Die Uniform eines Soldaten der Freedom of Russia Legion in der Ukraine
APA/AFP/Sameer Al-Doumy
Legion „Freiheit Russlands“

Russen im Kampf für die Ukraine

Seit bald einem Jahr herrscht Krieg in der Ukraine, wenig Beachtung hat bisher die Existenz der Legion „Freiheit Russlands“ gefunden. Darin vereint sind Russen, die an der Seite der Ukraine gegen Truppen aus ihrem Heimatland kämpfen. Sie haben aus verschiedenen Gründen zu den Waffen gegriffen: aus Empörung über den Angriffskrieg ihres Landes, aus dem Wunsch heraus, ihre Wahlheimat Ukraine zu verteidigen oder weil sie Russlands Präsidenten, Wladimir Putin, den Untergang wünschen.

Mehrere hundert von ihnen sind im seit Monaten hart umkämpften Bachmut an der Ostfront im Einsatz, berichtete die „New York Times“ („NYT“). Dort kämpfen sie unter ukrainischem Kommando hauptsächlich in der Artillerie oder in Luftaufklärungseinheiten. Ihre Flagge ist weder die ukrainische noch die russische, sie besteht aus weiß-blau-weißen Querstreifen. Zu Beginn des Krieges war es russischen Staatsbürgern nach ukrainischem Recht nicht gestattet, den Streitkräften beizutreten. Es dauerte bis August, bis die Gesetzgebung adaptiert war, sagte Andrij Jussow, ein Sprecher des ukrainischen Militärgeheimdienstes.

„Es gab eine große Anzahl von Russen, die aufgrund des Einmarschs ihres Landes moralisch entrüstet waren und nach einer Möglichkeit suchten, sich den Verteidigern der Ukraine anzuschließen“, erklärte Jussow die Beweggründe des Militärs, die Einheit zu gründen. „Die Legionäre kamen mit dem Wunsch, Putins Truppen aufzuhalten und Russland von der Diktatur zu befreien.“ „Es sind motivierte und professionelle Kämpfer, die ihre Aufgaben perfekt erledigen“, sagte ein ukrainischer Offizier, der anonym bleiben wollte, gegenüber der Nachrichtenagentur AFP.

Aufnahmetests mit Lügendetektor

Rekruten würden vor der Aufnahme in die Grundausbildung sorgfältig geprüft – in Gesprächen und mit einem Lügendetektortest –, um das Risiko einer Unterwanderung auszuschließen. Es habe mehrere Versuche russischer Spione gegeben, die Legion zu infiltrieren, sagte Jussow. Die Gruppe operiert unter dem Dach der Internationalen Legion der Territorialverteidigung der Ukraine, einer Kampftruppe, zu der auch Einheiten aus amerikanischen und britischen Freiwilligen sowie aus Weißrussen, Georgiern und anderen gehören.

Ukrainische Soldaten an der Frontlinie bei Bakhmut (Region Donetsk)
AP/Libkos
Russen, die gegen Russen kämpfen, sind in einige der härtesten Kämpfe des Krieges verwickelt

Primär politische Bedeutung

Dem ukrainischen Militärexperten Oleg Schdanow zufolge hat die Legion vor allem eine politische Bedeutung: „Es ist gut für die Ukraine, wenn sie zeigen kann, dass auch Russen die Demokratie und Freiheit unterstützen und auf der richtigen Seite kämpfen“, sagte er. Auf das Kriegsgeschehen hätten die russischen Kämpfer allerdings „aufgrund ihrer geringen Zahl keinen großen Einfluss“.

Tatsächlich ist nicht gesichert, wie viele Kämpfer zur „Freiheit Russlands“ gehören. Im August hieß es in einem Bericht der „Moscow Times“, die Einheit könne zwei vollständige Bataillone stellen, was mehr als 1.000 Soldaten entspricht. Das wäre bei Betrachtung der Gesamtzahl an ausländischen Kämpfern für das ukrainische Militär aber eine eher kleine Zahl: Das Außenministerium sprach bereits Anfang März davon, dass die Streitkräfte von fast 20.000 Freiwilligen aus 52 Ländern unterstützt würden.

