Ein US-Kampfjet F-16
Reuters/USA TODAY Sports/Peter Casey
Abschuss Nummer vier

Rätseln in USA über Flugobjekte

Das US-Militär hat am Sonntag erneut ein Flugobjekt abgeschossen – das vierte binnen weniger Tage. Mit jedem Abschuss gibt es mehr Fragen statt Antworten: Wozu dienen diese Flugobjekte? Wem gehören sie? Warum entdecken die USA plötzlich mehr davon und schießen mehr davon ab? China wirft den USA nun ebenfalls Ballonspionage vor.

Auf Befehl von Präsident Joe Biden habe ein US-Kampfflugzeug vom Typ F-16 das Objekt um 14.42 Uhr Ortszeit über dem Huronsee an der amerikanisch-kanadischen Grenze abgeschossen, teilte Pentagon-Sprecher Patrick Ryder am Sonntag mit. Das Objekt sei vermutlich dasselbe, das vor Kurzem über Montana in der Nähe sensibler militärischer Einrichtungen entdeckt worden sei und die Sperre des US-Luftraums zur Folge gehabt habe. Es schien eine achteckige Struktur zu haben, mit herabhängenden Schnüren, aber ohne erkennbare Nutzlast, sagte ein US-Beamter.

Es war das vierte Flugobjekt, das innerhalb von etwas mehr als einer Woche über Nordamerika abgeschossen wurde. Eigentlich sollte das Objekt noch am Samstag abgeschossen werden, als die Kampfjets in Position waren, sei es aber schon zu dunkel gewesen. Auch das Radar verlor die Spur des Objekts und entdeckte es erst am Sonntag wieder.

Grafik zu Flugobjekten über den USA und Kanada
Grafik: APA/ORF

Es sei bei den drei jüngsten Objekten unklar, wie sie in der Luft bleiben oder woher sie kommen, sagte US-Luftstreitkräftegeneral Glen VanHerck. „Wir nennen sie nicht umsonst Objekte und nicht Ballons.“ Auf die Frage, ob er Außerirdische ausschließe, sagte VanHerck, er habe noch nichts ausgeschlossen. „Ich überlasse es der Geheimdienstgemeinschaft und der Spionageabwehr, das herauszufinden.“

Mehr Objekte oder mehr Kontrolle?

Dass nun plötzlich so viele unbekannte Flugobjekte über Nordamerika entdeckt werden, sorgt für zunehmendes Rätselraten. Die „New York Times“ titelte am Montag: „Was passiert da oben? Theorien, aber keine Antworten zu mysteriösem Flugobjekt.“ Möglicherweise gibt es auch nicht mehr dieser Objekte als vorher, sondern es werden nur mehr entdeckt.

Offenbar wurde jedenfalls die Überwachung des Luftraums seit dem Abschuss des chinesischen Ballons verschärft. Die Suchparameter seien ausgeweitet worden, sagte ein US-Regierungsvertreter gegenüber der „Washington Post“.

Warnung vor wilden Spekulationen

Bereits vor Bekanntwerden des vierten Abschusses sorgten die Flugobjekte am Sonntag für politische Debatten. Der demokratische Abgeordnete Jim Himes kritisierte, die Regierung informiere die Öffentlichkeit nicht ausreichend. Himes warnte, das könnte rasch zu wilden Spekulationen über UFOs und Ähnliches führen. Die US-Regierung verwies am Wochenende dagegen mehrmals darauf, man müsse zuerst die Reste der abgeschossenen Objekte bergen, bevor man Genaueres sagen könne.

Der Terrorismusexperte Nikolaus Stockhammer von der Donau-Uni Krems sagte im Ö1-Morgenjournal, dass es sich wohl um Spionageobjekte handelt. In großer Höhe sei das Entdecken der Objekte durchaus schwierig, so Stockhammer.

