Die Klima-Aktivistengruppe „Letzte Generation“ bei einer „Klebeaktion“
APA/Letzte Generation Österreich
Umfrage in Österreich

Ambivalente Haltung zu Klimaprotesten

Die Klimaaktivistengruppe „Letzte Generation“ protestiert seit Tagen verstärkt mit Blockaden auf wichtigen Wiener Verkehrsrouten. Die Mehrheit der Österreicher und Österreicherinnen (58 Prozent) findet es gut, auf die Klimakrise aufmerksam zu machen. Allerdings sprechen sich einer aktuellen Umfrage zufolge noch mehr gegen Klebeaktionen aus.

Es dürfe niemand bei Klimaprotesten zu Schaden kommen, zeigen die Ergebnisse der am Dienstag veröffentlichten Umfrage der Meinungsforschungsinstitute Spectra und Integral. Knapp die Hälfte der Bevölkerung hält die Forderungen der Aktivisten der „Letzten Generation“ für berechtigt. Sich dafür jedoch auf Straßen zu kleben, finden mehr als 60 Prozent nicht in Ordnung – mehr dazu in oesterreich.ORF.at.

Die Hauptprotestform der Aktivistinnen und Aktivisten der „Letzten Generation“ ist das Sich-Festkleben auf Fahrbahnen, um den Straßenverkehr an wichtigen Stellen zum Erliegen zu bringen. Ende vergangenen Jahres wurde ein mit Glas geschütztes Klimt-Gemälde mit schwarzer Farbe angeschüttet. Am Montag, zum Auftakt der zweiten Protestwoche mit Verkehrsbehinderungen, wurden sie von Architekten und Architektinnen unterstützt – mehr dazu in wien.ORF.at.

Großteil desillusioniert

Dienstagfrüh gab es erneut Blockaden im Frühverkehr in Wien. Zudem wurde literweise eingefärbtes Pflanzenöl verschüttet, um die Zerstörung sichtbar zu machen, die fossile Brennstoffe überall auf der Welt anrichten. Die Teilnehmer und Teilnehmerinnen forderten einen Stopp neuer Öl- und Gasbohrungen sowie Tempo 100 auf Autobahnen.

Inzwischen kennt so gut wie jeder die Aktionen dieser Gruppe, die nach dem Vorbild der englischen Gruppe „Just Stop Oil“ agiert. 92 Prozent der Befragten gaben in der Umfrage an, von der Bewegung gehört zu haben. 82 Prozent zeigten sich jedoch eher desillusioniert, was den Erfolg der Aktionen anbelangt, und glaubten eher oder gar nicht daran, dass die Demonstrationen zu einem klimafreundlichen Verhalten führen.

Demonstration der Plattform „Fridays For Future“ in Wien
Reuters/Leonhard Foeger
Die Mehrheit der Österreicher und Österreicherinnen befürwortet Klimademonstrationen

Zudem lehnen es die Österreicher mehrheitlich ab, wie aktuell hauptsächlich protestiert wird. 49 Prozent bewerten die Klebeaktionen als sehr negativ, 18 Prozent als eher negativ. 16 Prozent stehen voll bzw. eher dahinter, und 18 Prozent äußerten sich „neutral“. Wie die Umfrage zeigt, geht es aber auch den Kritikern mehr um die Art des Protests, denn die Hälfte von ihnen hält es sehr wohl für wichtig, den Klimawandel zu thematisieren.

Mehrheit für härtere Strafen

53 Prozent der Befragten würden härtere Strafen für die Aktivisten begrüßen. Doch auch hier zeigt sich eine ambivalente Haltung. Denn 40 Prozent jener „Hardliner“ finden es positiv, dass die Aktivisten damit den Fokus auf den Klimawandel lenken. Knapp ein Drittel aller Befragten war der Ansicht, dass dem Thema schon zu viel Aufmerksamkeit gewidmet werde. Die beiden Marktforschungsinstitute befragten zwischen 26. und 31. Jänner 1.000 für die österreichische Bevölkerung repräsentative Personen zwischen 16 und 75 Jahren online.

TV-Hinweis

„Dok1: Die Klima-Kleber“ beleuchtet am Mittwoch um 20.15 Uhr in ORF1 die Welt der Aktivistinnen und Aktivisten – mehr dazu in tv.ORF.at.

Kinder klagen vor Verfassungsgerichtshof

Eine andere Form des Protests wählten zwölf Kinder und Jugendliche im Alter zwischen fünf und 16 Jahren. Sie wollen am Dienstag eine Klimaklage beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) einbringen, weil die Regierung aufgrund fehlender Klimaschutzmaßnahmen ihre Zukunft gefährde. Ein neues Klimaschutzgesetz ist seit zwei Jahren ausständig. Die Gesetzgebung sei daher nicht in der Lage, die Kinder vor den lebensbedrohlichen Folgen der Klimakrise zu schützen. Die Kläger und Klägerinnen berufen sich dabei auf ihre Kinderrechte, die in Österreich durch die Verfassung geschützt sind.

Vertreten werden sie durch die Anwältin Michaela Krömer, die schon mit drei anderen Klimaklagen zu tun hatte. „Fridays for Future“ und der von Krömer gegründete Verein CLAW – Initiative für Klimarecht unterstützen die Klage. Es gehe darum, dass die Kinder auch im Sinne der Generationengerechtigkeit die besten Möglichkeiten haben, ihr Leben zu gestalten, so Krömer am Dienstag im Ö1-Morgenjournal. Der gegenwärtige Scheinklimaschutz mache die „Klimakrise zur Kinderkrise“, argumentierte die Anwältin in einer Aussendung zur Klage.

„Grundrechtliches Neuland“

Juristisch ist der Weg komplex. Die Kinder und Jugendlichen stellen zunächst einen Antrag vor dem VfGH auf die Teilstreichung des abgelaufenen Klimaschutzgesetzes. Der VfGH muss nun entscheiden, ob die Kinder überhaupt das Recht haben, den Antrag zu stellen. Dann kann ein Urteil gefällt werden, ob Kinderrechte verletzt wurden.

Das kann bis zu ein halbes Jahr dauern. Es werde hier „grundrechtliches Neuland“ betreten, sagte die Juristin Claudia Fuchs von der Universität Linz gegenüber Ö1, da hier das erste Rechtsmittel eingebracht werde, das sich spezifisch auf Kinderrechte stützt.