Opern- und Opernball-Direktor Bogdan Roscic wollte schon am Donnerstag im ORF-Interview mit einem Klischee aufräumen: „Der Opernball ist kein Ball. Der Opernball ist eine Gesamtperformance des Landes.“ Und wenn der Ball der Bälle ja immer wieder als Offenbarungseid des gesellschaftlichen Zustandes des Landes gesehen werden darf, mit allen Höhen und Abgründen, dann atmet der Ball der Bälle am Tag danach mit den Kindern auf. Tausende drängen sich dann von der U-Bahn-Station Karlsplatz hin zum Opernring, und man darf jedes Jahr staunen, binnen wie kurzer Zeit die Oper gleich zweimal von den Schülerinnen, Schülern, Betreuern und Eltern in Beschlag genommen wird. Seit 2003 gibt es diese Tradition zum Wiener Opernball.

Heuer waren Aufregung und Erleichterung deutlich zu spüren. Die Pandemie hatte zur Pause dieses in Österreich mittlerweile beliebtesten Opernnachwuchsprogrammes geführt. Und am Freitag um 14.00 Uhr war die Spannung greifbar, als sich Gruppen in Hunderterblöcken auf dem Tanzparkett der Oper bereit machten für diese Mischung aus Kurzopernperformance und Musikpädagogik. „Lassen Sie nichts von den Rängen fallen“, bat der Saalsprecher um Vorsicht, so überfüllt ging es in der Oper zu – und so breit hatten sich die jüngsten Gäste da auf dem Parkett gemacht.
Rückblick auf den Opernball
Am Donnerstag fand nach zweijähriger Pause wieder der Wiener Opernball statt. Das über allem stehende Thema am Red Carpet diesmal: der Klimaschutz und die damit verbundenen Proteste.
Eigentlich werde der Opernball ja ausgerichtet, damit man am Tag danach im Opernball-Setting die „Zauberflöte“ für Kinder veranstalten könne, lautet ein Scherz am Parkett der Staatsoper. Und kennt man die Stimmungen des Direktors, könnte in diesem Flachs ein Körnchen Wahrheit stecken. „Ich finde diese ‚Zauberflöte‘ schlicht unwiderstehlich“, sagt Roscic gegenüber ORF.at und fügt seinen Gänsehautmoment hinzu: „Der magische Moment ist der, wenn alle Kinder mitsingen.“ Und sie tun das just bei einer der schwierigsten Arien der Operngeschichte, beim großen Auftritt der Königin der Nacht, am Freitag gesungen von Jasmin Delfs.

Eine „Zauberflöte“ mit zwei Erzählern
Den Weg durch diese „Zauberflöte“ führen zwei. Hans Peter Kammerer ist der schlitzohrige Erzähler, der sein Publikum mit auf die Reise durch die Oper nimmt – und dazwischen auch schon einmal erläutert, was denn eigentlich eine Arie sei und wo es besonders schwierig werde. Dirigent Jedrik Springer ist in dieser Inszenierung von Diana Kienast der Musikpädagoge, der an entscheidenden Momenten erläutert, wer in diesem Saal eigentlich was macht.
Kleine Einblicke
Szenen aus der „Zauberflöte für Kinder“ auf der Instagram-Seite der Staatsoper.
„Wo sind eigentlich die Sänger?“, fragt er am Anfang und bekommt einen Vogelfänger, der zur Identifikationsfigur des Abends wird – und den am Ende als Lohn seine Papagena (Maria Nazarova) bekommt. Für Liebesgeschichten ist die Altersklasse ja noch nicht sehr gestimmt, wohl aber für eine Abenteuerstunde durch die Welt der Verzauberung, in der das Böse nicht ganz ausgeklammert ist. So muss Sarastro (Ilja Kazakov) seinen Rollenwechsel vom angeblichen Bösewicht zum behaupteten Prüfer der Charakter ganz schön flott vollziehen. „Dass diese Geschichte gut ausgehen wird, wusste ich schon vorher“, sagt ein junger Besucher im Publikum: Er meint das Zusammenkommen von Pamina (Aurora Marthens) und Tamino (Hiroshi Amako).
Oper als kollektive Empathie
Den Eltern standen an diesem Abend die Tränen der Rührung und des Stolzes in den Augen. Es war eine große Zauberstunde – und ein großes Empathiespektakel, das die Oper sein kann. Es war vor allem die Eroberung der eigenen Klassik aus dem Herzen der Jüngsten. Das Mitsingen bei der Arie der Königin der Nacht zeigte jedenfalls ein furchtloses Publikum, das keine Angst hatte, mit den Tönen oben nicht mitzukommen.
Gerade nach der Pandemie wird den etablierten Institutionen noch viel deutlicher, wie wichtig eine aktive Nachwuchspflege ist. Die Opernhäuser Wiens sind in diesem Bereich allesamt äußerst engagiert. So viel Erlebnis wie in diesem Setting und bei einer der schönsten (und ja eigentlich auch schwierigsten) Opern der Opernliteratur ist natürlich schwer zu toppen.

Der Opernball gehört allen, war das Motto dieses Tages bei freiem Eintritt – und der Künstlerinnen und Künstler, die alle unentgeltlich diesen großen Nachmittag gestaltet haben. „Ja, ja, ich komm’ schon, Herr Oberpriester“, sagt Papageno – und könnte damit auch einen schönen Seitenhieb auf das etablierte Kunstverständnis des Landes platziert haben. Tradition darf man sich schon bei den Jüngsten in der Erlebnisform hart erarbeiten.