Erdgasspeicher Schönkirchen
ORF.at/Roland Winkler
Russisches Gas

Politische Fehler führten zu Abhängigkeit

Politische Fehler über mehrere Jahrzehnte haben Österreich von russischem Erdgas abhängig gemacht. Zu diesem Ergebnis kommt die Energieagentur, die die Politik in Energiefragen berät. Dass Österreich im Dezember wieder 70 Prozent des Erdgases aus Russland bezog, sei „besorgniserregend“, hieß es am Dienstag.

Die Erdgasimporte seien Mitte der 1960er Jahre zur privatwirtschaftlichen Angelegenheit geworden, so Herbert Lechner, der ehemalige Geschäftsführer und wissenschaftliche Leiter der Energieagentur, in einer am Dienstag vorgestellten Studie. Das Risiko einer zu hohen Abhängigkeit wurde Lechner zufolge zwar früh erkannt, aber konsequent negiert. Argumente für russisches Erdgas seien zu unhinterfragten Dogmen geworden.

„Ein wesentlicher Faktor für die Abhängigkeit Österreichs von russischem Erdgas war sicher, dass die politisch Verantwortlichen sich bereits ab den 1960ern von einer energiepolitisch aktiven Rolle verabschiedet und sämtliche Aufgaben rund um den Gasimport als privatwirtschaftliche Angelegenheit an Unternehmen, in erster Linie die OMV, abgegeben haben“, so Lechner. „Und daran hat sich de facto bis 2020, dem Ende des Untersuchungszeitraums der Analyse, nichts geändert“ – mehr dazu in science.ORF.at.

Klarheit zu russischen Gasimporten gefordert

Als „besorgniserregend“ bezeichnete Lechner, dass Österreich im Dezember 2022 wieder über 70 Prozent des Erdgases aus Russland bezog, „weil das nicht nach einem Ausreißer ausschaut“. Deshalb sei es wichtig, für Klarheit zu sorgen, sagte Lechner.

Grafik zum russischen Gas für Österreich
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: Energieagentur

Dass sich die Bundesregierung von ihrem Ziel, bis 2027 aus russischem Gas auszusteigen, verabschiedet habe, glaubt Lechner aber nicht. Er gehe davon aus, dass dieses Ziel weiterhin Gültigkeit habe, auch wenn die EU schon deutlich weiter sei. Die heimische Politik müsse dafür aber in die Gänge kommen.

Gasprom-Vertrag: Nehammer gegen Änderung

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) hatte Mitte Februar auf lange bestehende Verträge der OMV mit der Russischen Föderation verwiesen. Er könne es der OMV nicht verbieten, dass die russische Seite ihre vertraglichen Verpflichtungen erfülle, so Nehammer.

Abhängigkeit von russischem Gas

Lange Zeit war russisches Gas im Vergleich besonders günstig. Und Österreich hat davon lange profitiert. Das ist seit Ausbruch des Ukraine-Krieges vorbei. Die Suche nach Alternativen zu russischem Gas hat begonnen – dennoch, im Dezember waren wieder 70 Prozent aller Gasimporte russisch.

Zugleich sprach sich Nehammer dagegen aus, den bis 2040 laufenden Vertrag mit Gasprom zu ändern. Denn „das würde bedeuten, dass die OMV vertragsbrüchig wird“. Das wäre zum Schaden der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Nehammer argumentierte, dass es darum gehe, Staatsvermögen zu sichern und bestehende Verträge so lange zu halten, wie es geht.

Lieferkontrakt im Jahr 2018 geschlossen

Der aktuelle Gasliefervertrag zwischen OMV und Gasprom war 2018 verlängert worden. Unterschrieben hatten der damalige OMV-Chef Rainer Seele und Gasprom-Chef Alexej Miller im Beisein des damaligen Kanzlers Sebastian Kurz (ÖVP) und von Russlands Präsident Wladimir Putin bei deren Treffen im Rahmen von Putins Staatsbesuch in Österreich.

Der OMV-Aufsichtsrat wurde mit dem Vertrag nicht befasst. Der Vertrag ist geheim. Laut Medienberichten sollen „Take or pay“-Klauseln enthalten sein. Das bedeutet, dass die OMV auch dann zahlen muss, wenn sie das Gas nicht bezieht.

Ob Gasprom mit den Lieferkürzungen vergangenes Jahr vertragsbrüchig wurde, kann Lechner, wie er sagte, nicht einschätzen. Er verwies aber darauf, dass die deutschen Gasimporteure RWE und Uniper von Gasprom Schadenersatz für nicht geliefertes Gas fordern. Lechner geht davon aus, dass auch in dem Vertrag mit der OMV ein Schiedsgericht definiert ist.

Erdgas als „politische Waffe“

Lechner recherchierte für seine historische Analyse unter anderem in staatlichen Dokumenten Russlands und Österreichs sowie im Archiv der Staatsholding ÖIAG (heute ÖBAG). Warnungen vor der Abhängigkeit habe es immer wieder gegeben.

So sagte der ÖVP-Abgeordnete Siegmund Burger 1971 im Nationalrat, die österreichische Energieversorgung sei auf der Prämisse des Friedens aufgebaut. Die EU-Kommission sagte 2008, Russland setze „Gas als politische Waffe“ ein. Auch in Russland selbst war in Medien immer zu lesen, dass Gasproms Lieferungen ähnlich gefürchtet würden wie die Atomwaffen.