Menschen in einem Büro
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Pilotprojekt gefordert

Gewerkschaftsvorstoß für Viertagewoche

Die Debatte über Arbeitszeit geht weiter. Nachdem ÖVP-Arbeits- und -Wirtschaftsminister Martin Kocher am Sonntag in der ZIB2 seine Forderung nach einer Attraktivierung von Vollzeitarbeit erneuert hatte, machte sich die Gewerkschaftsseite am Montag für die Viertagewoche stark. SPÖ-Gewerkschafter Josef Muchitsch sprach sich gegenüber Ö1 für einen Pilotversuch nach britischem Vorbild aus.

Die Einführung einer 36-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich ist eine zentrale Gewerkschaftsforderung bei den diese Woche gestarteten KV-Verhandlungen im Bereich der Kreditinstitute. Die Arbeitgeberseite sei davon wenig begeistert, berichtete Ö1. Die Bankenbranche ist aber nicht der einzige Bereich, in dem sich Gewerkschaften die Viertagewoche vorstellen können.

Der Vorstoß kommt nicht nur vonseiten der sozialdemokratischen Gewerkschaftsgruppen. Auch der Bundesvorsitzende der Fraktion Christlicher Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter (FCG), Norbert Schnedl, sprach sich dafür aus. „Das ist nicht ungewöhnlich, weil wir für die Interessen aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eintreten“, sagte Schnedl am Montag gegenüber dem Ö1-Morgenjournal.

Britische Studie zeigte positive Effekte

Für die Forderung gibt es laut Schnedl nun einen guten Grund: Eine in der Vorwoche veröffentlichte Studie aus Großbritannien zeigte positive Ergebnisse der Viertagewoche. Mitarbeitende sind laut Studie seltener krank, wechseln seltener den Job, sind zufriedener und weniger gestresst. Die Produktivität litt nicht unter der Viertagewoche. 56 der 61 Firmen aus verschiedensten Branchen, die am Pilotprojekt teilnahmen, wollen bei kürzeren Arbeitszeiten bleiben – mehr dazu in science.ORF.at.

Muchitsch, designierter Vorsitzender der Fraktion Sozialdemokratischer GewerkschafterInnen (FSG), wünscht sich ein ähnliches Projekt in Österreich. Firmen aus unterschiedlichen Branchen sollten sich an so einem Pilotversuch beteiligen. Dieser solle begleitet und evaluiert werden, aus den gesammelten Erfahrung könnten dann die nächsten Schritte abgeleitet werden, sagte Muchitsch gegenüber Ö1.

Für ihn führt an Arbeitszeitverküzung angesichts der Lage auf dem Arbeitsmarkt kein Weg mehr vorbei: „Wenn man gute Leute in diesen Firmen und Branchen halten will, ist dieser Zug nicht aufzuhalten.“ Als erste Partei Österreichs plant die SPÖ unterdessen die Einführung einer Viertagewoche. Laut Ö1 wird noch mit dem Betriebsrat verhandelt, man wolle aber mit gutem Beispiel vorangehen, hieß es.

Klar ist für beide Gewerkschafter, dass die Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich verkürzt werden soll. Muchitsch regte eine Reduktion der Arbeitszeit auf zunächst 36 Stunden pro Woche an – über alle Branchen gesehen. Schnedl nannte gegenüber Ö1 ein IT-Unternehmen, das auf eine 32-Stunden-Woche umgestellt habe, sowie eine Jobplattform, „die das in Wien sehr erfolgreich gemacht hat“. „Da gibt es gute Beispiele, und das heißt, dass auf Sozialpartnerebene natürlich die entsprechenden Regelungen getroffenen werden können – und das funktioniert auch“, so Schnedl weiter.

Ökonomin: „Reduktion kontraproduktiv“

Der aktuellen Diskussion wenig abgewinnen kann die Ökonomin Monika Köppl-Turyna vom wirtschaftsliberalen Forschungsinstitut Eco Austria. Das Arbeitsvolumen sei zuletzt nicht nach oben gegangen, sagte die Ökonomin im Ö1-Morgenjournal. Die Reduktion der Arbeitszeit wäre daher kontraproduktiv und würde den Arbeitskräftemangel verstärken. „Im Endeffekt geht es darum, dass genug gearbeitet und geleistet wird, um den Sozialstaat zu erhalten“, so die Ökonomin.

Eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich sei für sie in einzelnen Branchen vorstellbar. Dazu zählten etwa die Kreativbranche, Managementberufe und Dienstleistungsberufe mit hohem Digitalisierungsanteil. „Was ein Problem sein kann, ist, wenn man das mit einem Schlag quer durch alle Branchen einführt.“

„Nehmen wir andere Branchen, die die Gewerkschaft aus gutem Grund nicht anführt: Ein Polizist kann nicht mehr die Produktivität erhöhen, eine Lehrerin auch nicht. Gesundheitsberufe, die jetzt schon unter hohem Druck stehen, können nicht in 30 Stunden genauso viel leisten wie in 40 Stunden.“ Auch in Industriebetrieben gebe es nicht die entsprechenden Effizienzpotenziale.

Werde das Modell einer Arbeitszeitverkürzung quer durch alle Branchen umgesetzt, erwarte sie, dass der Druck auf das Personal steige und es daher auch keine positiven gesundheitlichen Aspekte geben werde. Komme es zu keinem Produktivitätsanstieg, sei ein Lohnanstieg auf Dauer nicht zu erwarten. „Schließlich werden wir für unsere Produktivität bezahlt.“

Kocher verweist auf demografischen Wandel

ÖVP-Wirtschafts- und -Arbeitsminister Kocher erneuerte in der ZIB2 am Sonntag indes seine Forderung, Vollzeitarbeit attraktiver und Teilzeitarbeit weniger attraktiv zu machen. Kochers Forderung hatte für teilweise scharfe Kritik von Vertreterinnen und Vertretern der Arbeitnehmenden gesorgt.

ÖVP-Arbeitsminister Kocher zu Teilzeitarbeit

ÖVP-Arbeitsminister Martin Kocher war zu Gast im Studio und sprach über Teilzeitarbeit in Österreich. Mit seiner Andeutung zur möglichen Kürzung von Sozialleistungen für Teilzeitbeschäftigte hatte er eine politische und gesellschaftliche Debatte ausgelöst.

In der ZIB2 erklärte der Minister, es sei ihm nicht darum gegangen, Menschen etwas wegzunehmen. Menschen mit Betreuungspflichten – also vor allem Mütter und generell Frauen – und solche mit Gesundheitseinschränkungen sollen nicht von eventuellen Verschlechterungen bei Teilzeit betroffen sein, betonte Kocher neuerlich. Bei diesen Gruppen solle die steuerliche Begünstigung von Teilzeit erhalten bleiben.

Kocher verwies auf die demografische Entwicklung. Viele würden in den nächsten Jahren in Pension gehen, gleichzeitig bräuchten Unternehmen mehr Arbeitskräfte. Es gebe jetzt schon eine „große Knappheit“, und beim „nächsten Aufschwung wird diese noch stärker werden“.

IV-Präsident: Anreize statt Verbote

Der Präsident der Industriellenvereinigung (IV), Georg Knill, sprach sich indes am Sonntag in der ORF-„Pressestunde“ dafür aus, mit Anreizen statt Verboten zu arbeiten, um mehr Menschen in die Vollzeitarbeit zu bringen. Dazu zählen etwa steuerliche Maßnahmen sowie bessere Kinderbetreuung, so Knill.

IV-Präsident Knill fordert Anreize für Vollzeitjobs

Georg Knill, Präsident der Industriellenvereinigung, war am Sonntag zu Gast in der „Pressestunde“ und hat über die wirtschaftliche Situation in Österreich gesprochen. Hinsichtlich der Debatte um die Teilzeitarbeit fordert er mehr Anreize für Vollzeitjobs.

Knill sah Vollzeitbeschäftigte derzeit steuerlich im Nachteil, der Umstieg auf Vollzeit müsse sich aber finanziell auszahlen. Auch ältere Arbeitnehmer seien „durchaus punktuell“ bereit, länger als zum Pensionsantrittsalter zu arbeiten, doch auch sie seien steuerlich im Nachteil. Ein Schlüssel, um Vollzeit zu forcieren, sei auch die Kinderbetreuung.