CAPTION CORRECTS THE ID – NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg, US-Verteidigungsminister Lloyd Austin und Ukraines Verteidigungsminister Oleksiy Reznikov
AP/Olivier Matthys
Treffen der Kontaktgruppe

Neue Zusagen für Ukraine

In Brüssel hat am Dienstag zum neunten Mal seit Kriegsbeginn die Ukraine-Kontaktgruppe, die aus den 30 NATO-Ländern und bis zu 20 Partnernationen besteht, über weitere Militärhilfen beraten. Norwegen kündigte an, Kiew acht Leopard-2-Kampfpanzer bereitzustellen, und Spanien bildet ab dem Wochenende ukrainische Soldaten aus. Die Frage einer möglichen Lieferung westlicher F-16-Kampfjets an die Ukraine blieb allerdings weiter offen. „Drängende Themen“ sah NATO-Generelsekretär Jens Stoltenberg woanders.

An den Gesprächen nahm der ukrainische Verteidigungsminister Olexij Resnikow persönlich teil und drängte die Partnerländer vor dem Jahrestag des russischen Angriffs zur Eile. Er forderte auf Twitter von den Verbündeten unter anderem eine rasche Stärkung der „Panzerkoalition“, mehr Munition und eine schnellere Ausbildung ukrainischer Soldaten. Auch Pentagonchef Lloyd Austin mahnte in Brüssel, die Ukraine habe „dringende Bedürfnisse“ zu diesem „kritischen Zeitpunkt des Krieges“.

NATO-Generalsekretär Stoltenberg betonte, die bereits gelieferten Waffensysteme müssten auch einsatzbereit sein: „Wir brauchen Munition, Ersatzteile und Wartung.“ Man sehe keine Anzeichen dafür, dass sich Russlands Präsident Wladimir Putin auf Frieden vorbereite. Stattdessen bereite er sich „auf mehr Krieg vor, auf neue Offensiven und neue Angriffe“. Deshalb sei es noch wichtiger, dass die NATO-Staaten und ihre Partner mehr Unterstützung für die Ukraine leisteten.

US-Verteidigungsminister Lloyd Austin
Reuters/Johanna Geron
Der US-Verteidigungsminister Austin leitete die Sitzung der Ukraine-Kontaktgruppe

Konkret gehe es darum, mehr Munition zu liefern und die Produktionskapazitäten hochzufahren – auch damit die eigenen Bestände wieder aufgefüllt werden können. Zudem sei es dringend notwendig, jene Waffen zu liefern, die bereits versprochen worden seien. Hier erwähnte der Norweger etwa die deutschen Schützenpanzer Marder, die US-Schützenpanzer Bradley und Kampfpanzer wie den deutschen Leopard 2.

Deutschland will wieder Munition produzieren

Deutschland wird laut Angaben von Verteidigungsminister Boris Pistorius wieder in die Produktion von Munition für den Flugabwehrpanzer Gepard einsteigen. „Die Verträge für die Produktion von Gepard-Munition sind unterschrieben“, sagte Pistorius vor dem Treffen. Produziert wird die Munition vom Rüstungskonzern Rheinmetall.

Man habe sich für den Schritt auch entscheiden, um nicht von der neutralen Schweiz abhängig zu sein, so Pistorius. Er appellierte zugleich an die deutsche Rüstungsindustrie, die Kapazitäten für die Produktion hochzufahren. „Es wird kein kurzfristiges Ende des Krieges geben“, fügte er hinzu.

ZIB-Korrespondent Wehrschütz zu den NATO-Zusagen

Eine Absage gab es von der Ukraine-Kontaktgruppe vorerst, was den ukrainischen Wunsch nach Kampfflugzeugen betrifft – was bedeutet das für Kiew? ZIB-Korrespondent Christian Wehrschütz berichtet.

Neue Zusagen von Portugal und Norwegen

Neue Zusagen kamen unterdessen auch von Portugal und Norwegen. Nach Angaben des deutschen Verteidigungsministers will die Regierung in Lissabon der Ukraine drei Panzer eines neueren Leopard-2-Typs zur Verfügung stellen. Für ein kleines NATO-Land wie Portugal sei das ein „angemessener Beitrag“, sagte Pistorius.

Kurz darauf hieß es aus Oslo, Norwegen werde der Ukraine acht Leopard-2-Panzer liefern. Dazu kämen Ersatzteile, Munition sowie bis zu vier gepanzerte Fahrzeuge. Wann die Panzer geliefert werden sollen, ließ das Verteidigungsministerium jedoch offen. Die Situation in der Ukraine nähere sich einer kritischen Phase, das Land sei von schneller und umfassender Unterstützung des Westens abhängig, hieß es weiter.

