die schwimmende LNG-Unit „Höegh Esperanza“
APA/AFP/Focke Strangman
Chlor ins Meer

Aufregung über deutschen LNG-Terminal

Im Dezember hat in Wilhelmshaven der erste Flüssigerdgasterminal Deutschlands seinen Betrieb aufgenommen. Seitdem laufen Umweltschützerinnen und Umweltschützer Sturm. Der Vorwurf: Giftige chlorhaltige Abwässer würden das Meer belasten. Der Betreiber und das Umweltministerium widersprechen. Doch nun gibt es ein neues Gutachten.

Der schwimmende Terminal vor der niedersächsischen Nordseeküste soll dazu beitragen, die durch ausbleibende Lieferungen aus Russland entstandene Lücke bei der Gasversorgung Deutschlands zu schließen. Herzstück des Terminals ist das fast 300 Meter lange Spezialschiff „Höegh Esperanza“, welches das von Tankschiffen angelieferte verflüssigte Erdgas in den gasförmigen Zustand umwandelt und in das deutsche Gasnetz einspeist.

Für die Umwandlung muss das Flüssigerdgas mit Nordseewasser erwärmt werden. Schließlich wurde zuvor das Erdgas, um flüssig werden zu können, auf rund minus 160 Grad abgekühlt. Damit das Verdampfungsschiff bei der Erwärmung aber nicht mit Algen, Muscheln oder Seepocken zuwächst, brauche es das Chlor, das als Biozid zur Reinigung verwendet werde. Nur so könne es betriebsbereit bleiben. Das zumindest heißt es vonseiten des Betreibers, des deutschen Gasunternehmens Uniper.

 die angedockte schwimmende LNG-Unit „Höegh Esperanza“ in Wilhelmshaven
APA/AFP/Michael Sohn
Auf der „Höegh Esperanza“ wird das Gas umgewandelt – damit das Spezialschiff betriebsbereit bleiben kann, brauche es Chlor, so die Betreiber

Warnung vor „schleichendem Chemieunfall“

Laut Niedersächsischem Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) beantragte Uniper die Einleitung von jährlich bis zu 178 Millionen Kubikmetern mit Bioziden behandelten Seewassers. Der Umwelthilfe zufolge sei das zehnmal so viel, wie die australischen Behörden zuvor an vergleichbarem Standort für vertretbar gehalten hatten.

Bereits im Oktober warnte die Deutsche Umwelthilfe (DUH) vor einem „schleichenden Chemieunfall“. Das neue Gutachten legt noch einmal detaillierter die möglichen Probleme dar.

Kritik an LNG-Terminal in Wilhelmshaven

Seit seiner Inbetriebnahme im Dezember steht der LNG-Terminal in Wilhelmshaven in der Kritik. Auf dem Schiff „Höegh Esperanza“ wird verflüssigtes Erdgas in Gas umgewandelt. Für die Reinigung des Seewassersystems wird Chlor als Biozid zur Bekämpfung von Schädlingen verwendet, das folglich im Meer landet. Ein neues Gutachten bestätigte nun, dass chlorhaltige Abwässer das Meer belasten.

Schäden für Ökosystem befürchtet

Eine kontinuierliche Chlorung könne „nicht als beste verfügbare Technik“ angesehen werden, heißt es in der am Donnerstag von der Umwelthilfe veröffentlichten Stellungnahme des Hamburger Labors LimnoMar, die der dpa vorliegt. Das Verfahren sei weder mit nationalen Gesetzen noch mit der EU-Wasserrahmenrichtlinie vereinbar, hieß es.

Unter anderem werden Schäden für das an den Fluss Jade angrenzende Ökosystem Wattenmeer befürchtet. „Die Elektrochlorierung ist eine überholte Technik, extrem umweltschädlich und auch rechtlich nicht zulässig“, fasst der DUH-Energieexperte Constantin Zerger die Ergebnisse zusammen.

Luftaufnahme Jade und Wattenmeer
IMAGO/blickwinkel
Schäden durch das Chlor werden vor allem im angrenzenden Wattenmeer befürchtet

Umweltfreundliches Reinigungsverfahren gefordert

Die Autoren und Autorinnen empfehlen, das Verfahren mindestens auf eine Stoßchlorung umzustellen – also nur dann Chlor einzusetzen, wenn der Bewuchsdruck von Algen und Muscheln das erfordert. Langfristig, so das Gutachten, sollte statt des Chlors ein umweltfreundliches Reinigungsverfahren etwa auf Ultraschallbasis eingesetzt werden.

Der Verband forderte die niedersächsische Genehmigungsbehörde erneut auf, die Nachrüstung auf ein anderes Reinigungsverfahren anzuordnen. „Ansonsten werden wir auf Grundlage des Gutachtens weitere rechtliche Schritte in die Wege leiten, um den Nationalpark Wattenmeer vor der Einleitung des giftigen Biozids zu schützen“, sagte Zerger.

Ministerium: Aussagen des Gutachtens „nicht zutreffend“

Laut der Genehmigungsbehörde NLWKN entspricht das Reinigungssystem auf Chlorbasis jedoch sehr wohl dem „Stand der Technik“. Auch das niedersächsische Umweltministerium distanziert sich von den Aussagen des Gutachtens, diese seien „nicht zutreffend“. Grundlage für die Ermittlung des „Standes der Technik“ seien technische Umweltstandards einer international anerkannten Norm. Diese empfehle für einen schwimmenden LNG-Importterminal (FSRU), „(…), dass bei der Verwendung von Seewasser als Heizmedium ein Chlorungssystem vorhanden sein sollte“.

Terminalbetreiber Uniper teilte auf Anfrage mit, der Einsatz anderer Reinigungsverfahren, etwa mit Ultraschall, sei untersucht worden. Bisher habe kein Alternativverfahren den „speziellen Anforderungen“ des Schiffes entsprochen. Die Genehmigungsbehörde hat Uniper allerdings verpflichtet, bis zum Sommer Vorschläge zu machen, wie der Biozideinsatz verringert werden kann. Dafür befinde man sich zusammen mit der Reederei Höegh „derzeit in zahlreichen Gesprächen“ mit Herstellern, Lieferanten und Experten, teilte Uniper weiter mit.

Auswirkungen auf Klima

Die Einfuhr von LNG nach Europa ist im vergangenen Jahr nach Angaben der Denkfabrik Institute for Energy Economics and Financial Analysis um 60 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gestiegen. Der Großteil kam demnach aus den USA, die ihre Lieferungen um 143 Prozent steigerten.

Doch die gesteigerten LNG-Exporte wirken sich auch auf das Klima aus. So schreibt „Le Monde Diplomatique“ („LMD“): „Die größte Heuchelei bei der Entkopplung Europas von russischen Öl- und Gaslieferungen betrifft die Umweltpolitik. Bei Produktion und Transport von LNG aus den USA entsteht ein doppelt so großer CO2-Fußabdruck wie beim konventionellen russischen Gas.“