Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP)
APA/Eva Manhart
Bei Teilzeit

Kocher für weniger Sozialleistungen

ÖVP-Arbeitsminister Martin Kocher will, dass mehr Menschen Vollzeit arbeiten. Neben Anreizen schlägt er dafür nun auch Einschränkungen bei den Sozialleistungen für jene, die freiwillig weniger arbeiten, vor. SPÖ, FPÖ und Gewerkschaft reagierten empört, für NEOS ist es die falsche Lösung. Eine Absage kam vom grünen Koalitionspartner.

Auslöser der Aufregung war eine Aussage von Kocher im „Kurier“, wonach Menschen, die freiwillig weniger arbeiten, auch weniger aus dem Sozialtopf erhalten sollen. Außerdem forderte der Minister ein Umdenken der Sozialpartner bei den im Regelfall höheren Einkommen im Alter.

„Wir brauchen weitere Schritte, um Vollzeitbeschäftigung attraktiver zu machen, wie eine geringere Abgabenbelastung und noch treffsichereren Einsatz von Sozialleistungen. In Österreich wird wenig unterschieden bei Sozial- und Familienleistungen, ob jemand 20 oder 38 Stunden arbeitet. Wenn Menschen freiwillig weniger arbeiten, dann gibt es weniger Grund, Sozialleistungen zu zahlen“, so der Minister zum „Kurier“.

Grüne dagegen

Der grüne Koalitionspartner stellte sich gegen Kochers Vorstoß. Für Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) stehen Kürzungen bestehender Sozialleistungen nicht zur Diskussion, wie er in einem Statement gegenüber der APA festhielt. „Mit Sozialleistungen unterstützen wir als Gesellschaft jene Menschen, die unsere Hilfe wirklich brauchen. Sie treffsicher zu gestalten ist eine wichtige Aufgabe der Politik. Maßgeblich ist der Bedarf an Unterstützung – nicht das Ausmaß der Beschäftigung“, so Rauch.

Dem aktuellen Arbeitskräftemangel müsse man begegnen, indem die Erwerbschancen für Frauen verbessert und Anreize gesetzt werden, damit Menschen später in Pension gehen. Langfristig müssten attraktive Rahmenbedingungen dafür geschaffen werden, dass Menschen aus dem Ausland nach Österreich kommen und hier arbeiten möchten.

Auch der grüne Sozialsprecher Markus Koza betonte in einer Aussendung, dass die ÖVP-Grünen-Koalition die Armut halbieren wolle, nicht die Sozialleistungen. Kochers Vorstoß sei „nicht nur unangebracht, sondern widerspricht auch der bisherigen Regierungslinie“, so Koza. Frauensprecherin Meri Disoski warnte, eine solche Kürzung würde vor allem Frauen und arme Familien treffen.

SPÖ: Regierung fällt nichts ein

SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch reagierte auf die Kocher-Aussage „in aller Schärfe“: „Gegen den Arbeitskräftemangel fällt der Regierung nichts ein, außer die Situation für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer per Gesetz zu verschlechtern. Dabei müsste es doch genau umgekehrt sein“, sagte er. Insgesamt sei Kochers Vorstoß ein unsozialer Angriff auf die Familien und das Unsinnigste, was er gehört habe, „seit die FPÖ-Ministerin Beate Hartinger-Klein behauptet hatte, man könne von 150 Euro im Monat gut leben“.

Kocher: Weniger Sozialleistungen bei Teilzeit

ÖVP-Arbeitsminister Martin Kocher hat Einschränkungen bei den Sozialleistungen vorgeschlagen, und zwar für jene, die freiwillig in Teilzeit arbeiten.

Für FPÖ-Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch zeigt die Aussage von Kocher, „wie dieser familienfeindliche und neoliberale ÖVP-Minister wirklich tickt“. „Denn lapidar zu sagen, dass junge Mütter informiert werden sollten, dass sie bei längerer Erziehungszeit einen massiven Verlust bei ihrer zukünftigen Pension in Kauf nehmen müssen, zeugt schon von sozialer Armut“, so Belakowitsch.

NEOS: Richtiges Ziel, falscher Weg

Für NEOS ist das Ziel – weniger Teilzeit – richtig, aber Kochers Weg falsch. „Die Teilzeitfalle wird nicht bekämpft, indem man Bedürftigen die Sozialleistungen streicht“, so NEOS-Sozial- und -Wirtschaftssprecher Gerald Loacker. Dazu müssten vielmehr die Steuerstufen, die Absetzbeträge und die Versicherungsbeiträge angepasst werden.

Derzeit seien Teilzeitkräfte ja beispielsweise zur Gänze von der Arbeitslosenversicherung befreit, obwohl sie die volle Leistung beziehen würden. An diesen „Schrauben muss die Regierung drehen, wenn sie Anreize für Vollzeit schaffen und für mehr Gerechtigkeit sorgen will, nicht an den Sozial- und Familienleistungen“.

Für GPA frauenfeindlich

Barbara Teiber, Vorsitzende der Gewerkschaft GPA, wurde ebenfalls deutlich: „Minister Kocher soll seine frauenfeindlichen Vorschläge zur Bestrafung von Teilzeitarbeit sofort zurückziehen.“ Sie rechnete vor: „80 Prozent der Teilzeitbeschäftigten sind Frauen. Viele Teilzeit arbeitende Frauen haben keine andere Wahl, weil die öffentliche Hand nicht ausreichend ganztägige Kinderbetreuungsplätze zur Verfügung stellt.“

Arbeiterkammer-Chefin Renate Anderl nannten den Vorstoß schlicht „indiskutabel“. Bereits jetzt würden Frauen 40 Prozent weniger Pension bekommen und erhielten aufgrund geringerer Einkommen auch weniger Sozialversicherungsleistungen. Anderl fragte, welche anderen Sozialleistungen Kocher überhaupt kürzen wolle. Die Familienbeihilfe gebühre jedenfalls unabhängig vom Einkommen.

Der Handelsverband begrüßte Kochers Vorstoß dagegen, nannte allerdings zwei Bedingungen: Die Betreuungssituation der Betroffenen müsse berücksichtigt werden, und es brauche einen „Rechtsanspruch auf eine flächendeckende, leistbare Kinderbetreuung“.

Der ÖVP-Wirtschaftsbund unterstützte ebenfalls Kocher. Angesichts des Arbeitskräftemangels müsse man Vollzeitarbeit attraktiver machen. Laut Wirtschaftsbund-Generalsekretär Kurt Egger braucht es dafür geringere Abgabenbelastungen für Vollzeitarbeit und „einen treffsicheren Ausgleich bei Sozialleistungen“.

Kocher verweist auf Folgen bei Pension

Kocher warnte seinerseits davor, die langfristigen Folgen von Teilzeitjobs zu negieren. „Wer mit 68 Jahren in Pension geht, der erhält deutlich mehr Pension im Monat als bei Pensionsantritt mit 62 Jahren. Aus wirtschaftlicher Betrachtung zahlt es sich jedenfalls aus, länger zu arbeiten“, gab der Arbeitsminister zu bedenken.

Die Unternehmen würden bereits auf die demografischen Veränderungen reagieren und Mitarbeiter bitten, länger im Berufsleben zu bleiben. „Es wird aber auch bei den Sozialpartnern ein Umdenken stattfinden müssen, weil ältere Arbeitnehmer am Ende ihrer Erwerbstätigkeit kollektivvertraglich oft mehr verdienen und damit teurer sind“, so der Appell des Ministers.