„Ein echter Russe führt keinen so aggressiven Krieg“

Der Sprecher der Legion nennt sich mehreren Medienberichten zufolge Cäsar und behauptet von sich: "Ich bin kein Verräter. Ich bin ein wahrer russischer Patriot.“ Er habe bereits „viele“ seiner Landsmänner getötet, „Gewissensbisse“ habe er aber nicht: „Ein echter Russe führt keinen so aggressiven Krieg, vergewaltigt keine Kinder, tötet keine Frauen und ältere Menschen.“ Russland sei aus den Fugen geraten: „Gehen Sie in die Dörfer – Sie werden Betrunkene, Drogenabhängige und Kriminelle sehen.“ Das sei das Ergebnis von 20 Jahren Putin. Sollte er den Krieg überleben und das ukrainische Territorium befreit sein, „werde ich auf jeden Fall weiterkämpfen, um dieses Kreml-Regime zu stürzen“.

Ein Soldat der Freedom of Russia Legion in der Ukraine
APA/AFP/Sameer Al-Doumy
Das Wappen der Legion „Freiheit Russlands“ ist eine Faust, über der die Worte „Freiheit“ und „Russland“ stehen

Schwierige Gratwanderung

Den Legionären falle es schwer, ihren Familien in Russland ihre Beweggründe zu erklären, schrieb die „NYT“. Berichte über Gräueltaten der russischen Truppen, etwa das Ermorden von Zivilisten und Zivilistinnen in den Kiewer Vororten Butscha und Irpin, würden in ihrer Heimat als ausländische Propaganda abgetan. „Man sagt ihnen, dass hier schlechte Menschen leben, und sie glauben das. Sie glauben nicht, dass die zweitgrößte Armee der Welt normale Menschen töten kann“, sagte ein Kämpfer der Legion „Freiheit Russlands“.

In Interviews sagten einige Legionäre, sie hätten bereits in der Ukraine gelebt, als die russischen Streitkräfte einmarschierten, und fühlten sich verpflichtet, ihre Wahlheimat zu verteidigen. Andere, oft ohne militärische Erfahrung, kamen nach Beginn des Krieges aus Russland in die Ukraine, weil sie die Invasion verwerflich fanden. In einem selbst formulierten Manifest erläutern die Soldaten ihre Ziele: „Wir kämpfen gegen das diktatorische Regime von Wladimir Putin, gegen die Verletzung demokratischer Werte, die totale Korruption, die Verletzung der Menschenrechte und das Fehlen der Redefreiheit.“

Auch Tschetschenen auf der Seite der Ukraine

Neben den Russen stehen auch andere Kämpfer an der Seite der Ukraine, obwohl man sie eher im Feindeslager vermuten könnte. Mindestens drei tschetschenische Gruppen kämpfen ebenfalls gegen Russland, es sind vor allem Soldaten, die sich gegen den tschetschenischen Machthaber Ramsan Kadyrow gestellt haben und ihre Heimat teilweise vor langer Zeit verlassen mussten.

Die beiden bekanntesten Gruppen sind das Dschochar-Dudajew-Bataillon und das Scheich-Mansur-Bataillon. Dazu kommt die kleinere Einheit OBON, die auch als Separate Special Purpose Battalion in Erscheinung tritt. Von allen drei Gruppen gibt es Berichte von Einsätzen an vorderster Front. Wie viele Kämpfer es insgesamt sind, darüber gehen die Schätzungen auseinander. Ob es auch islamistische Kämpfer in ihren Reihen gibt, ist ebenfalls unklar, es dürften laut Expertenschätzungen aber recht wenige sein.