der isrealische Premierminister Benjamin Netanjahu
Reuters/Maya Alleruzzo
Trotz Protests

Israels Regierung treibt Justizumbau voran

Ungeachtet der Massenproteste in den vergangenen Wochen hat Israels rechts-religiöse Regierung ihre Pläne für den Umbau der Justiz vorangetrieben. Grundsätzliche Punkte der umstrittenen Reform wurden am Dienstag kurz nach Mitternacht in einer ersten Lesung in der Knesset, dem Parlament, angenommen. In Jerusalem versammelten sich erneut Tausende zu einer Kundgebung.

Dem Beschluss mit 63 Für- und 47 Gegenstimmen war eine turbulente achtstündige Sitzung der Knesset vorangegangen. Es kam zu tumultartigen Szenen. Insgesamt sind für eine Gesetzesänderung noch zwei weitere Lesungen im Parlament notwendig.

Regierungschef Benjamin Netanjahu sprach nach der Abstimmung von einer „großen Nacht“. Wegen des Korruptionsprozesses gegen Netanjahu und eines daher gegebenen persönlichen Interesses am Justizumbau hat die unabhängige Rechtsberaterin des Ministerpräsidenten Netanjahu untersagt, sich in den Gesetzgebungsprozess aktiv einzubringen. Er darf aber in der Knesset mitstimmen. Netanjahu nannte das „lächerlich“, muss sich vorerst – die Unabhängigkeit der Rechtsberater in den Ministerien soll im Zuge des Justizumbaus beendet werden – aber daran halten.

Justizminister sieht Missstand korrigiert

„Von nun an gehört das Gericht jedem“, behauptete Justizminister Jariv Levin nach der Abstimmung. Er wiederholte damit den Vorwurf, die Justiz sei einseitig und benachteilige breite Bevölkerungsgruppen. Levin rief die Opposition zu Gesprächen auf. „Wir können Übereinkünfte erzielen“, sagte er. Diese fordert ihrerseits als Vorbedingung für Gespräche, den Gesetzesprozess auf Eis zu legen.

„Geschichte wird Urteil fällen“

Die Opposition warf der Koalition vor, sie habe „für die Zerstörung des Tempels“ gestimmt – in Anspielung auf die im Judentum tief verankerte Katastrophe der Zerstörung des Tempels von Jerusalem und der darauffolgenden Exilierung und Fremdherrschaft.

Oppositionschef Jair Lapid betonte, „die Geschichte wird ein Urteil fällen über diese Nacht. Für den Schaden an der Demokratie, den Schaden für die Wirtschaft und den Schaden für die Sicherheit.“

Der Vorsitzende des Justizausschusses, Simcha Rothman, sagte, das Gesetz werde die Bestellprozesse für Posten am Höchstgericht transparenter und demokratischer machen. Teile der umstrittenen Pläne waren bereits Mitte Februar im Justizausschuss verabschiedet worden.

Benjamin Netanyahu, Premierminister von Israel
Reuters/Maya Alleruzzo
Regierungschef Benjamin Netanjahu: Die Opposition warnt vor einem Schaden für Israels Demokratie

Parlament kann Gerichtsentscheidungen widerrufen

Die Justizreform von Regierungschef Netanjahus rechtsreligiöser Koalition würde es dem Parlament unter anderem erlauben, Entscheidungen des Obersten Gerichts mit einer einfachen Mehrheit zu widerrufen – und damit dessen Befugnis zur rechtlichen Überprüfung von Gesetzen fast vollständig abzuschaffen.

Sie würde der Regierung zudem die Kontrolle über die Ernennung der Richterinnen und Richter auf allen Ebenen bis hin zum Höchstgericht übertragen – derzeit stimmt darüber ein Gremium aus Politikern, Richtern und Mitgliedern der Anwaltskammern ab. Kritikerinnen und Kritiker der Reform sprechen vom faktischen Ende der Demokratie, da damit die für das Funktionieren einer Demokratie entscheidende gegenseitige Kontrolle von Legislative, Exekutive und Judikative ausgehebelt wäre.

Israels Parlament von innen
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Die Knesset-Sitzung dauerte rund acht Stunden

Die Proteste der vergangenen Wochen richten sich gegen diesen Justizumbau, aber auch gegen die Politik der Regierung im Allgemeinen. Netanjahu war Ende Dezember dank eines rechtsreligiösen Bündnisses wieder an die Macht gekommen. Es ist die bisher am weitesten rechts stehende Regierung des Landes.

Weil Israel keine schriftliche Verfassung hat und der Staat stattdessen auf einer Sammlung von Grundgesetzen fußt, kommt dem Höchsten Gericht besondere Bedeutung bei der Wahrung von Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten zu. Staatspräsident Jizchak Herzog warnte vor einem verfassungsrechtlichen und gesellschaftlichen Zusammenbruch Israels, falls die Regierung ihre Pläne kompromisslos und gegen alle Widerstände durchsetzen sollte.

Proteste gegen Justizumbau

In Jerusalem gingen erneut Tausende gegen den von der Regierung betriebenen Umbau des israelischen Justizsystems auf die Straße.

Zehntausende bei Demos

In Jerusalem versammelten sich am Montag erneut Tausende Menschen zum Protest gegen den geplanten Umbau der Justiz durch die Regierung. Landesweit protestierten Zehntausende Menschen. Die Demonstrantinnen und Demonstranten kamen gegen Mittag in der Nähe der Knesset zusammen. Viele trugen israelische Flaggen und skandierten „Israel ist keine Diktatur“ und „Demokratie bedeutet Dialog“.