Angeblich chinesischem Ballon nicht ähnlich

Ein Vertreter des US-Verteidigungsministeriums sagte unter der Bedingung der Anonymität, das Militär habe keine Beweise vorliegen, dass die Objekte von Außerirdischen stammen. Das US-Präsidialamt erklärte, dass die kürzlich abgestürzten Objekte dem chinesischen Ballon „nicht sehr ähnlich“ seien.

Die US-Behörden identifizierten das erste Objekt als chinesischen Überwachungsballon und schossen es am 4. Februar vor der Küste von South Carolina ab. Am Freitag wurde ein zweites Objekt in der Nähe von Deadhorsein Alaska abgeschossen. Ein drittes Objekt wurde am Samstag über dem kanadischen Yukon zerstört, wobei die Ermittler noch immer nach den Wrackteilen suchen.

„Bergungsteams sind auf dem Boden und versuchen, das Objekt zu finden“, sagte Ministerpräsident Justin Trudeau. Die Sicherheit der Bürger habe oberste Priorität. Deshalb sei das Objekt abgeschossen worden. Es habe eine Gefahr für zivile Flugzeuge dargestellt. Anders als der chinesische Ballon flogen die anderen Objekte deutlich niedriger.

Diplomatische Spannungen

Nordamerika ist seit dem Auftauchen des chinesischen Objekts über dem US-Luftraum Anfang Februar in höchster Alarmbereitschaft. Der Vorfall hatte diplomatische Konsequenzen: US-Außenminister Antony Blinken sagte eine China-Reise nur wenige Stunden vor der Abreise ab.

China bestreitet, dass der Ballon zu Überwachungszwecken eingesetzt wurde, und hat erklärt, es habe sich um ein ziviles Luftschiff zu Forschungszwecken gehandelt. Kurz nach dem Abschuss des Ballons vor der US-Küste tauchte ein weiterer chinesischer Ballon in Südamerika auf. Über Europa wurden von den zuständigen Behörden zumindest keine Überflüge derartiger Ballons gemeldet.

Das chinesische Außenministerium betonte am Montag unterdessen, dass die USA seit letztem Jahr zehn Ballons über China hätten fliegen lassen, ohne dafür zuvor die Genehmigung Pekings einzuholen.

USA und China sprachen erstmals über Ballon

Die USA kommunizierten nach dem Abschuss des mutmaßlichen Spionageballons vor fast zehn Tagen erstmals mit China über den Fall. Es habe „Kontakte zur Volksrepublik China wegen des Höhenballons“ gegeben, gab die stellvertretende Verteidigungsministerin Melissa Dalton bekannt. Sie machte keine Angaben dazu, wer an dem Kontakt beteiligt war oder welchen Inhalt er hatte.

US-Verteidigungsminister Lloyd Austin hatte vergeblich um ein Gespräch mit dem chinesischen Verteidigungsminister gebeten, nachdem der Ballon tagelang die USA überflogen hatte und schließlich von einem US-Kampfjet vor der US-Ostküste abgeschossen worden war.

Für Taiwan nichts Neues

Für Taiwain sind die chinesischen Ballon nichts Neues: Dutzende dieser Militärballons drangen einem Medienbericht zufolge in den vergangenen Jahren in den taiwanischen Luftraum ein – viel mehr als bisher bekannt. „Sie kommen sehr häufig, der letzte erst vor ein paar Wochen“, sagte ein hoher taiwanischer Beamter nach Angaben der „Financial Times“ vom Montag. Eine andere Person sagte, solche Überflüge habe es durchschnittlich einmal im Monat gegeben.

Dass die sicherheitspolitische Lage im Pazifik angespannt ist, darauf deutete am Montag auch hin, dass die philippinische Küstenwache berichtete, ein chinesisches Schiff habe ein philippinisches Patrouillenboot im Südchinesischen Meer mit einem „militärischen Laserlicht“ geblendet. Der Vorfall habe sich bereits am 6. Februar fast 20 Kilometer von einem Stützpunkt der philippinischen Marine auf den Spratly-Inseln ereignet.