Frauen wandern mit walking sticks im Wald
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Gesundheitsbericht 2022

Frauen werden älter und kränker

Das Gesundheitsministerium hat am Donnerstag den Frauengesundheitsbericht 2022 vorgestellt. Fazit: Mit durchschnittlich 83,7 Jahren leben Frauen zwar länger als Männer mit 78,8 Jahre. Davon verbringen sie allerdings 19,3 Jahre in „mittelmäßiger bis schlechter Gesundheit“. Bei Männern beträgt dieser Wert 16,2 Jahre. Und das Ministerium schlägt Alarm: Der Anteil an Todesfällen durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist bei Frauen signifikant höher als bei Männern.

Konkret starben im Jahr 2021 daran 35,7 Prozent der Frauen, bei Männern waren es 32,9 Prozent. Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) sprach bei der Präsentation die größere mentale Belastung als mögliche Ursache an: „Das ist gesellschaftlich zu wenig am Radar.“

„Viele Frauen stehen über viele Jahre unter Doppel- und Dreifachbelastung“, so Rauch. Zu Erwerbsarbeit und Kindererziehung kämen häufig Gewalterfahrung, Armut und Isolation im Alter. Dessen müsse man sich annehmen und „Probleme angehen“, sagte der Minister. Laut dem Frauengesundheitsbericht werden Herz-Kreislauf-Erkrankungen trotz der Häufigkeit als Todesursache bei Frauen weiterhin als typisch männliche Erkrankungen wahrgenommen.

Auch psychische Probleme im Fokus

Die Inzidenz behandelter Myokardinfarkte – landläufig Herzinfarkt genannt – war bei Männern mit 244 pro 100.000 Personen höher als bei Frauen (99). Zugleich starben davon nur 4,4 Prozent innerhalb von 30 Tagen. Bei Frauen war die Rate mit 5,9 Prozent höher. Das liege unter anderem an den unterschiedlichen Symptomen und der oft verspäteten Diagnosestellung bei Frauen. Zweithäufigste Todesursache sind Krebserkrankungen, auf die 22,1 Prozent der Todesfälle zurückzuführen sind.

Unterschiede nach dem Geschlecht gibt es etwa auch bei psychischen Erkrankungen. Frauen leiden häufiger an psychischen Erkrankungen als Männer: Sie machen 15 Prozent der Erkrankungen von Frauen aus, bei Männern sind es 13,9 Prozent. Bei Mädchen und jungen Frauen unter 20 Jahren sind psychische Erkrankungen mit 27 Prozent sogar die häufigste Ursache für in Krankheit verbrachte Lebensjahre.

Nachholbedarf bei sexueller Gesundheit

Wichtiges Thema im Frauengesundheitsbericht 2022 ist auch die sexuelle Gesundheit von Frauen. Sie werde nach wie vor stark aus der Risikoperspektive betrachtet, zum Beispiel zur Schwangerschaftsvorbeugung, heißt es in dem Bericht. Hier müsse vor allem bei der sexuellen Bildung von Frauen und Mädchen nachgeschärft werden, so Rauch.

Grafik zu Männer- und Frauengesundheit
Grafik: ORF/APA; Quelle: Frauengesundheitsbericht 2022/BMSGPK

„Es geht unter anderem darum, Mythen zu tabuisierten und stigmatisierten Themen wie Menstruation, Sex oder Möglichkeiten der Verhütung offen zu diskutieren“, so der Minister weiter. Denn obwohl sich 80 Prozent der 14- bis 17-jährigen Mädchen in sexuellen Fragen für aufgeklärt hielten, sei der Informationsbedarf zu sexuellen Praktiken, Schwangerschaft und Geburt sowie zu Geschlechtsorganen annähernd gleich hoch wie vor mehr als 40 Jahren, so Rauch weiter.

Klar stellte der Frauengesundheitsbericht 2022 fest, dass in Österreich mehr Daten gesammelt werden müssen, die sich explizit mit der Gesundheit von Frauen befassten. Das Gesundheitsministerium habe dazu im Vorjahr bereits eine Studie zur Menstruationsgesundheit in Auftrag gegeben. Ihre Ergebnisse werden Ende des Jahres 2023 erwartet. Eine weitere Studie erhebe den Bedarf von Gratisverhütungsmitteln, hieß es in der Aussendung des Ministeriums.

Von kostenloser HPV-Impfung bis Mutter-Kind-Pass

Den Frauengesundheitsbericht erstellte ein Team aus Expertinnen und Experten der Gesundheit Österreich GmbH (GÖG). Es war das erste Mal seit zehn Jahren, dass ein derartiger Bericht veröffentlicht wurde. Gesundheitsminister Rauch: „Es ist ein aussagekräftiges und wichtiges Dokument. Die Umsetzung war mir ein großes Anliegen.“ Lobend erwähnte er die Anfang Februar bis zum vollendeten 21. Lebensjahr ausgeweitete Gratis-HPV-Impfung gegen mehrere häufige Krebsarten bei Frauen und teils auch bei Männern.

Bericht: Frauen leben länger und sind kränker

Der aktuelle Frauengesundheitsbericht zeigt, dass durchschnittlich circa fünf Jahre länger leben als Männer. Der Gesundheitszustand ist laut Bericht bei Frauen jedoch im Allgemeinen schlechter als bei ihren Geschlechtsgenossen.

Aufgrund des großen Erfolges werde heuer auch das Projekt „Frühe Hilfen“ bundesweit ausgerollt. Dabei handle es sich um ein präventives Unterstützungsangebot für alle werdenden Mütter und Familien in einer Lebensphase, die durch Veränderungen sowie Herausforderungen geprägt sei. Auch die Reform des Mutter-Kind-Passes ist bereits vereinbart. Er wird künftig als Eltern-Kind-Pass mit erweiterten Leistungen angeboten und wird auch in einer elektronischen Version zur Verfügung stehen.

Für die Zukunft kündigte Rauch weitere Studien an. Einen Fokus will er auch auf die psychische Gesundheit von Frauen, besonders von jungen Mädchen, legen. „Wir setzen hier bereits wichtige Schritte – im Rahmen der Initiative ‚Gesund aus der Krise‘ wird beispielsweise das bundesweite Projekt ‚selbst♀*wert plus‘ gefördert, das psychosoziale Belastungen von Mädchen und jungen Frauen abfedert“, so der Minister.

Expertin: Differenzierte Datenerhebung kann Leben retten

Sylvia Gaiswinkler von der GÖG hob die gesellschaftlichen Aspekte des Berichts hervor. In der Medizin sei der Blick oft auf Männer gerichtet, frauenspezifische Anliegen würden vernachlässigt werden: „Viele Faktoren kommen in Gesundheitssystem und Forschung nicht vor. Ein Perspektivenwechsel ist notwendig.“

Die Wissenschaftskommunikatorin Elka Xharo machte in diesem Zusammenhang auf den „Gender-Data-Gap“ aufmerksam. In der Medizin und Forschung sei viel zu lang vom Mann als Norm ausgegangen worden. „Differenzierte Datenerhebung kann Leben retten.“ Ob bei Medikamentenzulassungen oder bei Herzinfarktsymptomen: Eine geschlechtergerechte Erhebung und Auswertung von Daten sei essenziell.