Kai Jan Krainer mit dem SPÖ-Fraktionsbericht zum OeVP-Korruptions-U-Ausschuss
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U-Ausschuss-Bericht

SPÖ sieht „systematische“ ÖVP-Korruption

Die SPÖ hat am Freitag ihren Fraktionsbericht im ÖVP-Korruptionsuntersuchungsausschuss präsentiert. Er trägt den Titel „So korrupt ist die ÖVP“ und bereitet auf 56 Seiten das aus Sicht der SPÖ im parlamentarischen Untersuchungsgremium zutage Geförderte aus. Im U-Ausschuss habe man Einblick in einen „systematischen Missbrauch des Staates“ erhalten, resümierte SPÖ-Fraktionsführer Kai Jan Krainer bei der Präsentation vor Journalisten.

Nach dem „Ibiza“-U-Ausschuss habe sich die Frage gestellt, „wie korrupt ist die ÖVP wirklich?“, so Krainer: „Waren es nur Einzelfälle, oder haben wir es hier mit einem System zu tun?“ Nach einem Jahr und vier Monaten ÖVP-Korruptionsuntersuchungsausschuss wisse man nun: „Ja, wir haben es hier mit systematischer Korruption zu tun und nicht mit irgendwelchen Einzelfällen.“

Etwa im Bereich der Umfragen: Über das „Beinschab-Österreich-Tool“ seien Dutzende Personen an der „Umfragekorruption“ beteiligt gewesen. Und mit dem „Demox-Unterhuber-Tool“ seien Umfragen über die Ministerien hinweg zentral gesteuert worden, rein nach parteipolitischen Gesichtspunkten und finanziert mit Steuergeld, monierte Krainer. Unter anderem wurden von den Ministerien Politikerprofile und die Oppositionsarbeit abgefragt. „Die Ergebnisse sind niemals in irgendeine Abteilung eines Ministeriums gegangen.“

Statement von SPÖ-Fraktionsführer Krainer

Der SPÖ-Fraktionsführer im ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss, Kai Jan Krainer, hat im Rahmen einer Pressekonferenz den Fraktionsbericht seiner Partei präsentiert.

Kritik an Covid-Hilfen für ÖVP-Vereine

Analog habe es sich beim Umgang mit Steuergeld verhalten. Von den Covid-Hilfen habe die ÖVP über Vereine möglichst viel in die eigene Parteikasse umgeleitet. Offenbar sei die ÖVP der Ansicht, dass die Steuergesetze für alle in diesem Land gelten, nur nicht für die Volkspartei, meinte Krainer mit Blick auf die Steuernachzahlungen des ÖVP-Wirtschaftsbundes in Vorarlberg.

Gelernt habe man im U-Ausschuss auch, „dass es für Superreiche neben (den Steuerberatungskanzleien, Anm.) KPMG und PWC auch noch die ÖVP gibt“, spielte Krainer auf die Steuercausen von Unternehmer Siegfried Wolf und Investor Rene Benko an. Auftragsvergaben seien immer von der politischen Ebene entschieden worden. Immer seien dieselben Firmen nach genau derselben Methode zum Zug gekommen.

Noch keine "schonungslose Aufarbeitung

Die Arbeit sei noch nicht getan, so Krainer. Nach wie vor sei keine „schonungslose Aufarbeitung“ passiert. Die ÖVP blockiere immer noch, etwa rücke das Kanzleramt beharrlich keine E-Mails heraus. „Das Amtsgeheimnis muss weg“, forderte Krainer. „Wir brauchen endlich ein Informationsfreiheitsgesetz.“ Zudem müssten die Dokumentationspflichten ausgedehnt werden. Das Archivgesetz werde nämlich von der ÖVP mit Füßen getreten.

Auch eine Reform der Verfahrensordnung sei nötig. Neben den vielzitierten Liveübertragungen müsse darüber gesprochen werden, „wie man verhindern kann, dass jemand wie (Nationalratspräsident Wolfgang, ÖVP, Anm.) Sobotka den Vorsitz führt“. Dieser habe mit seinem Agieren der Institution geschadet. Überhaupt habe die ÖVP das Minderheitenrecht torpediert, indem sie Befragungstage in der Verlängerung des U-Ausschusses verhindert habe. „Wir müssen darüber nachdenken, wie wir eine derartige Blockade in Zukunft verhindern können.“

ÖVP-Fraktionsführer Andreas Hanger erklärte in einer Aussendung, dass die SPÖ-Bilanz „wenig Überraschendes“ beinhalte. „Behauptungen werden auch dann nicht richtig, wenn man sie immer wieder von sich gibt“, so Hanger. Er rate dazu, die Versuche einer Uminterpretation der Ausschussergebnisse einzustellen. „Stattdessen sollten wir uns dringend und konstruktiv einer Reform der Verfahrensordnung widmen, damit ein solcher Ausschuss in dieser Form nicht mehr passieren kann.“

Grüne: „Protokoll einer großen Täuschung“

Die Bilanz der Grünen zum U-Ausschuss wurde Anfang Februar präsentiert. Laut Fraktionsführerin Nina Tomaselli findet sich darin das „akribische Protokoll einer großen Täuschung“, wie auch der Titel des Berichts lautet. Man habe „genau aufgezeigt, wie ein kleiner türkiser Machtzirkel rund um Ex-Kanzler Sebastian Kurz das ganze Land getäuscht hat“.

