Rauch steigt auf hinter Häusern
AP/Gene J. Puskar
Zugsunglück in Ohio

Bewohner bangen um ihre Gesundheit

Vor knapp zwei Wochen ist nahe der Stadt East Palestine im US-Bundesstaat Ohio ein Güterzug mit giftigen Chemikalien entgleist und in Brand geraten. Noch ist nicht klar, welche Umweltfolgen der Unfall langfristig hat, doch sind Tausende Fische verendet, viele Anrainerinnen und Anrainer klagen über Kopfschmerzen und brennende Augen.

50 von rund 140 Waggons eines Güterzugs der Betreibergesellschaft Norfolk Southern waren in der Nacht auf 4. Februar entgleist. 20 der Wagen enthielten Chemikalien, fünf davon die giftige Substanz Vinylchlorid. Mehrere der Tankwagen gerieten in Brand. Um eine Explosion zu verhindern, entschieden die Behörden, das Vinylchlorid abzulassen und zu verbrennen. Die Region wurde im Umkreis von 1,6 Kilometern evakuiert. Auf Videoaufnahmen war zu sehen, wie riesige schwarze Rauchschwaden in die Luft stiegen.

„Vier Wasserläufe auf einer Länge von 7,5 Meilen sind kontaminiert“, sagte die Direktorin des Ohio Department of Natural Resources, Mary Mertz. „Wir haben auf der Grundlage unserer Probenahme und Modellierung etwa 3.500 tote Fische in diesem Gebiet, in diesen Bächen, Nebenflüssen und Wasserstraßen geschätzt“, so Mertz. Keine der zwölf betroffenen Arten sei gefährdet oder bedroht, aber es sei trotzdem ein Verlust für die Tierwelt.

Tote Fische werden aus Fluss gefischt
Reuters/Alan Freed
Etwa 3.500 Fische sollen verendet sein, vor allem kleinere wie Elritzen und Fadenfische

Langwierige Untersuchungen

Als Ursache der Entgleisung wird ein mechanisches Problem mit einer Waggonachse vermutet. Das National Transportation Safety Board (NTSB) teilte mit, es verfüge über Videoaufnahmen, die eine Überhitzung eines Radlagers kurz vor der Entgleisung zu zeigen scheinen. Die NTSB erwartet ihren vorläufigen Bericht in etwa zwei Wochen. Länger wird es dauern, bis die US-amerikanische Umweltbehörde EPA Bilanz gezogen hat: Zwar soll ein erster Bericht zum Unfall in vier bis sechs Wochen vorliegen, eine abschließende Untersuchung könne es aber erst in rund zwei Jahren geben.

Norfolk Southern kündigte diese Woche an, einen Fonds in Höhe von einer Million Dollar einzurichten, um die Gemeinde mit ihren rund 4.700 Einwohnerinnen und Einwohnern zu unterstützen. Gleichzeitig sollen die Aufräumarbeiten fortgesetzt, Chemikalien aus dem Boden und den Bächen entfernt und die Luftqualität überwacht werden.

Außerdem wird die Zahl der Einwohner, denen die Evakuierungskosten erstattet werden können, auf das gesamte Dorf und seine Umgebung ausgeweitet. „Wir werden an unseren Taten gemessen werden“, sagte Alan Shaw, Präsident und CEO von Norfolk Southern. Im Moment fällt das Urteil denkbar ungünstig aus.

Wut auf Bahnbetreiber

Am Mittwoch fand in East Palestine ein Informationsabend statt, an dem sich die besorgte Bevölkerung mit Vertretern und Vertreterinnen der örtlichen Behörden, des Bundesstaates und des Bundes austauschen konnten. Großer Fehlender des Abends war Norfolk Southern – aus Sorge um die Sicherheit seiner Mitarbeiter hatte das Unternehmen kurz vor der Veranstaltung die Teilnahme abgesagt.

USA: Bevölkerung nach Zugsunglück in Sorge

Nach dem Zugsunglück, bei dem mehrere Waggons eines Güterzugs entgleisten und teils in Brand gerieten, herrscht innerhalb der Bevölkerung des Dorfes East Palestine im US-Bundestaat Ohio große Unsicherheit. Die Stadtverwaltung versuchte mittels eines eigens einberufenen Bürgerforums die Menschen zu beruhigen und offene Fragen zu beantworten. Noch sind das gesamte Ausmaß und die Folgen des Unglücks allerdings nicht abzusehen. Anfang Februar waren 50 der insgesamt 140 Waggons des Güterzugs entgleist und zum Teil in Brand geraten. Zehn der Waggons waren mit Gefahrengut beladen, darunter fünf mit krebserregendem Vinylchlorid.

Der Anwohner Chris Wallace, der nach wie vor nicht in sein Haus in der Nähe eines Baches zurückkehren kann, erklärte gegenüber der BBC, dass viele Bürger und Bürgerinnen seit Langem über die Geschwindigkeit der Züge, die durch East Palestine fahren, sowie über die potenziellen Gefahren durch erschöpftes Personal besorgt seien. „Sie sollten hier sein, um Fragen zu beantworten“, sagte er. „Sie haben eine Menge zu verbergen. Sie wollen nicht, dass wir etwas wissen.“ Der Generalstaatsanwalt von Ohio, Dave Yost, teilte Norfolk Southern diese Woche mit, dass seine Behörde rechtliche Schritte erwäge.

Brennende Wagons
AP/Gene J. Puskar
Die Furcht vor Langzeitwirkungen in East Palestine ist groß

Entwarnung wird kein Glauben geschenkt

Zwar haben die Behörden Entwarnung gegeben. 456 Häuser seien auf chemische Rückstände untersucht worden. Gefunden habe man nichts. Auch in Luft und Wasser seien keine kritischen Rückstände entdeckt worden, heißt es von den Behörden. Doch die Bewohnerinnen und Bewohner schenken dem wenig Glauben: In den sozialen Netzwerken kursierten Bilder von verendeten Hof- und Haustieren. Zudem klagen die Menschen über einen stechenden Geruch.

Das bei dem Zugsunglück verbrannte Vinylchlorid kann beim Einatmen eine Reihe von Beschwerden auslösen – angefangen von Kopfschmerzen, Sehstörungen und Schlaflosigkeit über Taubheitsgefühl in Händen und Füßen bis hin zu Herzrhythmusstörungen. Außerdem ist es krebserregend und kann schädliche Folgen für Menschen, Tiere oder Pflanzen haben, sollte es in Gewässer gelangen. Tatsächlich klagten Einwohner von East Palestine Berichten zufolge bereits über verschiedenste Beschwerden von Kopfschmerzen über Taubheitserscheinungen bis zu blutigem Stuhl.

Toxische Mischung

Allerdings sind bei dem Unfall eine Reihe von Chemikalien ausgetreten und folglich in Luft und Umgebung gelangt. Die Umweltbehörde EPA veröffentlichte laut Spektrum.de eine Liste mit weiteren Stoffen, die laut ihren Untersuchungen in den Waggons transportiert wurden: 2-Butoxyethanol, Ethylhexylacrylat und Isobuten. Ethylhexylacrylat reizt Augen und Haut und führt zu Hustenreiz, Isobuten ruft Schwindel und Benommenheit hervor. Ein so großer Brand wie dieser setze außerdem zahlreiche Stoffe frei. Man könne also nicht von einzelnen Symptomen auf eine bestimmte Chemikalie schließen.