Weniger „besachwaltet“, aber Erwachsenenvertretungen steigen

Das 2. Erwachsenenschutzgesetz hat im Juli 2018 einen Paradigmenwechsel gebracht: Aus Sachwalterschaft wurde Erwachsenenvertretung, die Sachwalterschaften gehen seither von einem Höchststand von 52.700 stetig zurück.

Im fünften Jahr der Reform habe sich diese als Meilenstein in der Selbstbestimmung von Betroffenen bestätigt, betonte der Verein Vertretungsnetz, der sich aber auch sorgt: Die Zahl der Erwachsenenvertretungen insgesamt steige nämlich, es brauche mehr Unterstützung.

Oft nicht notwendig

Die aufrechten „gerichtlichen Erwachsenenvertretungen“, wie Sachwalterschaften jetzt genannt werden, sind erneut um 31 Prozent auf aktuell rund 36.400 zurückgegangen (Jänner 2023). Das sei auch eines der großen Ziele der Reform gewesen, so der um Erwachsenenvertretung, Patientenanwaltschaft und Bewohnervertretung engagierte Verein.

Seither wird in jedem neuen Verfahren von den Erwachsenenschutzvereinen abgeklärt, ob eine gerichtliche Vertretung wirklich gebraucht wird. Das Vertretungsnetz komme in vier von zehn Fällen nach Prüfung der Lebensumstände zum Ergebnis, dass eine solche nicht nötig sei, zum Beispiel weil Unterstützung aus dem sozialen Umfeld verfügbar oder eine andere Form der Vertretung möglich ist.

Eine weitere Variante ist die „gesetzliche Erwachsenenvertretung“. Hier können sich Angehörige als Vertretung eines Menschen registrieren lassen, wenn dieser die Wahl nicht mehr selbst treffen kann oder will, zum Beispiel weil eine Demenzerkrankung zu weit fortgeschritten ist.

Seit Juli 2018 wurden österreichweit rund 23.400 solcher Vertretungen etabliert. „Gesetzliche Erwachsenenvertretungen lassen jedoch kaum mehr Spielraum für Selbstbestimmung als gerichtliche Vertretungen“, mahnt das Vertretungsnetz.

Insgesamt deutlicher Anstieg

Die Expertinnen und Experten beobachten daher „mit Sorge, dass die Anzahl der gesetzlichen und gerichtlichen Erwachsenenvertretungen in Summe im Vergleich zur Zahl der früheren Sachwalterschaften sogar um rund 13 Prozent angestiegen ist“, hieß es gegenüber der APA.

Zu dieser Entwicklung komme es „nicht zuletzt, weil es zu wenige Unterstützungsangebote vonseiten des Bundes, der Länder und Gemeinden gibt, damit Menschen mit psychischer Erkrankung oder intellektueller Beeinträchtigung auch ohne Erwachsenenvertretung zurechtkommen“.

Mehr Barrierefreiheit gefordert

Die Evaluierung des reformierten Erwachsenenschutzgesetzes durch das Justizministerium läuft noch. Das Vertretungsnetz pocht auf die Umsetzung der UNO-Behindertenrechtskonvention. „Würden mehr finanzielle Ressourcen eingesetzt und konsequent an barrierefreien Lösungen im Alltag gearbeitet, wären viele Erwachsenenvertretungen nicht nötig“, wird betont.