„Sie haben manipuliert, mit frisierten Umfragen und mit Steuergeld finanzierten Inseraten“, so die grüne Fraktionsführerin bei der Vorstellung des Berichts. Das „Beinschab-Tool“ habe beinahe europaweit Bekanntheit erlangt.

Nun gehe es darum, das verloren gegangene Vertrauen in die Politik zurückzugewinnen. Der U-Ausschuss habe einiges dafür geleistet und habe schon während seiner Laufzeit eine „sehr gute Wirkung“ entfalten können, Tomaselli verwies auf zahlreiche Rücktritte etwa von Kurz und den ÖVP-Ministern Gernot Blümel und Elisabeth Köstinger.

NEOS fordert Öffentlichkeit

NEOS forderte als Konsequenz des U-Ausschusses künftig mehr Öffentlichkeit. Damit solle dem „demokratiepolitischen Trauerspiel“ ein Ende gesetzt werden, wie Fraktionsführerin Stephanie Krisper in ihrer Pressekonferenz Ende Jänner ausführte. Sie forderte außerdem ein „scharfes und treffsicheres“ Korruptionsstrafrecht und den unabhängigen Bundesstaatsanwalt.

Auch verlangte sie ein Informationsfreiheitsgesetz, „bei dem wir zwar laufend Ankündigungen hören, aber keine Schritte sehen“. Für das Schließen der Korruption – das Krisper als großes Ziel von NEOS ausrief – brauche es auch transparentere Postenvergaben und öffentliche Hearings bei Beamtenposten. Klar sei, dass es „eine Generalsanierung“ brauche. „Einfach nur drüberpinseln reicht da nicht aus“, sagte Krisper. Mit „klein-klein“ werde man das Vertrauen der Bevölkerung nicht zurückholen können, das auch das unrühmliche Ende des U-Ausschusses nicht befördert habe.

Vorläufiger Abschlussbericht vorgelegt

Mitte Februar übermittelte Sobotka den Fraktionen den vorläufigen Abschlussbericht des U-Ausschusses. Auf mehr als 500 Seiten schilderte Verfahrensrichter Wolfgang Pöschl darin seine Wahrnehmungen über die vergangenen Monate. Pöschl verwies in seinem Bericht gleich mehrmals auf die vorangegangene Aufklärung im „Ibiza“-U-Ausschuss.

Im Wesentlichen hielt der Jurist aber fest, dass man vieles nicht zu 100 Prozent beweisen könne. Gründe dafür würden darin liegen, dass bestimmte Personen nicht geladen worden seien, keine Wahrnehmungen hatten oder ihre Aussagen erfolgreich verweigerten.

FPÖ sieht Forderung nach Fortführung bestätigt

FPÖ-Fraktionsführer Christian Hafenecker sah den Bericht als Bestätigung seiner Forderung nach einer Fortführung des U-Ausschusses. Justizministerin Alma Zadic (Grüne) habe es „in ihrer bald vierjährigen Amtszeit nicht zuwege gebracht, durchgreifende Reformen und Veränderungen zu setzen“, und damit das durch „zahlreiche SMS-Nachrichten im Stile von ‚Wer vorbereitet Gernot‘ oder mit dem ehemaligen Justizminister und VfGH-Richter Wolfgang Brandstetter“ zerstörte Vertrauen der Bevölkerung in eine unabhängige Justiz wiederherzustellen.

ÖVP fühlt sich entlastet, Verfahrensrichter widerspricht

Die ÖVP fühlte sich durch den Bericht des Verfahrensrichters entlastet. „Fehlleistungen Einzelner können nicht auf eine ganze Wertegemeinschaft übertragen werden“, resümierte ÖVP-Fraktionsführer Hanger. Zentral sei ihm zufolge dabei unter anderem, dass der Verfahrensrichter keine politische Einflussnahme auf Ermittlungsverfahren durch mit der ÖVP verbundene Personen feststellen konnte.

„Damit wird nun endlich auch aus der objektiven Sicht des Verfahrensrichters mit dem ständig wiederholten Märchen von diesbezüglichen Netzwerken in der Justiz bzw. politischen Eingriffen in deren Arbeit aufgeräumt“, so Hanger. Die Vorwürfe gegen seine Partei hätten sich in Luft aufgelöst.

Dem widersprach Verfahrensrichter Pöschl allerdings im Interview mit Ö1: „Es wurde sicherlich Korruption festgestellt, wenn auch nicht im erwarteten Ausmaß.“ Korruption sei überall wahrzunehmen, so auch bei Postenbesetzungen und Inseratenvergabe, so Pöschl. Der Bericht konnte hier aber nicht in die Tiefe gehen, weil das Strafverfahren zuständig sei und man nicht vorverurteilen wolle.