Eine Soldatin der U.S. Navy fixiert die geborgenen Überreste des chinesischen Ballons.
AP/U.S. Navy/Petty Officer 1st Class Ryan Seelbach
Rätselhafte Flugobjekte

Sensoren von chinesischem Ballon geborgen

Das US-Militär hat Trümmerteile des chinesischen Ballons geborgen, der am 4. Februar von einem US-Kampfjet vor der Küste South Carolinas abgeschossen worden war. Dabei handelt es sich unter anderem um Sensoren und Elektronik. Völliges Rätseln herrscht nach wie vor über die drei weiteren abgeschossenen Flugobjekte. Neben Vorwürfen gibt es auch erste Hinweise auf eine Kommunikation zwischen den USA und China.

Das US-Militärkommando Nord teilte am Montag mit, „die Besatzungen konnten bedeutende Trümmerteile von der Absturzstelle bergen, darunter alle wichtigen Sensoren und Elektronikteile, die identifiziert wurden, sowie große Teile der Struktur“. Auch Schlüsselsensoren, die vermutlich der Nachrichtengewinnung dienten, seien sichergestellt worden.

Es handle sich dabei um eine etwa zehn Meter hohe Antennenvorrichtung, berichtete der Sender CBS am Montagabend (Ortszeit). Der abgeschossene Ballon habe über „mehrere Antennen“ verfügt und sei vermutlich in der Lage gewesen, „Kommunikation zu sammeln und zu lokalisieren“, hieß es aus dem US-Außenministerium.

Peking streitet das ab. Nach chinesischen Angaben handelte es sich bei dem Ballon um ein ziviles Forschungsgerät aus China. Die USA werfen China vor, den Ballon zu Spionagezwecken gestartet haben. Er flog laut US-Angaben in einer Höhe von etwa 18 Kilometern und damit weit über der Höhe, in der zivile Flugzeuge unterwegs sind, hatte die Größe von zwei, drei Bussen und war mit bloßem Auge zu sehen.

Tappen im Dunkeln bei drei weiteren Objekten

Anders als beim Ballon ist bei den drei zuletzt gesichteten Flugobjekten noch völlig offen, wer sie auf den Weg geschickt hat – und wozu. Das am Sonntag über dem Huronsee an der amerikanisch-kanadischen Grenze abgeschossene Flugobjekt sei in etwa sechs Kilometer Höhe unterwegs gewesen und schien eine achteckige Struktur zu haben, mit herabhängenden Schnüren, aber ohne erkennbare Nutzlast, sagte ein US-Beamter. Das Pentagon betonte, noch lägen keine Informationen dazu vor, woher der Flugkörper stammte und was er zum Ziel hatte.

Nur wenige Tage zuvor waren zwei weitere Flugobjekte über Alaska und Kanada in rund zwölf Kilometer Höhe abgeschossen worden. Sie waren nach offiziellen Angaben deutlich kleiner als der chinesische Ballon – etwa so groß wie ein Kleinwagen – und in niedrigeren Höhen unterwegs. Sie hätten sich sehr langsam fortbewegt, etwa mit Windgeschwindigkeit.

Grafik zu Flugobjekten über den USA und Kanada
Grafik: APA/ORF

Bergung der Trümmer entscheidend, aber schwierig

Man werde die Objekte „erst dann endgültig charakterisieren können, wenn wir die Trümmer bergen können“, sagte ein Sprecher des Weißen Hauses für nationale Sicherheit. Die Bergung der Trümmer gestaltet sich offiziellen Angaben zufolge wegen der Wetter- und Umweltbedingungen an Ort und Stelle schwierig.

Besonders die Bergung des vor Alaska abgeschossenen Flugkörpers werde durch die „arktischen Wetterbedingungen“ wie Wind, Schnee und wenig Tageslicht erschwert, teilte der Kommandostab Northern Command (Northcom) mit. Die Bergung der Trümmerteile finde auf dem Meereis statt.

Bergung von Ballon-Überresten
AP/U.S. Navy
Vom Militär veröffentlichte Fotos zeigten die Bergung eines großen Teils des Ballons aus dem Atlantik

Aufklärung könnte einige Zeit dauern

Angesichts der schwierigen Bergung der Trümmer stimmte der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates, John Kirby, die Öffentlichkeit auf eine längere Wartezeit ein, bis die Hintergründe der Flugobjekte geklärt sind. Das Militär beobachte den Luftraum weiter genau, betonte Kirby.

Weißes Haus: Keine Hinweise auf Aliens

Das Fehlen von Informationen über die Flugobjekte gibt Raum für Mutmaßungen aller Art. In sozialen Netzwerken wurde schon über eine mögliche Invasion von Aliens spekuliert. Auf die Frage, ob das US-Verteidigungsministerium ausschließen könne, dass Außerirdische dahintersteckten, antwortete VanHerck nur: „Ich überlasse es den Geheimdiensten und der Spionageabwehr, das herauszufinden. Ich habe zum jetzigen Zeitpunkt noch nichts ausgeschlossen.“ Das US-Militär habe noch nie Flugobjekte im amerikanischen Luftraum abschießen müssen – nun plötzlich viermal innerhalb von acht Tagen.

