Leerstehende Dachterrassenwohnung in Wien
ORF.at/Carina Kainz
Wegen ÖVP-Forderung

Mietpreisbremse: Einigung droht zu platzen

Die Einigung auf eine Mietpreisbremse, die die starken Steigerungen der Richtwertmieten abfedern sollte, droht zu platzen. Die ÖVP fordere einen Freibetrag von 500.000 Euro bei der Grunderwerbssteuer als Bedingung für die Zustimmung, berichteten das Ö1-Morgenjournal und weitere Medien am Freitag. Der Ärger beim grünen Koalitionspartner ist groß, denn es seien bei diesem Vorschlag zu viele Fragen offen.

Die steuerfreien 500.000 Euro würden auch Leute lukrieren, die sich eine Millionenvilla kaufen. Zudem fehle die Gegenfinanzierung. Da gehe es um dreistellige Millionenbeträge, die ausfielen, so die Grünen laut Ö1-Morgenjournal. Laut Finanzministerium handelt es sich um keine neue Forderung: Die Vorschläge zur Grunderwerbssteuer seien bereits vor Monaten an den Koalitionspartner übermittelt worden, hieß es gegenüber der APA.

Die Richtwertmieten orientieren sich am Verbraucherpreisindex, der an die Inflationsrate gekoppelt ist. Da die Inflation derzeit hoch ist, droht mit 1. April eine Mieterhöhung im Ausmaß von 8,6 Prozent. Ein zuletzt diskutiertes Modell einer Mietpreisbremse sah vor, die Richtwertmieten nicht heuer, sondern in den kommenden drei Jahren insgesamt höchstens um 8,6 Prozent steigen zu lassen.

Für 2023 hätte die Erhöhung gesetzlich bei 3,8 Prozent gedeckelt werden sollen, ebenso in einer zusätzlichen Erhöhung 2024, im Folgejahr dann bei einem Prozent. Dafür sollten Vermieter mehr Geld für thermische Sanierung bekommen, etwa in Form eines Absetzbetrages, so die „Presse“ (Freitag-Ausgabe).

ÖVP-Verhandler sieht auch Vermieterseite

„Die Aufteilung der Erhöhung der Richtwertmieten auf drei Jahre wäre eine sinnvolle Lösung in einer höchst schwierigen Situation“, schrieb WIFO-Chef Gabriel Felbermayr am Freitag auf Twitter. Die Förderung der thermischen Sanierung ist aus seiner Sicht ein taugliches Gegengeschäft. „Grundsteuer und Grunderwerbssteuer gehören reformiert. Aber im Rahmen des Finanzausgleichs und als Teil eines Pakets“, so Felbermayr.

ÖVP-Verhandler Andreas Ottenschläger sagte gegenüber der APA, dass seine Partei bei der Mietpreisbremse für zwei Jahre eingetreten sei. Die Grünen wollten die Erhöhung dem Vernehmen nach über drei Jahre strecken. Ottenschläger betonte, dass die Erhöhung in dieser Dimension für manche Haushalte sicher eine Herausforderung sei, andererseits müssten sich auch die Vermieter auf die geltenden Regeln verlassen können.

Zudem kämen auf diese etwa in Sachen thermischer Sanierung entsprechende Herausforderungen zu. Diesbezüglich plädierte die ÖVP für eine Sanierungsoffensive unter anderem mit attraktiveren Abschreibungsmöglichkeiten. Hier sei man mit den Grünen auch nahe beisammen gewesen, so der ÖVP-Verhandler.

Finanzministerium: Geht um generelles Wohnpaket

Auch laut Finanzministerium handelt es sich um keine neue Forderung, die Vorschläge zur Grunderwerbssteuer seien bereits vor Monaten an den Koalitionspartner übermittelt worden, hieß es gegenüber der APA. „Es muss um mehr gehen als um Mieten, man muss auch an die anderen denken, die nicht in Richtwertmieten wohnen“, sagte Rupert Reif, Pressesprecher des Finanzministers Magnus Brunner (ÖVP), zur APA.

Nur geschätzt 300.000 bis 400.000 Mieten in Österreich zählten zu den Richtwerten, drei Viertel davon seien Altbaumieten in Wien, hieß es weiter aus dem Finanzministerium. Es gehe vielmehr um ein generelles Wohnpaket, ein Teil davon sei die Mietpreisbremse.

Mietpreisbremse könnte platzen

Die Verhandlungen über eine Mietpreisbremse dürften platzen, weil die ÖVP eine Abfederung der Mieterhöhungen mit einem Freibetrag bei der Grunderwerbssteuer kombinieren wollte. Die Grünen sind dagegen, weil auch Käufer und Käuferinnen teurer Immobilien einen Nutzen daraus ziehen würden.

Kogler: „Wichtig und richtig, dämpfend einzugreifen“

Angesprochen auf die Rufe nach einer Mietpreisbremse möglichst vor April erinnerte Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) in einer Pressekonferenz am Donnerstag erneut an die aktuell laufenden Gespräche auf parlamentarischer Ebene. „Es ist nicht mehr ewig Zeit“, räumte er ein, er könne sich aber nicht auf einen Tag festlegen, wann die Bremse tatsächlich kommen könnte.

