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) mit. Es handle sich dabei um von Kurden unterstützte Mitglieder des Militärrats von Manbidsch, die die dortige Gegend kontrollieren.

El-Gawhary (ORF) über Lage in Syrien

Der ORF-Korrespondent Karim El-Gawhary spricht unter anderem über die Lage in Syrien und ob es Möglichkeiten gibt, in die Katastrophengebiete zu kommen. Außerdem berichtet er, ob an den Meldungen etwas wahr ist, dass die Gebiete immer noch angegriffen werden.

Politische Lage erschwert Hilfe

Die Erdbebenkatastrophe vom Montag traf im Norden Syriens Gebiete unter verschiedener Kontrolle. Die politische Lage erschwert den Transport von Hilfsgütern und die Rettungsaktionen zusätzlich. Zwischen der Türkei und Syrien gibt es einen einzigen offenen Grenzübergang, Bab al-Hawa. Wegen Straßenschäden verzögere sich dort die Lieferung humanitärer Hilfe, sagten UNO-Quellen. Aus der Gegend des Grenzübergangs hieß es, einige Hauptstraßen auf dem Weg zur Grenze hätten durch die Beben Risse oder andere Schäden erlitten.

Epizentren und Erdbebenstärke gemäß USGS (mmw) von 6. und 7.2.2023.

Die syrische Regierung und ihr Verbündeter Russland hatten in den vergangenen Jahren einen entsprechenden UNO-Hilfsmechanismus mit mehreren Übergängen Schritt für Schritt zurückgefahren. Der Grund dafür ist, dass weite Teile auf der nordsyrischen Seite der Grenze in den Händen von Rebellen sind und Damaskus diese zurückerobern will. Der syrische Botschafter bei den Vereinten Nationen, Bassam Sabbagh, bekräftigte am Dienstag erneut, dass humanitäre Hilfe innerhalb Syriens durch Gebiete fließen sollte, die von der Regierung kontrolliert werden. Weitere Grenzübergänge von Rebellengebieten in die Türkei sollten nicht autorisiert werden.

Das Regime in Damaskus stellte einen Antrag auf Katastrophenhilfe an die EU. Das Hilfsersuchen umfasse eine lange Liste an gängigen Katastrophenschutzgütern, sagte der für das EU-Krisenmanagement zuständige Kommissar Janez Lenarcic am Mittwoch bei einer Pressekonferenz in Brüssel. Demnach fragt Syrien etwa nach Medikamenten, Lebensmitteln und nach medizinischen Geräten. „Ich ermutige die EU-Staaten, auf die Anfrage zu reagieren“, sagte Lenarcic.