Untersuchungslokal des ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss
ORF.at/Peter Pfeiffer
ÖVP-U-Ausschuss

Schlussakt auf mehr als 500 Seiten

Die Befragungen des ÖVP-Korruptionsuntersuchungsausschusses sind schon seit einiger Zeit zu Ende. Mit dem am Mittwoch übermittelten Berichtsentwurf wurde ein weiteres Kapitel der Aufklärungsarbeit geschlossen. Auf mehr als 500 Seiten schildert Verfahrensrichter Wolfgang Pöschl seine Wahrnehmungen über die vergangenen Monate.

Vieles, was im ÖVP-U-Ausschuss thematisiert wurde, war auch Teil des „Ibiza“-Untersuchungsausschusses. Pöschl verweist in seinem Bericht gleich mehrmals auf die „Ibiza“-Aufklärung. Im Wesentlichen hält der Jurist aber fest, dass man vieles nicht zu 100 Prozent beweisen könne. Gründe dafür würden darin liegen, dass bestimmte Personen nicht geladen worden seien, keine Wahrnehmungen hatten oder ihre Aussagen erfolgreich verweigerten.

So resümierte Pöschl etwa im Fall der ÖVP-Inseratenaffäre: „Auskunftspersonen erklärten, keine Wahrnehmungen hierzu zu haben. Auch wenn die Vermutung der Weitergabe durchaus naheliegend wäre, fand sich im Ausschuss kein konkreter Hinweis, dass Weitergaben von durch Ministerien bezahlte Umfrageergebnisse an die ÖVP erfolgt wären.“

Verfahrensrichter Wolfgang Pöschl
ORF.at/Peter Pfeiffer
Pöschl hat am Mittwoch seinen Entwurf dem Parlament übermittelt

Entschlagungen und fehlende Auskunftspersonen

Bei der Inseratenaffäre geht es um den Verdacht, dass Mitglieder der ÖVP um den damaligen Außenminister Sebastian Kurz beginnend mit dem Jahr 2016 rechtswidrig Budgetmittel des Finanzministeriums genutzt haben sollen, um gefälschte Meinungsumfragen erstellen zu lassen und diese in der Tageszeitung „Österreich“ platziert zu haben. Bekannter ist das mutmaßliche Instrument dieser Affäre: das „Beinschab-‚Österreich‘-Tool“ von Meinungsforscherin Sabine Beinschab.

Der frühere Ex-Finanzgeneralsekretär Thomas Schmid hatte den früheren Bundeskanzler Kurz schwer belastet. Laut Schmid habe Kurz nicht nur davon gewusst, sondern der Ex-Generalsekretär habe es sogar in dessen Auftrag umgesetzt. Der frühere Regierungs- und ÖVP-Chef wies die Vorwürfe stets zurück. Schmid hatte sich im U-Ausschuss der Aussage mehrmals entschlagen – mit Verweis auf das gegen ihn laufende Verfahren.

Abgeordnete beim ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss
ORF.at/Roland Winkler
Über mehrere Monate hinweg wurden Auskunftspersonen befragt

Pöschl hielt in diesem Zusammenhang fest: Die „wichtigsten“ Personen seien nicht geladen worden, andere hingegen entschlugen sich erfolgreich ihrer Aussage. Es sei deshalb seiner Meinung nach nicht gelungen, konkret festzustellen, „wann und in welcher Ausgestaltung das Beinschab-‚Österreich‘-Tool eingesetzt wurde, wie es funktionierte, in wessen Auftrag der Einsatz erfolgte, wer davon wusste oder daran mitwirkte und konkrete Einzelheiten mehr“.