Er selbst finde es „wichtig und richtig, dämpfend einzugreifen“, und zwar, um den Menschen zu helfen, aber auch wegen der gesamtwirtschaftlichen Effekte, was die Preisspirale betreffe. Doch auch den Immobilieneigentümern gab er eine Botschaft mit, nämlich: „Fürchtet euch nicht!“ Für diese werde es für die Zukunft natürlich Investitionsanreize geben müssen, auch wenn sie derzeit nicht so rasant von Kostensteigerungen betroffen seien wie die Mieter.

Scharfe Kritik der Opposition

Die Opposition kritisierte das Platzen der Mietpreisbremse. Eine halbe Million Mieterinnen und Mieter würden „eiskalt im Stich gelassen“, kritisierte SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner zu Mittag auf Twitter. Es sei „ein Trauerspiel“, dass sich Türkis-Grün trotz Rekordinflation nicht auf eine Mietpreisbremse einigten.

Türkis-Grün habe abgewirtschaftet, so SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried. Er sprach von einer „sozialpolitischen Katastrophe“. Während Millionen Menschen nicht mehr wüssten, wie sie ihre Wohnung oder ihre Heizung zahlen sollen, verteile die Regierung Milliarden an Unternehmenshilfen, und die ÖVP wolle jetzt noch „zusätzliche Steuergeldgeschenke für die, die sich eine Villa kaufen können, und damit das Geschäft der Immobranche ankurbeln“, so Leichtfried. An die Grünen machte er in seiner Aussendung ein Angebot für einen Beschluss einer Mietpreisbremse schon nächste Woche.

Die FPÖ sieht in dem Platzen ebenfalls ein großes Problem. „Jetzt ist die Katze aus dem Sack: Die ÖVP wollte Mieter niemals vor der Inflation schützen“, so FPÖ-Bautensprecher Philipp Schrangl. „Offenbar hat man nach einem Scheinargument gesucht, um die Verhandlungen für eine Mietbremse platzen lassen zu können. Anders lässt sich das Verhalten der Volkspartei nicht erklären. Man verfolgt eiskalt das Geschäft der Immobilienspekulanten – auf dem Rücken der Mieter“, so Schrangl.

ÖGB und AK: Nicht hinnehmbar

Die Arbeiterkammer stieß ins selbe Horn wie die Opposition: „Hunderttausenden Mieterinnen und Mietern droht ab April die Erhöhung ihrer Wohnkosten, die sie in ihrer Existenz bedrohen. Die Regierung muss jetzt handeln“, so AK-Präsidentin Renate Anderl. Jetzt sei keine Zeit für Streitereien. Auch die Volkshilfe kritisiert die Regierung. Die Absage einer Mietpreisbremse durch die Regierung sei dramatisch und werde Delogierungen und soziales Elend auslösen. Kritik kam auch aus der Salzburger AK – mehr dazu in salzburg.ORF.at.

Ein Aus der Mietpreisbremse sei nicht hinnehmbar, so der ÖBG am Freitag in einer Aussendung. Das vorläufige Scheitern der Mietpreisbremse sei eine „Katastrophe für mindestens 400.000 Haushalte in Österreich, deren Miete in wenigen Wochen noch einmal deutlich in die Höhe schnellen könnte“, so ÖGB-Vizepräsidentin Korinna Schumann.

„Es gibt Wege, die Mietpreisspirale zu durchbrechen. Wir brauchen eine Regelung für sämtliche Mietwohnungen“, so Schumann. Die politisch Verantwortlichen müssten nur das Steuer in die Hand nehmen und kräftig auf die Bremse steigen.

Immobilienwirtschaft gegen Mietpreisbremse

Die Mietervereinigung sieht im Scheitern der Mietpreisbremse ein Totalversagen der Regierung. „Es ist nicht zu fassen, dass die ÖVP offenbar auf Kosten der Mieterinnen und Mieter in Österreich bis zuletzt eiskalt um Klientelpolitik pokert“, so Georg Niedermühlbichler, Präsident der Mietervereinigung Österreichs (MVÖ).

Michael Pisecky, Obmann der Fachgruppe Immobilien- und Wirtschaftstreuhänder Wien, wandte sich gegen Mietpreisbremsen. Aus seiner Sicht greife die aktuelle politische Diskussion zu kurz, indem sie sich einseitig auf eine vermeintliche Mietpreisbremse konzentriere.

„Leistbares Wohnen braucht intelligente, ganzheitliche Lösungen, wozu auch verstärkte Treffsicherheit im sozialen Wohnbau gehört“, so Pisecky, der die Bestrebungen kritisierte, Genossenschaftswohnungen, die eigentlich für sozial Bedürftige gedacht sind, in gewinnbringende Anlegerwohnungen für Investoren umzuwandeln. Die Aushöhlung des sozialen Wohnbaus sei ein wahrer Wohnkostentreiber.