Chinesischer Banker Bao Fan
Reuters/Bobby Yip
Verschollen

Rätseln über chinesischen Milliardär

Seit vergangener Woche ist der chinesische Milliardär und Chef einer Investmentbank, Bao Fan, unauffindbar. Das sorgt für zahlreiche Spekulationen. Vermutet wird unter anderem, Bao könnte dem chinesischen Machtapparat in die Quere gekommen sein. Sein Schicksal teilt er mit anderen einflussreichen Geschäftsmännern, die in China in der Vergangenheit einfach so von der Bildfläche verschwanden.

Baos Unternehmen China Renaissance Holding hatte in einer Mitteilung an die Hongkonger Börse berichtet, seinen CEO nicht mehr kontaktieren zu können. Die Nachricht ließ den Kurs der Aktie zwischenzeitlich um fast 30 Prozent einbrechen. Baos Familie sei unterrichtet worden, dass der 53-Jährige an Ermittlungen mitwirke, berichtete indes die Finanzagentur Bloomberg.

Das Unternehmen sagte, es wisse von keinen Informationen, die darauf hindeuteten, dass seine Abwesenheit in Verbindung mit den Geschäften der Gruppe stehe, die normal weitergingen. Ein derart ungewöhnliches Eingeständnis deute darauf hin, dass die Person seit Längerem unauffindbar sei, sagte Dickie Wong, Chefanalyst des Brokerhauses Kingston.

Im Visier der Behörden

Bao hält laut „Financial Times“ beinahe 50 Prozent an der China Renaissance Holding. Der Marktwert des Unternehmens beträgt nach dem jüngsten Kurssturz etwa 4,1 Milliarden Hongkong-Dollar (rund 491 Mio. Euro). China Renaissance ist vor allem im Investmentbanking, im Investmentmanagement sowie in der Vermögensverwaltung tätig. Das Unternehmen erwirtschaftete im Jahr 2021 einen Gesamtumsatz von 2,5 Milliarden Renminbi (etwa 340 Mio. Euro) und einen Nettogewinn von 1,65 Milliarden Renminbi.

Bankfiliale der China Renaissance
AP/Mark Schiefelbein
Bürogebäude der China Renaissance Holding in Peking

Die Vermutung, dass die Behörden etwas mit Baos Verschwinden zu tun haben, kam schnell auf. Denn im September wurde der Chef von China Renaissances Wertpapierabteilung, Cong Lin, verhaftet. Seine Biografie verschwand kommentarlos von der Website der Bank, sein gegenwärtiger Verbleib ist unbekannt, wie die „Financial Times“ berichtete.

Gegen Cong liefen Ermittlungen im Zusammenhang mit seiner früheren Tätigkeit für den Finanzleasing-Arm der staatlichen Industrial and Commercial Bank (ICBC), berichtete das chinesische Wirtschaftsmagazin „Caixin“. Beide seien einander nahegestanden.

Unter Congs Führung habe ICBC Financial Leasing 2017 einen Kredit in Höhe von 200 Millionen US-Dollar (aktuell 187 Mio. Euro) an Renaissance vergeben, den das Unternehmen nach seinem Börsendebüt ein Jahr später zurückgezahlt habe, berichtete „Caixin“. Der Milliardär habe Cong im Juli 2020 zu Renaissance geholt und dort zum Präsidenten gemacht. Bao, der früher Banker bei Morgan Stanley und der Credit Suisse Group war, gilt als einer der profiliertesten Dealmaker Chinas.

Regelmäßige Antikorruptionskampagnen

Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping nutzt regelmäßig Antikorruptionskampagnen, um sich tatsächlicher oder vermeintlicher Widersacher zu entledigen. Häufig tauchen verschwundene Partei- oder Unternehmensführer Monate später vor Schaugerichten wieder auf und werden zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Laut dem Magazin „Forbes“ widerfuhr dieses Schicksal mindestens einem halben Dutzend Milliardären.

Ihre Firmen hatten in kurzer Zeit enormen Reichtum und gesellschaftlichen Einfluss aufgebaut und stellten somit eine Bedrohung für die Vormachtstellung der Kommunistischen Partei dar. Erst vor einigen Tagen hatte der Immobilienentwickler Seazen Group mitgeteilt, dass das Unternehmen seinen Vizevorsitzenden Qu Dejun nicht erreichen könne.

Kein Einzelfall

Für große Aufmerksamkeit sorgte vor einigen Jahren der Fall von Guo Guangchang, Mitbegründer des größten Mischkonzerns der Volksrepublik, Fosun, der Ende 2015 für einige Tage verschwand. Auch er half seiner Firma zufolge den chinesischen Behörden bei Ermittlungen. 2017 wurde der chinesisch-kanadische Geschäftsmann Xiao Jianhua Berichten zufolge von Pekinger Polizisten in Zivil festgenommen. 2022 wurde er wegen Korruption zu 13 Jahren Haft verurteilt.

Wenn Bao Glück hat, droht ihm „nur“ das Schicksal des Alibaba-Gründers Jack Ma, Chinas wohl prominentesten Tech-Unternehmers. Auch er war von Oktober 2020 bis Jänner 2021 aus der Öffentlichkeit verschwunden. Als er wieder auftauchte, zog er sich aus dem Tagesgeschäft seiner Firmen zurück. Vermutet wurde damals ein Zusammenhang mit kritischen Äußerungen des Unternehmers über die chinesischen Behörden. Ma tritt seither nur noch selten öffentlich in Erscheinung. Zuletzt wurde er in Japan gesichtet.

Xis Vorbild für Superreiche

In China liegt gigantischer Reichtum in Händen weniger, während weite Teile der Bevölkerung arm sind. So hat China der „New York Times“ zufolge zwar mehr Milliardäre als die USA, 600 Millionen Chinesen verdienen aber monatlich umgerechnet nur 150 Dollar – oder weniger. Vor diesem Hintergrund machte Xi unlängst klar, was er von den Superreichen erwartet.

Bei einem Besuch einer Ausstellung über Zhang Jian stellte Xi diesen als leuchtendes Vorbild dar. Der 1926 gestorbene Industrielle wird von der Staatspropaganda gern als beispielgebend geschildert und als glühender Patriot und Wohltäter, der in seiner Heimatstadt Schulen, Straßen, Waisenheime, Krankenhäuser und Bibliotheken gebaut habe, verehrt.