Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP)
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Pandemiepolitik

Regierung will die „Hand ausstrecken“

Die Bundesregierung will nach drei Jahren CoV-Pandemie nun die „Hand ausstrecken“. Geschehen soll das in einem „Dialogprozess“, der rund um Ostern starten soll, sagte Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) am Mittwoch vor Journalistinnen und Journalisten. Die Opposition zeigte sich gespalten.

„Corona war für unsere Gesellschaft eine Art Trauma, das wir nun gemeinsam aufarbeiten sollten“, begründete Nehammer die Offensive, bei der auch Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) federführend beteiligt ist.

Die Pandemie und ihre Folgen hätten „tiefe Gräben in unserer Gesellschaft hinterlassen und die Menschen in Österreich schwer belastet“, so Nehammer über die Initiative.

Pandemiepolitik soll „schonungslos“ analysiert werden

Gemeinsam mit Expertinnen und Experten werde man die Vorgehensweise während der Pandemie analysieren, diskutieren und gegebenenfalls auch Fehler zugestehen. So erinnerte der Kanzler etwa an die Impfpflicht, die nie exekutiert und bald auch zurückgenommen wurde.

„Eine kritische, schonungslose Analyse“ ist für Nehammer Pflicht und Voraussetzung, um die entstandenen „gesellschaftlichen Wunden zu heilen und das Trauma zu bewältigen“.

Experten zur Aufarbeitung der CoV-Politik

Gesundheitsökonom Thomas Czypionka vom Institut für Höhere Studien und die Klagenfurter Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle analysieren die CoV-Politik der Regierung und die von Bundeskanzler Nehammer angekündigte Aufarbeitung dieser.

Details zu „Dialog“ noch offen

Adressaten seien dabei auch jene Menschen, die die Maßnahmen abgelehnt haben: „Wir wollen die Hand ausstrecken auch zu all jenen, die sich durch die Pandemie und ihre Folgen nicht mehr in der Mitte der Gesellschaft willkommen gefühlt haben.“

Es brauche Transparenz in der Frage, wie Entscheidungen zustande gekommen sind, so Nehammer. Wie der „Dialog“ tatsächlich ablaufen soll und auf welchen Kanälen die Ergebnisse die Bevölkerung erreichen sollen, verriet er nicht.

„Viele Menschen fühlen sich abgehängt“

Gesundheitsminister Rauch meldete sich schriftlich zu Wort: Die Coronavirus-Pandemie und ihre Folgen hätten die Menschen schwer belastet, die hohe Inflation dies noch verstärkt.

„Viele Menschen fühlen sich abgehängt, vom Staat nicht mehr vertreten“, bekannte der Minister. Das alles gehe in Österreich, einem der reichsten Länder der Erde, an die Substanz der Demokratie. Rauch: „Drei Jahre nach Beginn der Pandemie wird es Zeit für ein neues Miteinander.“

Lob von SPÖ, Kritik von FPÖ und NEOS

Die SPÖ begrüßt die angestrebte Aufarbeitung der Coronavirus-Politik grundsätzlich. Das müsse aber „ernsthaft, seriös und objektiv geschehen“, so Gesundheitssprecher Philip Kucher in einer Aussendung. Als positive Beispiele nannte er etwa die Zerbes-Kommission nach dem Terroranschlag in Wien bzw. die Griss-Kommission zur Aufarbeitung der Causa Hypo mit objektiven Expertinnen und Experten.

Herbert Kickl (FPÖ)
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Für Kickl ist das Versöhnungsvorhaben der Regierung ein „Verhöhnungsprozess“

Nicht unbedingt versöhnlich zeigte sich FPÖ-Chef Herbert Kickl: Er nannte das Vorhaben einen „Verhöhnungsprozess“. „Diese Art der inszenierten Weißwaschung funktioniert nur in der Welt der ÖVP, sonst aber nirgendwo“, meinte er in einer Aussendung. Er forderte stattdessen „ein öffentliches Schuldeingeständnis der Bundesregierung, ihrer rot-pinken Steigbügelhalter und des Bundespräsidenten“, den Rücktritt der Regierung und sofortige Neuwahlen.

NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger hatte zuvor generell eine vernichtende Bilanz der Pandemiepolitik der Regierung gezogen. So habe Österreich die zweithöchsten Ausgaben, was Hilfen während der Pandemie und Inflationswelle angeht. Doch seien diese Maßnahmen nicht erfolgreich gewesen. Der Einbruch der Wirtschaft sei enorm gewesen.