ORF Sujet
ORF.at/Patrick Bauer
RSO, Sport + betroffen

ORF soll 300 Mio. in vier Jahren sparen

Generaldirektor Roland Weißmann hat am Montag im Rahmen eines Sonderfinanzausschusses seine Sparpläne für den ORF präsentiert. Einen Beschluss des Stiftungsrats gibt es noch nicht, einige Pflöcke scheinen aber eingeschlagen. So steht die Zukunft des Radio-Symphonieorchesters zur Disposition. ORF Sport + soll mittelfristig als linearer Kanal eingestellt werden.

Am Montag tagte auf dem Wiener Küniglberg ein Sonderfinanzausschuss, vor dem Weißmann die Pläne vorstellte. Er hatte bereits im vorigen Herbst vor hohen Millionenverlusten, auch wegen stark gestiegener Kosten, gewarnt. Am Montag erläuterte Weißmann erneut die finanzielle Lage des ORF, die noch nie zuvor so schwierig gewesen sei.

In der Gebührenperiode 2022-2026 reiche die Abgeltung nicht mehr aus, um die Teuerung zu stemmen. Im Vorjahr sei das noch einmal gelungen, 2022 habe der ORF schwarze Zahlen geschrieben. Doch müsse man den Pfad der Finanzierung und Restrukturierung weiter einschlagen, so Weißmann.

Wo der ORF-Chef sparen will

ORF-Generaldirektor Roland Weißmann hat den Stiftungsräten seine Sparpläne präsentiert.

Der ORF habe seit 2007 bereits 900 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter abgebaut, zudem seien 450 Millionen Euro an Sparvolumen zusammengekommen. Hinzu komme, dass der heurige Gehaltsabschluss für die Beschäftigten des ORF einer der geringsten im Land sei. Von heuer an bis 2026 werde das Medienhaus noch einmal rund 300 Mio. Euro einsparen müssen, so Weißmann am Nachmittag.

Das sei schwierig, aber alternativlos. Wo eingespart werde, solle in einem Prozess erarbeitet werden. Manche Vorgaben kommen etwa von anderer Seite als dem ORF. Es seien aber unterschiedliche Maßnahmen notwendig, vom Personal bis hin zu den Sachkosten.

RSO und Sport +

Einen Beschluss gab es am Montag nicht, denn einen solchen muss der Stiftungsrat fassen. Weißmann sagte, das Programmportfolio in TV, Radio und Online werde es grosso modo weiter geben wie bisher, man werde die Produktpalette sogar noch ausbauen. Auf dem Prüfstand stehen aber nun Angebote, die nicht vom öffentlich-rechtlichen Auftrag umfasst sind und im ORF-Gesetz den Zusatz „nach Maßgabe der wirtschaftlichen Tragbarkeit“ haben.

Dazu zählen etwa das ORF Radio-Symphonieorchester (RSO) und ORF Sport +, deren Existenz nun zur Debatte stehen. Das RSO sei ein wesentlicher Faktor, ein wirklich tolles Orchester, so Weißmann, und man werde jede Maßnahme unterstützen, damit es weitergeführt werden könne. Es sei aber auch klar, dass es finanziert werden müsse. Das könne der ORF „mit Stand heute“ nicht leisten.

Grafik zur Finanzierung des ORF
Grafik: APA/ORF; Quelle: ORF

Für ORF Sport + sind andere Wege auf dem Tapet: Hier wolle man Budgetmittel transferieren. Der Breitensport solle mehr Stellenwert durch eine Verlagerung auf ORF1 erhalten. Stattdessen sollen US-Serien zurückgefahren werden, dadurch werde der ORF österreichischer. Das Angebot von Sport + soll als digitales Angebot nach der erhofften Implementierung der Digitalnovelle weiter betrieben werden. Ebenso will man mit den Streamingplattformen Fidelio und Flimmit verfahren: Auch hier wartet man auf die zugesagte Novelle. Der Sender ORF III stehe nicht zur Disposition, so Weißmann.

Haushaltsabgabe im Gespräch

Die Gespräche mit der Politik zur Finanzierung des ORF gehen in die Richtung einer Haushaltsabgabe. Denn mit Ende 2023 läuft die aktuelle Form der Einhebung des Programmentgelts für den ORF durch die GIS nach dem Spruch des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) aus. Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) hatte wiederholt auf einen „harten Sparkurs“ für den ORF gepocht.

Sie knüpfte die Einsparungen an Verhandlungen mit den Grünen über eine geräteunabhängige Haushaltsabgabe, die die gegenwärtige GIS-Gebühr für Fernseher und Radio ablösen soll. Sowohl ÖVP als auch Grüne signalisierten dazu Zustimmung, die Gespräche müssten aber noch geführt werden, hieß es. Auch für den ORF wäre eine solche Haushaltsabgabe „eine nachhaltige Lösung für die Finanzierung“.

Mit einer Umstellung hin zu einer Haushaltsabgabe fallen die Kontrollbesuche von GIS-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeitern der ORF-Gebührentochter weg. Damit sinkt wohl der finanzielle Aufwand. Das ORF-Tochterunternehmen werde es in der gegenwärtigen Größe nicht mehr geben, so Weißmann. Denkbar sei, dass die Haushaltsabgabe vom gleichen Unternehmen eingehoben oder eine neue Gesellschaft gegründet werde, die auf Expertinnen und Experten der GIS setze, sagte Weißmann. Auch die gegenwärtige mit dem ORF-Programmentgelt eingehobene Länderabgabe könnte theoretisch weiterhin von der GIS eingehoben werden.

Der Auftrag laute, der ORF solle für jeden Haushalt günstiger werden. Die Ausgestaltung liege aber beim Gesetzgeber. Es sei davon auszugehen, dass durch eine neue Abgabe künftig eben alle Haushalte zahlen, und dadurch werde es für den Einzelnen, die Einzelne günstiger.