USA: Keine Hinweise auf Außerirdische

Angesichts von zunehmenden Spekulationen rund um die abgeschossenen Flugobjekte über Nordamerika hat sich das Weiße Haus zu einer Klarstellung bemüßigt gefühlt – und einen möglichen Zusammenhang mit Außerirdischen ausgeschlossen. „Es gibt keinen Hinweis auf Aliens oder außerirdische Aktivitäten bei diesen jüngsten Abschussaktionen“, sagte Sprecherin Karine Jean-Pierre.

Bei einer Pressekonferenz am Montag stellte das Weiße Haus allerdings klar, dass es keine Hinweise auf Aliens und außerirdische Aktivitäten gebe. „Ich wollte sicherstellen, dass das amerikanische Volk das weiß“, sagte die Sprecherin im Weißen Haus, Karine Jean-Pierre.

Abgeordnete fordern Informationen

Abgeordnete beider Parteien forderten zuletzt mehr Informationen, um zu verhindern, dass sich weiter wilde Theorien verbreiten. Der demokratische Senator Jon Tester sagte gegenüber CBS: „Was sich in den letzten zwei Wochen abgespielt hat, ist der reine Wahnsinn. Und das Militär muss einen Plan haben, um nicht nur festzustellen, was da draußen ist, sondern auch die Gefahren zu bestimmen.“

Die USA seien es nicht gewohnt, militärisch und technologisch so herausgefordert zu werden, weshalb nüchterne Reaktionen fast unmöglich seien, kommentierte das US-Magazin „Foreign Policy“.

Militärflugzeug über Michigan, USA
Reuters/Saleh Trades
Kampfflugzeuge sind derzeit auf der Suche nach weiteren Flugobjekten am US-Himmel

Mehr Kontrollen nach Sichtung des Ballons?

Zumindest bei dem Ballon sind sich die USA sicher, dass er Spionagezwecken diente. Zu den anderen Objekten äußerte sich Melissa Dalton, US-Vizeverteidigungsministerin, vorsichtig. Sie sagte nur, es sei bekannt, dass auch öffentliche und private Forschungseinrichtungen eigene Forschungsfahrzeuge in diesen Höhen in die Atmosphäre schießen würden.

Unidentifizierte Flugobjekte sind in den USA prinzipiell keine Seltenheit. Erst vor einigen Wochen ging aus einem Bericht des US-Verteidigungsministeriums hervor, dass die Meldung unerklärlicher Phänomene am Himmel zugenommen habe. Dass plötzlich so viele Objekte so knapp hintereinander gefunden werden, führt die Vizeverteidigungsministerin darauf zurück, dass nach dem Abschuss des Ballons die Radareinstellungen verändert wurden, um nach kleineren und langsameren Objekten zu suchen.

So sei der US-Luftraum in der fraglichen Höhe genauer überprüft worden. Das könne „zumindest teilweise die Zunahme an Objekten erklären, die wir in der vergangenen Woche entdeckt haben“. Ob das im Umkehrschluss heißt, dass dort zuvor schon viele solcher Flugkörper unterwegs waren und schlicht nicht bemerkt wurden, blieb offen.

Diplomatische Belastungsprobe

Fest steht, dass die Vorfälle die ohnehin schon angespannte Beziehung zwischen den USA und China weiter belasten. Laut der Nachrichtenagentur Bloomberg News erwägt US-Außenminister Antony Blinken derzeit ein Treffen mit dem chinesischen Spitzendiplomaten Wang Yi auf der Münchner Sicherheitskonferenz – es wäre das erste persönliche Gespräch seit dem Abschuss der Flugobjekte.

Der Sprecher des chinesischen Außenministeriums, Wang Wenbin
AP/Liu Zheng
Außenamtssprecher Wang Wenbin warf auch den USA Spionage vor

Das Außenministerium in Peking warf den USA seinerseits vor, im vergangenen Jahr selbst mehr als zehnmal „illegal“ Ballons in großer Höhe über China fliegen gelassen zu haben. Die USA sollten aufhören, „andere Länder zu verunglimpfen und Konfrontation anzufachen“, sagte Außenministeriumssprecher Wang Wenbin. „Es ist ziemlich klar, welches Land das führende Spionageimperium in der Welt ist“, sagte er mit Blick auf die USA.

Politologe Heinisch zum USA-China-Verhältnis

Politologe und USA-Spezialist Reinhard Heinisch kommentiert die diplomatischen Verstimmungen nach dem Abschuss eines chinesischen Ballons durch die USA.

Bisher kein bekannter Fall innerhalb der EU

Der britische Verteidigungsminister Ben Wallace kündigte unterdessen an, Großbritannien werde nach den jüngsten Vorfällen in den USA und Kanada eine Sicherheitsüberprüfung durchführen.

Generell könne der Einsatz von Überwachungsobjekten wie Ballons und unbemannten Luftfahrzeugen ohne die Genehmigung der Behörden jener Länder, in deren Luftraum diese Objekte eindringen, als unverantwortliches Verhalten angesehen werden, das zu internationalen Spannungen führen oder diese verstärken könne, sagte auch ein Sprecher der EU-Kommission auf Anfrage von ORF.at. Man sei bisher jedoch „von keinem Mitgliedsstaat über eine mögliche Entdeckung unidentifizierter Flugobjekte über seinem Hoheitsgebiet informiert worden“.