EU-Außenbeauftragte Josep Borrell
APA/AFP/Thomas Kienzle
„Sind im Kriegsmodus“

EU verspricht Ukraine Hilfe bei Munition

Angesichts des großen Munitionsbedarfs der Ukraine wird in der EU an einem neuen Beschaffungsverfahren gearbeitet. Das bestätigte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell am Sonntag bei der Münchner Sicherheitskonferenz (MSC). Die Ministerpräsidentin von Estland, Kaja Kallas, die mit Borrell auf dem MSC-Podium saß, erinnerte in diesem Zusammenhang an den EU-Kommissionsplan, hier ein ähnliches Verfahren zu nutzen wie jenes, mit dem in der Coronavirus-Pandemie die zügige Beschaffung von Impfstoffen sichergestellt wurde.

Kallas zufolge sollen demnach EU-Staaten Geld zur Verfügung stellen, mit dem dann über die EU gebündelt Großaufträge an die Rüstungsindustrie vergeben werden. Mit dem Verfahren könnte dafür gesorgt werden, dass die Industrie die für die Ausweitung der Produktion notwendigen Investitionen tätigen kann.

„Russland verfeuert an einem Tag so viele Artilleriegranaten, wie in Europa in einem Monat produziert werden“, ergänzte Kallas und verwies darauf, dass in der russischen Rüstungsindustrie derzeit im Dreischichtbetrieb gearbeitet werde. In der EU müssten die Produktionskapazitäten schnell ausgebaut werden. Ohne Munition könne die Ukraine den Krieg nicht gewinnen. Borrell sagte: „Wir sind im Kriegsmodus.“ Es gehe jetzt darum, schnell zu reagieren.

Josep Borrell, Ulf Kristersson und Kaja Kallas
APA/AFP/Thomas Kienzle
Borrell zusammen mit Schwedens Premier Ulf Kristersson und Kallas auf dem MSC-Podium

Von der Leyen für Abnahmegarantien

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte bereits am Samstag auf der Sicherheitskonferenz für Abnahmegarantien für die Rüstungsindustrie geworben. Diese könnten Unternehmen die Möglichkeit geben, schneller in Produktionslinien zu investieren und das Liefervolumen zu erhöhen.

„Wir müssen jetzt das Gleiche tun, was wir während der Pandemie getan haben“, sagte sie mit Blick auf entsprechende Verträge mit Pharmaunternehmen zur Beschleunigung der Produktion von CoV-Impfstoffen. Abnahmegarantien könnten der Verteidigungsindustrie jetzt die Möglichkeit geben, schneller in Produktionslinien zu investieren und das Liefervolumen zu erhöhen.

Eine Rolle spielen könnte laut Kallas auch die Europäische Friedensfazilität. Sie ist ein Finanzierungsinstrument, über das die EU bereits heute Waffen- und Ausrüstungslieferungen an die Ukraine und Ausbildungsprogramme für die Streitkräfte fördert. Zur Unterstützung der ukrainischen Streitkräfte wurden bisher bereits 3,6 Milliarden Euro freigegeben.

EU verspricht Ukraine Hilfe bei Munition

Angesichts des großen Munitionsbedarfs der Ukraine wird in der EU an einem neuen Beschaffungsverfahren gearbeitet. Das bestätigte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell bei der Münchner Sicherheitskonferenz (MSC).

Kampf gegen „Goliath“

Der Ruf nach Waffenlieferungen kam zu Beginn der MSC auch vom ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Dieser sagte in einer Videoansprache, er rechne mit einem Kriegsende im Jahr 2023: „Goliath hat schon angefangen zu verlieren. Goliath wird auf jeden Fall dieses Jahr fallen“, sagte der Präsident.

Er verglich sein Land mit dem biblischen David, der sich gegen einen russischen Goliath wehren müsse. Es gebe „keine Alternative zu unserem Sieg“, sagte Selenskyj, der den Westen zu einer größeren Geschwindigkeit bei der Lieferung von Waffen und der Unterstützung seines Landes aufforderte.

„Munition, Artillerie, Panzer“

Geht es nach dem ukrainischen Außenminister Dmytro Kuleba, benötige die Ukraine „Munition, Artillerie, Panzer“. Das sagte Kuleba in München bei einer Podiumsdiskussion mit seiner deutschen Amtskollegin Annalena Baerbock und US-Außenressortchef Antony Blinken. Baerbock erneuerte dabei ihre Forderung an die Verbündeten, der Ukraine Kampfpanzer des Typs Leopard 2 zur Verfügung zu stellen. Blinken sagte zum Thema Munition, jeder Winkel der Erde werde mit Blick darauf untersucht.

Kiews Bürgermeister Witali Klitschko zeigte in diesem Zusammenhang kein Verständnis für Einschränkungen bei Waffenlieferungen. Sein Land werde den Krieg gewinnen, sagt er der „Bild am Sonntag“. „Dafür brauchen wir aber dringend weitere Waffen, Munition und auch Kampfjets“, so Klitschko gegenüber „Bild“: „Ich verstehe nicht, warum es immer wieder neue rote Linien gibt. Klar ist doch eins: Wir müssen unser Land zurückerobern, dafür brauchen wir alles, was notwendig ist.“

Kiew will auch umstrittene Munition

Auf der MSC forderte Vizeregierungschef Olexandr Kubrakow am Freitag für Kiew zuvor auch Streu- und Phosphormunition – der Einsatz beider Waffen ist allerdings sehr umstritten. Wie Russland wolle auch sein Land diese „Art von Kampfmitteln“ nutzen.

„Es ist unser Staatsgebiet“, sagte Kubrakow. Er verstehe die Schwierigkeiten wegen Konventionen, aber diese (geächtete, Anm.) Art von Munition könne dazu beitragen, dass man den Angreifern standhalten könne. Als Streumunition wird Munition bezeichnet, die in der Luft über dem Ziel explodiert und viele kleine Sprengkörper freisetzt. Phosphormunition kann bei Menschen schwerste Verbrennungen und Vergiftungen verursachen.

Pfeifer (ORF) zu neuen ukrainischen Forderungen

Vertreter der Ukraine haben zuletzt auch die Lieferung von Streumunition und Phosphorbomben verlangt – wird nach der Lieferung von Kampfpanzern auch dieses Tabu gebrochen? ZIB-Auslandsexperte Andreas Pfeifer berichtet von der Münchner Sicherheitskonferenz.

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg erteilte der Forderung der Ukraine umgehend eine Absage. „Die NATO hat diese Art von Waffen weder empfohlen noch geliefert. Wir liefern Artillerie und andere Arten von Waffen, aber keine Streubomben.“