Niedriger Wasserstand in Lake Powell
AP/Brittany Peterson
Lake Powell

Zweitgrößter US-Stausee schwindet

Der Lake Powell versorgt seit sechs Jahrzehnten Millionen Menschen im Südwesten der USA mit Wasser und Strom. Letzte Woche fiel der Pegel des zweitgrößten Stausees des Landes auf einen historischen Tiefstand. Aktuell sei er nicht einmal mehr zu einem Viertel gefüllt, berichtete unter anderem die „Washington Post“ („WP“) am Wochenende. Es fehlten nur noch wenige Meter, bis die Stromproduktion ausfällt. Die Probleme haben ihre Vorgeschichte, der Klimawandel lässt sie nun richtig akut werden.

In den 1960er Jahren wurde mit der Errichtung des Glen-Canyon-Damms im Grenzgebiet der Bundesstaaten Arizona und Utah der Colorado River zum Lake Powell aufgestaut. Vollständig gefüllt hat der künstliche See enorme Dimensionen: Er ist fast 300 Kilometer lang, an der Talsperre des Glen-Canyon-Damms etwa 170 Meter tief, bedeckt eine Fläche von über 650 Quadratkilometern, was in etwa der eineinhalbfachen Fläche des Wiener Stadtgebietes entspricht, und beinhaltet über 33 Mrd. Kubikmeter Wasser.

Das alles ist aktuell allerdings Theorie. Laut Bericht der „WP“ beträgt der Füllstand gerade 22 Prozent. Der Stausee war zuletzt vor über 20 Jahren, 2001, vollständig gefüllt. Elf Jahre später sank der Pegel auf rund 60 Prozent, nach den beiden trockenen und heißen Jahren 2020 und 2021 auf rund ein Drittel und 2022 schließlich auf unter 25 Prozent. Mit dem aktuellen Tiefstand wächst die Sorge vor ernsthaften Problemen für mehrere Bundesstaaten bzw. Millionen Menschen im Einzugsgebiet des Colorado-Beckens.

Wasser und Strom für Millionen Menschen

Der Stausee liegt rund 350 Kilometer nordöstlich der Wüstenmetropole Las Vegas (Nevada), die Turbinen am Glen-Canyon-Damm, errichtet ab 1956, liefern Strom für rund 4,5 Millionen Menschen, der Colorado und sein Einzugsgebiet laut „WP“ Wasser für 40 Mio. Bewohner des US-Südwestens in sieben Bundesstaaten.

Satellitenaufnahme von Lake Powell vom August 2017
Satellitenaufnahme von Lake Powell vom August 2022
NASA NASA

Letzte Woche, schrieb die US-Zeitung, sei der Pegelstand auf 3.522 Fuß (rund 1.074 Meter) über dem Meeresspiegel gefallen, den niedrigsten Wert, seit der Stausee in den 1960er Jahren gefüllt wurde.

Das alte „Law of the River“

Nun müssten auch einschneidende Maßnahmen im Wassermanagement ergriffen werden, um „schlimme Konsequenzen“ zu vermeiden. Es gebe zu viel Bedarf und zu wenig Wasservorrat, zitierte die US-Zeitung den Hydrologen und Klimaforscher Brad Udall von der Colorado State University (CSU).

Luftaufnahme von Lake Powell
Reuters/Caitlin Ochs
Canyons am Lake Powell

Die rechtlichen Vereinbarungen über die Wassernutzung müssten „großteils neu geschrieben“ werden. Mit fortschreitender Nutzung des Wassers aus dem Colorado wurde diese historisch im „Law of the River“ – zahlreichen Verträgen zwischen den Bundesstaaten bzw. mit der Regierung in Washington – geregelt.

Zu einem guten Teil passten diese einfach nicht mehr in die Zeit, so Experte Udall. „Wir sehen gerade eine Kollision zwischen dem Wassergesetz aus dem 19. Jahrhundert, einer Infrastruktur aus dem 20. Jahrhundert und demografischem Wandel und Klimawandel des 21. Jahrhunderts.“ Jeder könne sich ausmalen, wie diese ausgehen werde.

Wenige Meter bis zum Ausfall der Turbinen

Trockenperioden, „die chronische übermäßige Nutzung der Wasserressourcen“ und die Klimakrise setzen dem Colorado zu, im Stausee sinkt der Pegel. Fällt dieser von aktuell rund 3.520 auf 3.490 Fuß, also keine zehn Meter mehr, könnten die Turbinen am Glen-Canyon-Damm nicht mehr laufen.

Boot in Lake Powell
AP/Brittany Peterson
Gestein zeigt Absinken des Pegels über Jahre

Derzeit sei dieses Problem noch 32 Fuß (9,75 Meter) entfernt, so Experte Udall. Und es habe in der jüngeren Vergangenheit Jahre gegeben, „wo wir 50 oder mehr Fuß Speichervolumen verloren haben“. Das bedeute: „Wir sind ein schlechtes Jahr davon entfernt, den Punkt zu erreichen, an dem wir keine Wasserkraft mehr erzeugen können.“

Ähnliche Probleme am größten Stausee des Landes

Der Lake Powell ist nach dem Lake Mead, der weiter flussabwärts südlich von Las Vegas liegt, und ebenfalls durch den Colorado gespeist wird, der zweitgrößte Stausee der Vereinigten Staaten. Er liegt an der Grenze zwischen Arizona und Nevada und wird vom Hoover-Damm, errichtet in den 1930er Jahren, aufgestaut. Der Lake Mead kämpft mit ähnlichen Problemen wie der Lake Powell.

Geringer Wasserstand bei Hoover Dam und Lake Mead
Reuters/David Becker
Auch der Hoover-Damm hat chronisch zu wenig Wasser

Ab einem Wasserstand von 3.370 Fuß (rund 1.027 Metern) über dem Meeresspiegel werde der Stausee laut „WP“-Bericht zu einem „toten“ See, was bedeute, dass das Wasser darin im äußersten Fall nicht weiter flussabwärts fließen könne und ganze Regionen von der Versorgung abgeschnitten zu werden drohten. Wieder könne man sich die möglichen Folgen ausmalen, so Udall sinngemäß. Der Stausee versorge 90 Prozent der Menschen in Las Vegas, halb Phoenix (Arizona) und halte rechnerisch ein Viertel der Wassermenge des Beckens von Los Angeles.

Bisher keine Lösung

Es wurde bereits versucht, dem Lake Powell aus Stauseen flussaufwärts Wasser zuzuführen und den Abfluss zu bremsen, beides habe aber keinen nachhaltigen Erfolg gebracht.

Langfristig würden nur drastische Maßnahmen zur Einschränkung des Wasserverbrauchs helfen. Dazu braucht es einen Konsens zwischen den sieben Bundesstaaten, die den Colorado und sein Wasser nutzen – Kalifornien, Arizona, Colorado, Nevada, New Mexico, Utah und Wyoming. Eine Einigung scheiterte bisher aber.