ORF soll digitaler werden dürfen

Raab kündigte auch an, dass die vom ORF seit Jahren geforderte Digitalnovelle so rasch wie möglich umgesetzt werden solle. Konkret will der ORF mehr Möglichkeiten im digitalen Raum – etwa Inhalte „online first“ und „online only“ anbieten und auch länger als sieben Tage bereitstellen dürfen. Weißmann hoffte, es könne nun eine nachhaltige Finanzierung geben und gleichzeitig die Digitalnovelle. Die Gespräche hätten positiv gestimmt, es gebe einen breiten Konsens für einen zukunftsfitten ORF.

Stiftungsräte gespalten

„Ich hoffe sehr, dass die Politik in den kommenden Wochen eine nachhaltige Finanzierung des ORF sicherstellt und die rechtlichen Rahmenbedingungen so modernisiert, dass der ORF in der digitalen Welt von morgen das jüngere Publikum mit seinen öffentlich-rechtlichen Inhalten erreicht“, sagte Stiftungsratsvorsitzender Lothar Lockl. Ziel sei es, auch in Zukunft das beste öffentlich-rechtliche Programm für das Publikum anzubieten.

Thomas Zach, Leiter des ÖVP-„Freundeskreises“ im ORF-Stiftungsrat und Vorsitzender des Finanzausschusses, sagte, der ORF habe sich finanziell auf einer „gefährlichen Abwärtsspirale“ befunden. Mit einer Haushaltsabgabe könne man auch künftig den öffentlich-rechtlichen Auftrag erfüllen. Ohne diese wäre es wohl nicht mehr möglich gewesen, so Zach, der von einem „wichtigen Meilenstein“ sprach.

Heinz Lederer, SPÖ-„Freundeskreis“-Leiter im Stiftungsrat, meinte, dass aus seiner Sicht noch nichts fixiert sei. Man werde der ORF-Geschäftsführung für die Sparmaßnahmen keine „Carte blanche“ ausstellen.

RSO: Möser will für Erhalt kämpfen

Dass das RSO eingestellt werden könnte, führte am Montag zu einem Aufschrei in der Kulturszene. Das Markenzeichen des RSO ist sein zeitgenössisches Repertoire, oftmals kombiniert mit dem klassischen Kanon. Das RSO spielt Abonnementzyklen im Musikverein und Konzerthaus. Überdies ist man regelmäßig bei den Salzburger Festspielen, Wien Modern und dem Musikprotokoll im steirischen herbst zu hören. Eine Erweiterung des Profils erfolgte 2007, als man die regelmäßige Zusammenarbeit mit dem Theater an der Wien begann und sich eine Identität als Opernorchester aufbaute. Seit 2019 steht die US-Amerikanerin Marin Alsop als erste Frau an der Spitze des Orchesters. Der Dacheinheit über den beiden Institutionen Radiokulturhaus und RSO steht Thomas Wohinz vor, die künstlerische Verantwortung des RSO trägt Angelika Möser.

Sie will jetzt bis zum 23. März, der Zusammenkunft des Stiftungsrates, gegen eine mögliche Einstellung des RSO ankämpfen. „Ich fände es grundfalsch, wenn das Orchester eingestellt würde“, so Möser am Montag zur APA. „Wenn man im Musikland Österreich meint, auf das ORF Radio-Symphonieorchester verzichten zu können, dann wäre das ein fatales Signal für die gesamte europäische Musiklandschaft.“

Scharfe Kritik

Möser und dem RSO sprangen etliche Kulturschaffende zur Seite. Kritik am möglichen Aus für das Orchester kam von den Wiener Philharmonikern, dem Intendanten der Wiener Symphoniker, Jan Nast, von Stefan Herheim, dem Intendanten des Theaters an der Wien, sowie von Stephan Pauly, dem Intendanten des Wiener Musikvereins, und von Ulrike Sych, der Rektorin der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien (mdw).

Matthias Naske, Intendant des Wiener Konzerthauses, fand der APA gegenüber deutliche Worte: „Die Schließung des RSO Wien wäre ein barbarischer Akt.“ Die IG Freie Kulturarbeit verwies in einer Stellungnahme auf die besondere Rolle des RSO in der Beschäftigung von Frauen, liege man hier doch bei über 40 Prozent Musikerinnen. Auch Wiens Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ) meinte, das Radio-Symphonieorchester sei „eine tragende Säule des österreichischen und Wiener Musiklebens und muss als solche weiter bestehen. Das RSO ist aus der Musikstadt Wien nicht wegzudenken.“

Auch Sport-Austria-Präsident Hans Niessl zeigte sich irritiert. Dass ORF Sport + als linearer TV-Kanal eingestellt werden soll, sei „konzeptloses Streichen“, so Niessl. Er kritisierte, dass der Kanal als „budgetärer Zwerg mit großem gesellschaftspolitischen Potenzial geopfert werden soll, weil ein Finanzloch von 300 Millionen Euro zu schließen ist… Logik geht anders.“

Positionen der Opposition

Für die SPÖ sei entscheidend, dass jedes neue Finanzierungsmodell die Unabhängigkeit des ORF sichere und sozial verträglich sei, kommentierte SPÖ-Mediensprecher Jörg Leichtfried die Berichte.

NEOS-Mediensprecherin Henrike Brandstötter mahnte Reformschritte beim ORF ein, die über eine mögliche Haushaltsabgabe und Sparpläne hinausgingen. Die FPÖ kritisierte die kolportierte Haushaltsabgabe: Jeder würde damit eine „Zwangsgebühr“ zahlen, auch wenn es im Haushalt weder Radio, TV noch Internet gebe.