Ankunft der US-Vizepräsidenten Kamala Harris im „Bayerischer Hof“ zur Münchener Sicherheitskonferenz
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Sicherheitskonferenz

Französischer Appell für Aufrüstung Europas

Die Sicherheitskonferenz in München steht dieses Jahr klar im Zeichen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine. Frankreich und Deutschland riefen etwa zu weiteren Waffenlieferungen an Kiew auf. Der französische Präsident Emmanuel Macron betonte gleichzeitig aber auch die Notwendigkeit einer atomaren Abschreckung Europas.

Macron bot am Freitag den EU-Partnern Gespräche zur atomaren Abschreckung in der EU an. Dabei könnte es um die europäische Dimension der nuklearen Abschreckung Frankreichs gehen, erklärte der Staatschef auf der Sicherheitskonferenz. Die derzeitige russische Aggression gegen die Ukraine sei eine Ermahnung, welch wichtige Rolle Atomwaffen in der Europäischen Union hätten und weiter haben müssten.

Macron erinnerte daran, dass er das Angebot bereits Anfang 2020 gemacht hatte. Damals hatten europäische Partner wie Deutschland allerdings zurückhaltend darauf reagiert. Frankreich ist seit dem Austritt Großbritanniens am 31. Jänner 2020 die einzig verbliebene Atommacht der EU. Macron fordert seit Langem, dass sich Europa unabhängiger von der Supermacht USA machen sollte.

Von der Leyen drängt zu Unterstützung für Kiew

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen warb in ihrer Rede am Samstag für Abnahmegarantien für die Rüstungsindustrie, um die Ukraine besser und schneller mit Waffen und Munition zu versorgen. „Wir müssen jetzt das Gleiche tun, was wir während der Pandemie getan haben“, sagte sie mit Blick auf entsprechende Verträge mit Pharmaunternehmen zur Beschleunigung der Produktion von CoV-Impfstoffen. Abnahmegarantien könnten der Verteidigungsindustrie jetzt die Möglichkeit geben, schneller in Produktionslinien zu investieren und das Liefervolumen zu erhöhen.

„Ich denke, es ist jetzt an der Zeit, die Produktion von standardisierten Produkten zu steigern, die die Ukraine so dringend benötigt“, sagte von der Leyen. Ein Beispiel sei Artilleriemunition im Kaliber 155 Millimeter.

Scholz warb um Panzerlieferungen

Deutschlands Kanzler Olaf Scholz betonte am Freitag in seiner Rede, auch in München „intensiv“ dafür zu werben, „dass alle, die solche Kampfpanzer liefern können, dies nun auch wirklich tun“. Deutschland hatte Ende Jänner als Ziel ausgegeben, der Ukraine ein ganzes Bataillon mit 30 bis 31 Kampfpanzern zur Verfügung zu stellen. 14 davon sollen aus Beständen der deutschen Bundeswehr kommen, für die restlichen Panzer wartet Berlin auf Zusagen der Verbündeten.

Der deutsche Kanzler Olaf Scholz
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Scholz warb einmal mehr für Panzerlieferungen an die Ukraine

Scholz sagte dazu in seiner Rede, Deutschland werde dazu beitragen, „unseren Partnern diese Entscheidung zu erleichtern“, etwa durch die Ausbildung ukrainischer Soldaten oder durch Unterstützung bei Nachschub und Logistik. Scholz betonte erneut, dass jeder neue Schritt der Waffenhilfe mit den Partnern abgesprochen sein müsse. Er sei froh und dankbar, dass US-Präsident Joe Biden und viele andere Verbündete das genauso sähen.

Der deutsche Kanzler verteidigte die Panzerlieferungen an die Ukraine gegenüber Bedenken aus Deutschland. Es seien „nicht unsere Waffenlieferungen“, die den Krieg verlängerten. Je früher der russische Präsident Wladimir Putin einsehe, „dass er sein imperialistisches Ziel nicht erreicht, desto größer ist die Chance auf ein baldiges Kriegsende, auf Rückzug russischer Eroberungstruppen“, sagte Scholz.

„Goliath hat schon angefangen zu verlieren“

Zuvor hatte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in seiner Videoansprache erklärt, er rechne mit einem Kriegsende im Jahr 2023: „Goliath hat schon angefangen zu verlieren. Goliath wird auf jeden Fall dieses Jahr fallen“, sagte der Präsident. Er verglich sein Land mit dem biblischen David, der sich gegen einen russischen Goliath wehren müsse. Es gebe „keine Alternative zu unserem Sieg“, sagte Selenskyj, der den Westen zu einer größeren Geschwindigkeit bei der Lieferung von Waffen und der Unterstützung seines Landes aufforderte.

