Wie die unabhängige russische Exilzeitung „Meduza“ berichtete, würden in der ganzen Stadt Gebäude abgerissen, die nicht mehr wiederaufgebaut werden könnten. Das russische Bauministerium stelle Anlagen zur Verfügung, um die Trümmer zu Betonsplittern zu verarbeiten. Diese sollen dann von den Besatzern dazu verwendet werden, Straßen zu bauen.
Die Zeitung bezieht sich dabei auf Aussagen von Dmitri Chadschinow, einem Vertreter der Besatzungstruppen. Seinen Angaben zufolge liegen in Mariupol derzeit rund 2,5 Millionen Tonnen Schutt auf einer Fläche von 37 Hektar. Mariupol war ein wichtiges Ziel der russischen Streitkräfte. Zu Beginn des Krieges wurde die Stadt monatelang belagert und schließlich in weiten Teilen zerbombt.

Belagerung war „Hölle“
Im März zerstörte das russische Militär unter anderem ein Theater, in dessen Keller nach ukrainischen Angaben Familien Schutz gesucht hatten. Satellitenfotos zeigen, dass vor dem Gebäude auf dem Boden „Kinder“ geschrieben stand. Russland habe das Gebäude dennoch bombardiert, teilte die Ukraine mit. Hunderte Menschen seien getötet worden.
Russland erklärte den Vorfall für inszeniert, lieferte dafür aber keine Beweise. Hilfskonvois versuchten, die Zivilbevölkerung aus der Stadt zu bringen. Das Rote Kreuz beschrieb die drei Monate dauernde Belagerung Mariupols als „Hölle“. Als Letzte harrten wochenlang Zivilisten und Soldaten im riesigen Asow-Stahl-Werk aus.

Stahlwerk als Symbol des Widerstands
Mitte Mai wurden die Zivilisten in Sicherheit gebracht, die Kämpfer des Asow-Regiments ergaben sich. Die Ukraine überließ die weitgehend zerstörte Hafenstadt den russischen Truppen. Doch Asow-Stahl wurde zum Sinnbild des ukrainischen Widerstands. Im Dezember begannen die russischen Besatzer damit, die Reste des Theaters abzureißen.
Laut einem Bericht der Nachrichtenagentur AP vom Dezember geht die Zahl der Toten in der Stadt in die Zehntausende. Im Mai 2022 ging die Stadtverwaltung von geschätzt mindestens 25.000 Toten aus. Die Agentur AP, die mit zahlreichen Menschen an Ort und Stelle sprach, rechnete allerdings damit, dass die tatsächliche Zahl mindestens dreimal so hoch sei.

Erbitterte Kämpfe um Bachmut
Auch die anhaltenden Kämpfe um Bachmut im Osten gelten als Sinnbild des ukrainischen Widerstands gegen die russischen Angreifer. Am Sonntag reklamierte der Chef der russischen Söldner-Truppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, die Einnahme des Ortes Krasna Hora nahe der Stadt. Derzeit kämpften laut Prigoschin Wagner-Soldaten in einem Radius von rund 50 Kilometern um Bachmut herum.
Erbitterte Schlacht um Bachmut
Russland soll im Osten der Ukraine eine neue Offensive gestartet haben, wie ukrainische Stellen melden. Besonders um Städte wie Bachmut und Vuhledar wird derzeit erbittert gekämpft, die Verluste auf beiden Seiten sind enorm.
Sollte Bachmut, das als strategisch wichtig erachtet wird, eingenommen werden, dann von Wagner-Kämpfern. Prigoschins Gruppe kämpfe derzeit nur in dieser Gegend in der Region Donezk im Osten der Ukraine. An anderen Frontlinien im Süden oder Norden sei die Wagner-Gruppe nicht präsent. Die Angaben ließen sich nicht unabhängig verifizieren.

Wagner-Chef: Einnahme wichtig für weiteren Feldzug
Um Bachmut wird seit Monaten erbittert gekämpft. Der ukrainische General Walerij Saluschnyj erklärte am Samstag, dass Bachmut immer noch von der Ukraine gehalten werde. Es werde versucht, die Frontlinie um die Stadt herum zu stabilisieren. Vor dem Krieg hatte Bachmut etwa 75.000 Einwohner, Krasna Hora etwa 600. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte Anfang des Monats Bachmut als Festung der Ukraine bezeichnet und im Zusammenhang mit der Verteidigung der Stadt seine Forderungen nach Langstreckenraketen erneuert.
ZIB-Korrespondent Christian Wehrschütz zur Schlacht um Bachmut
Wie lange kann die Ukraine den massiven Angriffen der russischen Armee noch standhalten? Und hat die Offensive Russlands tatsächlich bereits begonnen? Christian Wehrschütz antwortet.
Prigoschin hatte in einem Interview mit einem russischen Militärblogger erklärt, die Einnahme von Bachmut sei wichtig für den weiteren Feldzug. Er erwartet noch jahrelange zähe Kämpfe in der Ukraine. Damit gab Prigoschin einen seltenen Einblick in den auf russischer Seite erwarteten Zeithorizont des Krieges. Die Wagner-Gruppe unterstützt die russische Armee. Wie viele Söldner im Einsatz sind, ist nicht genau bekannt.
London: Größte russische Verluste seit Kriegsanfang
Russland verliert in der Ukraine nach britischen Angaben so viele Soldaten wie seit den Anfangstagen des Angriffskrieges nicht mehr. „In den vergangenen zwei Wochen hat Russland wahrscheinlich die höchste Verlustrate seit der ersten Woche des Einmarsches in die Ukraine erlitten“, erklärte das britische Verteidigungsministerium am Sonntag unter Berufung auf Statistiken des ukrainischen Generalstabs. London könne die Methodologie bei der Erhebung der Zahlen nicht im Detail prüfen, gehe aber davon aus, dass der „von den Daten illustrierte Trend wohl zutreffend ist“.
Im Durchschnitt der vergangenen sieben Tage habe es den Daten zufolge täglich 824 russische Tote oder Verletzte gegeben, was mehr als dem Vierfachen des Wertes der Monate Juni und Juli entspreche. Diese Zunahme hänge wahrscheinlich mit mehreren Faktoren zusammen, darunter dem Mangel an gut ausgebildetem Personal, Koordination und Ressourcen an der Front, wie es sich zum Beispiel in Bachmut zeige. Aber auch die Ukraine erleide weiter große Verluste, schrieben die Briten.
Das britische Verteidigungsministerium veröffentlicht seit Beginn des Angriffskrieges gegen die Ukraine vor fast einem Jahr unter Berufung auf Geheimdienstinformationen täglich Updates zum Kriegsverlauf. Damit will die britische Regierung sowohl der russischen Darstellung entgegentreten als auch Verbündete bei der Stange halten. Moskau wirft London eine gezielte Desinformationskampagne vor.