Bild von parteipolitischen Postenbesetzungen

Ein großes Thema im U-Ausschuss waren Interventionen für politisch motivierte Postenbesetzungen. Mit Blick auf das Innenministerium heißt es im Bericht: „Die festgestellten Chatverläufe geben unter besonderer Berücksichtigung der unverblümten Wortwahl ein hinreichend beredtes Zeugnis von einem politisch motivierten Zugang zu Postenbesetzungen.“

Selbst wenn im U-Ausschuss nicht immer die internen Abläufe konkret nachvollzogen werden konnten, „scheint es – wohl durch persönliche und politische Nähe – zumindest eine faktische Einflussmöglichkeit auf Begutachtungskommissionen und Besetzungsvorschläge gegeben zu haben“. Die Begutachtungskommissionen legen die Eignung der Bewerber und Bewerberinnen fest. Vorwürfe, es würden bestimmte Personen durch Parteinähe bevorzugt werden, gibt es schon lange.

Kameramann beim ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss
ORF.at/Peter Pfeiffer
Nicht selten verweigerten Regierungsmitglieder Fotos ihrer Person

Zwar hatten im U-Ausschuss die jeweiligen Auskunftspersonen immer versichert, dass herangetragene Anliegen an die zuständigen Stellen zur gesetzmäßigen Abarbeitung weitergeleitet worden seien. Aber: Bei allem Verständnis für die bürgernahen Aufgaben eines Politikers bzw. einer Politikerin bleibe festzuhalten, „dass die bloße Entgegennahme eines solchen Wunsches beim Bittsteller den Eindruck erwecken“ könne, dass sich der Politiker bzw. die Politikerin für dieses Anliegen „persönlich einsetzen werde“.

„Korruption im Sinn politischer Einflussnahme“

Anders als im Steuerverfahren von Immobilieninvestor Rene Benko – bei dem Pöschl zwar Auffälligkeiten konstatiert, aber festhält, dass die Ergebnisse es nicht gestatten, „annähernd gesicherte Aussagen über allfällige Hinweise auf Korruption zu treffen“ – fällt die Einschätzung zur Steuercausa von Investor Siegfried Wolf schärfer aus. Im Fall Wolf lägen „ausreichend Anhaltspunkte vor, die Korruption jedenfalls im Sinn politischer Einflussnahme und Verantwortlichkeit nahelegen“.

Zu den Sidelettern der Regierungen Kurz I und II wird hingegen festgehalten, insbesondere was die Besetzungen von Mitgliedern des Verfassungsgerichtshof (VfGH) angeht, dass „nicht der Anschein von Korruption“ vorlag, da die in den Sidelettern getroffenen Vereinbarungen die Umsetzung dieser verfassungsrechtlich vorgesehenen Kompetenzen betrafen.

Mehr Transparenz und Klarheit empfohlen

In erster Linie soll ein U-Ausschuss die politische Verantwortung klären und Empfehlungen abgeben, wie man Missstände in der Verwaltung verbessern könnte. So empfiehlt der Verfahrensrichter transparente Verfahren bei der Postenbesetzung in der Verwaltung, die Schaffung einer Bundesstaatsanwaltschaft und die Verabschiedung des Informationsfreiheitsgesetzes. Die letzten beiden Punkte wurden von der Regierung mehrmals angekündigt, harren aber seit Monaten auf der Stelle.

Gleichzeitig, heißt im Bericht, der ORF.at vorliegt, sollte zur Wahrung der Grund- und Persönlichkeitsrechte ein Straftatbestand geschaffen werden, der unter anderem die Veröffentlichung der Anklageschriften oder anderer amtlicher Dokumente eines Strafverfahrens verbietet, bevor sie in öffentlicher Verhandlung erörtert worden sind oder das Verfahren abgeschlossen wurde.

Ebenso empfiehlt Pöschl „gesetzliche Schutzmaßnahmen“ für private Chats und Handydaten wie eine „Cooling-off-Phase“ für Minister und Ministerinnen. Für die Generalsekretäre und politischen Kabinette in den Ressorts sollten klare Regeln und Zuständigkeiten geschaffen werden. In puncto Verfahrensordnung regt der auf der Expertise von Pöschl beruhende Abschlussbericht unter anderem die Aufwertung der Position des Verfahrensrichters an. Zudem sollte die Beugestrafe durch eine sanktionierende Verwaltungsstrafe ersetzt werden.