Sicherheitskonferenz in München eröffnet

Überschattet vom Ukraine-Krieg wurde in München die diesjährige Sicherheitskonferenz eröffnet. Von 17. bis 19. Februar wollen wieder Spitzenpolitikerinnen und -politiker, Diplomaten, Fachleute und NGOs über die internationale Ordnung und die Herausforderungen für die Sicherheit debattieren. Russlands Führung ist erstmals seit mehr als zwanzig Jahren nicht eingeladen.

Auch Macron machte vor dem Plenum deutlich, dass Russland den Krieg nicht gewinnen dürfe. „Der russische Angriff muss scheitern“, sagte Macron. Dazu sei eine dauerhafte Unterstützung der Ukraine erforderlich. Die Lieferung von Waffen müsse intensiviert und die ukrainischen Streitkräfte müssten in die Lage versetzt werden, eine Gegenoffensive zu starten. Frankreich hat bisher deutlich weniger Waffen an die Ukraine geliefert als etwa Deutschland oder Großbritannien.

Der französische Präsident Emmanuel Macron
Reuters/Wolfgang Rattay
Macron erneuerte sein Angebot einer atomaren Abschreckung Europas

Stoltenberg hält Sieg der Ukraine für möglich

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg sagte am Rande der Konferenz, er halte einen Sieg der Ukraine weiter für möglich. „Ja, das ist der Grund, warum wir sie unterstützen“, sagte er auf eine entsprechende Frage. Der Krieg werde möglicherweise am Verhandlungstisch enden, aber man wisse, dass das Geschehen am Verhandlungstisch vollkommen von der Stärke auf dem Schlachtfeld abhängig sei. Auch er drängte die Länder der westlichen Allianz zu weiteren Zusagen für Kampfpanzerlieferungen.

Führende Politiker aus Europa und den USA forderten strafrechtliche Konsequenzen für Präsident Putin. Putin müsse für das Verbrechen der Aggression zur Verantwortung gezogen werden, „sonst wiederholt sich die Geschichte immer wieder“, verlangte Estlands Ministerpräsidentin Kaja Kallas. Der republikanische US-Senator Lindsey Graham betonte: „Wenn Putin damit durchkommt, dann wird in der Zukunft das Gleiche wieder passieren.“

Schallenberg: „Wir leisten unglaublich viel“

Außenminister Alexander Schallenberg und Europaministerin Karoline Edtstadler (beide ÖVP) sehen Österreich mit seinem Festhalten an der militärischen Neutralität im Ukraine-Krieg nicht unter Druck. „Ich habe nie Anfragen bekommen, wir sollen Waffen liefern“, sagte Schallenberg am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz (MSC). „Es wird anerkannt, dass wir unglaublich viel leisten in anderen Bereichen“, ergänzte Edtstadler mit Blick auf die humanitäre Hilfe.

Die Europaministerin berichtete diesbezüglich von ihrem kürzlichen Besuch in Kiew, bei dem es nach einem russischen Raketenangriff einen Feuerwehreinsatz gegeben habe. „Der Feuerwehrmann trug eine Schutzausrüstung aus Graz.“ Schallenberg wies darauf hin, dass Österreich gemessen an seiner Wirtschaftsleistung an erster Stelle stehe, was die humanitäre Hilfe für die Ukraine betreffe. Auch fahre Österreich in dem Konflikt „scharf an der Kante (dessen), was neutralitätsrechtlich möglich ist“.

Der Außenminister ließ auch mit positiven Tönen in Richtung Scholz aufhorchen, der innenpolitisch heftig für sein vermeintliches Zaudern bei der militärischen Unterstützung der Ukraine kritisiert wird. „Ich bin froh, dass die Führer dieser Staaten, die liefern, es sich nicht leicht machen, sondern sehr sichtbar ringen für die richtige Entscheidung, die auch Zeit braucht.“

China ebenfalls in München zu Gast

Am diesjährigen Treffen in München nehmen mehr als 150 hochrangige Regierungsvertreter teil – unter ihnen befindet sich auch US-Vizepräsidentin Kamala Harris. Auch Chinas oberster Außenpolitiker Wang Yi ist in München zu Gast. Russische Regierungsvertreter fehlen bereits das zweite Jahr infolge. Nachdem der Kreml im vergangenen Jahr, kurz vor der russischen Invasion der Ukraine, jegliche Einladung zu dem Treffen ausgeschlagen hatte, erging diesmal keine Einladung nach Moskau.

Die Münchner Sicherheitskonferenz findet seit 1963 statt. Neben den öffentlichen Diskussionen und Reden ist sie nicht zuletzt für ihre „Hinterzimmertreffen“ im Bayerischen Hof bekannt, wo sich Politiker in inoffiziellen Gesprächen austauschen können.