Leopard2-Panzer
APA/AFP/Wojtek Radwanski
Norwegen kündigte an, Kiew acht Leopard-2-Kampfpanzer bereitzustellen

Spanien kündigte zudem an, 55 Besatzungsmitglieder und Techniker aus der Ukraine für Leopard-Kampfpanzer auszubilden. Die Ukrainer würden Ende der Woche in Spanien eintreffen, sagte Verteidigungsministerin Margarita Robles. Wie viele Panzer Spanien liefern wird, ließ Robles aber weiter offen.

Diskussion über Kampfjets läuft

Die Frage einer möglichen Lieferung westlicher F-16-Kampfjets an die Ukraine bleibt auch nach dem jüngsten Treffen der internationalen Kontaktgruppe zur Koordinierung von Militärhilfe offen. US-Verteidigungsminister Austin sagte auf die Frage, ob die Verbündeten der Ukraine über die Entsendung von Kampfflugzeugen zur Unterstützung des Landes bei seinen Kriegsanstrengungen diskutiert hätten, er habe „heute keine Ankündigung zu machen“. Dabei wolle er es belassen. Auch Stoltenberg gab an, dass die Diskussion darüber laufe, das aber nicht das drängendste Thema sei.

Polens Verteidigungsminister Mariusz Blaszczak erinnerte daran, dass die Frage der Übergabe von F-16-Kampfjets erstmals bereits direkt nach Beginn des russischen Angriffs aufgekommen sei. Er denke, dass genau wie in der Frage der Leopard-Panzer oder Patriot-Flugabwehrraketensysteme „Druck auf die Verbündeten“ ausgeübt werden müsse, erklärte er. Polen haben zwar nur 48 Kampfjets dieses Typs, aber andere Verbündete hätten ein wesentlich größeres Potenzial.

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg
Reuters/Johanna Geron
Laut Stoltenberg sind Kampfjets derzeit nicht das drängendste Thema für die Ukraine

Die Niederlande gaben bereits an, eine Lieferung von F-16-Kampfjets an die Ukraine nicht auszuschließen. Es stimme, dass die Ukrainer F-16 bei ihrem Land angefragt hätten, sagte Verteidigungsministerin Kajsa Ollongren. Man nehme diesen Wunsch „sehr ernst“. Zugleich wies Ollongren darauf hin, dass der F-16 ein komplexes Waffensystem sei und dass das Thema mit Partnern wie den USA diskutiert werden müsse. Kampfjets seien nicht mit den Kampfpanzern vergleichbar.

Einheitliche Linie gefordert

Der frühere Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, hat die NATO zu einer einheitlichen Linie im Ukraine-Krieg aufgefordert. „Deswegen, bin ich der Meinung, brauchen wir eine politisch-strategische Kontaktgruppe, um die westlichen Kriegsziele so klar zu definieren, dass wir alle wissen – gemeinsam wissen –, wo es hingeht“, sagte er dem deutschen RBB-Inforadio. Offen bleibe etwa die Frage, ob die NATO die Ukraine zur Rückeroberung der Krim ermuntern solle. „Da gibt es ein weites Spektrum unterschiedlicher Meinungen“, sagte Ischinger.

Diskussion über Waffen für die Ukraine

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg fordert weitere Militärhilfe für die Ukraine. In der ZIB2 sind dazu der Militärstratege Walter Feichtinger und der deutsche Politikwissenschaftler Hajo Funke, der eine Petition gegen Waffenlieferungen und für Verhandlungen unterschrieben hat.

NATO-Beitritte Finnlands und Schwedens Thema

Stoltenberg hat bei dem Verteidigungsministertreffen in Brüssel zudem überraschend Offenheit für einen getrennten NATO-Beitritt Schwedens und Finnlands signalisiert. Die wichtigste Frage sei nicht, ob die Türkei die Beitrittsprotokolle der beiden Länder zusammen ratifiziere. Wichtig sei, dass es bei beiden „so schnell wie möglich“ erfolge. Er sei zuversichtlich, dass das bald der Fall sein werde. „Wir arbeiten hart daran“, fügte er hinzu.

Möglicher Hintergrund der Äußerungen von Stoltenberg ist die aktuelle Debatte in Finnland darüber, ob das Land im Fall einer anhaltenden türkischen Blockade gegen den Bündnisbeitritt von Schweden im Zweifelsfall zunächst alleine beitreten sollte. Aus NATO-Kreisen hieß es am Dienstag, die Aufnahme Finnlands sei strategisch wichtiger als die von Schweden. Im Gegensatz zu Schweden hat Finnland eine gemeinsame Grenze mit Russland. Sie ist rund 1.340 Kilometer lang.