Menschenmassen in Venedig
Reuters/Remo Casilli
Venedig

Einbahnen im Karnevalsrummel

Gewissermaßen vor dem Finale des Karnevals muss Venedig vorsichtig auf die Bremse treten. Nachdem am Samstag nach offiziellen Schätzungen an die 100.000 Menschen in die italienische Lagunenstadt gekommen waren, verfügte die Polizei rund um den Markusplatz Einbahnregelungen für die Feiernden, um Chaos zu vermeiden.

Die Entscheidung sei getroffen worden, um Staus von Karnevalsgästen, darunter traditionell sehr viele Touristinnen und Touristen, in den Calli, den engen Gassen, die zum Markusplatz führen, zu vermeiden. Über das letzte Karnevalswochenende war es bei guten Wetterprognosen zu einem regelrechten Massenandrang von etwa 100.000 Feiernden in der Altstadt mit derzeit rund 52.000 Einwohnerinnen und Einwohnern gekommen. Viele der Karnevalsgäste reisten per Zug an. Berechnet man die Einwohner auf dem Festland ein, leben in Venedig rund 260.000 Menschen.

Es ist nicht das erste Mal, dass Venedig versucht, Vorkehrungen zu treffen, um den Massenandrang bei großen Veranstaltungen im Griff zu behalten, beispielsweise zu Silvester oder beim Wasserfestival (Festa del) Redentore jedes Jahr im Juli. Zu diesem Fest gedenkt Venedig der Befreiung der Lagunenstadt von der längsten Pestepidemie im 16. Jahrhundert.

Dichtes Gedränge und „klassische“ Figuren

Nun herrschte am Wochenende auf den Plätzen, auf denen die Venezianerinnen und Venezianer in ihren traditionellen Karnevalskostümen Feste und Bälle veranstalten, dichtes Gedränge. Heuer überwogen erneut die „klassischen" Masken und Motive des 17. Jahrhunderts, darunter etwa der bunte „Arlecchino“ und der verschlagene Schurke „Brighella“ aus der Commedia dell’arte sowie der „Dottore“, der Pestarzt mit der Schnabelmaske.

Touristen am großen Kanal von Venedig
APA/AFP/Miguel Medina
Das frühlingshafte Wetter lockte bisher Hunderttausende Menschen zum Karneval nach Venedig

Erster Karneval ohne Einschränkungen seit 2019

Feste wurden in dieser Saison hauptsächlich in den Palazzi abgehalten. Zum ersten Mal seit 2019 findet der Karneval heuer ohne coronavirusbedingte Restriktionen statt. 2020 war er wegen der Pandemie ganz abgesagt worden. Der Karneval hatte am 4. Februar begonnen und endet kommende Woche am Faschingsdienstag mit einem großen Feuerwerk.

„Take Your Time for the Original Signs“ („Nimm dir Zeit für die ursprünglichen Symbole“) lautet das Motto der diesjährigen Ausgabe. Die Organisatoren wollen damit an die Ursprünge historischer Karnevalsfeste in Italien erinnern. Die Geschichte des Festivals in Venedig reicht bis ins Mittelalter zurück. Es ist damit auch ein Wahrzeichen der Stadt und nicht zuletzt ein Touristenmagnet.

Boote stehen wegen Niedrigwassers im Schlamm

Neben dem Ansturm von Touristinnen und Touristen hat Venedig aktuell aber noch ganz andere Probleme – zu wenig Wasser in der Lagune. Die Stadt, ansonsten oft von Hochwasser heimgesucht, erlebt derzeit ungewöhnlich tiefe Pegelstände.

Boote stecken in Venedig im ausgetrockneten Kanal fest
Reuters/Manuel Silvestri
Einzelne Kanäle in der Lagunenstadt sind praktisch leer

Wie die Behörden am Freitagabend erklärten, sank der Wasserstand bei Ebbe zeitweise um 60 Zentimeter unter den Normalpegel. Auch für das Wochenende war wieder „acqua bassa“ (Niedrigwasser) erwartet worden. Auf kleineren Kanälen habe der Verkehr eingestellt werden müssen, zeitweise lagen die Gondeln im Schlamm, hieß es.

Ungünstige Wetterlage

Expertinnen und Experten führen diesen Ausnahmezustand auf eine besondere Wetterlage zurück: Hochdruck über Italien, verbunden mit einer Neumondphase, sowie besondere Windverhältnisse und ein großes Hochdruckgebiet über Norditalien. Seit Wochen regnet es nun schon nicht, einige Flüsse sind derzeit ausgetrocknet. Das Frühlingswetter zur Faschingszeit wird immer mehr zum Problem.

Der Wind weht meist schwach aus nordwestlicher Richtung, das Meerwasser wird dadurch von Venedig weggedrückt, Touristinnen und Touristen im Maskentrubel des Karnevals fotografieren besorgt die ausgetrockneten Kanäle. Wie tief das Wasser gesunken ist, lässt sich gut an den Anlegestellen der Vaporetti, den typischen Booten in Venedig, erkennen. Die Stege aus Holz ragen hoch aus dem Wasser, einige Motorboote verschwinden fast darunter.