Skiwelt Wilder Kaiser – Brixental
Valentina Debiasi
Bilanz

Winter im On-off-Modus

Der warme Winter verdeutlicht es: Selbst in Lagen um 1.000 Meter Höhe gibt es mittlerweile keine durchgehende Schneesicherheit mehr, manche Skigebiete stoßen an ihre Grenzen. Phasenweise war der Winter warm wie ein Frühling. Während die letzten Monate im Westen sehr trocken ausfielen, war es im Südosten überdurchschnittlich feucht. Die Windkraft feierte im Februar indes Rekorde bei der Stromproduktion.

Weiße Skipisten in grün-brauner Landschaft – das ist wohl jenes Bild, das von diesem Winter am ehesten in Erinnerung bleiben wird. Die schmalen Kunstschneebänder prägten die Weihnachtsferien in vielen Wintersportorten. Der Jahreswechsel war der wärmste in der über 250-jährigen Messgeschichte in Österreich.

Nach ein paar winterlichen Wochen kehrten die Schneebänder im Februar zurück. Extremes Tauwetter ließ mitten in den Semesterferien die vielerorts nur dünne Naturschneedecke neben den Pisten wieder schmelzen. Dabei ist der Februar durchschnittlich die schneereichste Zeit des Jahres. Heuer war er es angesichts von Temperaturen über 20 Grad nicht.

Skiwelt Wilder Kaiser – Brixental
Valentina Debiasi
Weiße Kunstschneebänder dominierten in vielen Skigebieten zu Weihnachten und in den Semesterferien

Sechstwärmster Winter der Messgeschichte

Der meteorologische Winter 2022/23 war in Österreich der sechstwärmste seit Messbeginn, wie es von der GeoSphere Austria (ehemals ZAMG) heißt. Die Temperaturabweichung der Monate Dezember, Jänner und Februar betrug im Tiefland 1,6 Grad im Vergleich zum Mittel 1991 bis 2020. Gar 2,8 Grad war es heuer wärmer als im Mittel der Jahre 1961 bis 1990, die noch weniger von der Klimakrise beeinflusst waren.

Den Temperaturhöhepunkt des Winters markierten 22,1 Grad am 21. Februar in Güssing (Burgenland), nur einmal war es im Burgenland im Winter jemals wärmer. Wenige Tage davor stellte Innsbruck mit 21,7 Grad einen neuen Winterrekord für Tirol auf – mehr dazu in tirol.ORF.at. Und so mancher Ort erlebte seine jemals wärmste Winternacht, etwa Krems an der Donau (Niederösterreich).

Winterliche Hitzewelle

Ein Fall für die Geschichtsbücher war auch der Jahreswechsel, und das weit über Österreich hinaus. Der Klimatologe Maximiliano Herrera sprach auf Twitter von „der Mutter aller Extremwetterereignisse in Europa“. Hunderte Rekorde wurden in einer beispiellosen Wetterlage pulverisiert, als sich außergewöhnlich warme Luft auf fast den ganzen Kontinent ausbreitete. In Frankreich und Spanien wurden bis zu 25 Grad gemessen, selbst in der polnischen Hauptstadt Warschau 18,9 Grad. Damit wurde der Jänner-Höchstwert für Warschau um ganze fünf Grad überschritten.

Marc Olefs, der an der GeoSphere Austria die Abteilung Klima-Folgen-Forschung leitet, spricht von einer winterlichen Hitzewelle. Genau diese Art von Ereignissen wird im Zuge des menschengemachten Klimawandels immer häufiger: „Nach und nach werden die Klimatologien aller Länder neu geschrieben werden, denn die physikalische Wirkung unserer fossilen Emissionen kennt keine politischen Grenzen.“

Klimabilanz: Winter war trocken

Laut der vorläufigen Klimabilanz der GeoSphere Austria war heuer ein überdurchschnittlich warmer und in vielen Regionen niederschlagsarmer Winter. Das könnten bereits die Vorboten für einen sehr trockenen Sommer sein.

19,7 Grad zeigte das Thermometer am Neujahrstag in Puchberg am Schneeberg (Niederösterreich). Nicht nur das dortige Skigebiet hatte keine leichte Saison. Manche Lifte mussten in den Weihnachtsferien den Betrieb einstellen, denn auch der Kunstschnee reichte nicht aus. In St. Corona, ebenfalls in Niederösterreich, öffnete die Sommerrodelbahn. In Faschina (Vorarlberg) wurden aufgrund des Schneemangels Plastikmatten in die Aufstiegsspur des Schlepplifts gelegt.

Ein Kommen und Gehen des Winters

Dabei hatte der Winter für Fans von Kälte und Schnee noch verheißungsvoll begonnen. Mitte Dezember waren weite Teile Österreichs weiß, und vielerorts war es so kalt wie seit Jahren nicht mehr. Auf dem Salzburger Flughafen wurden minus 15 Grad gemessen, der tiefste Wert im Dezember seit fast 20 Jahren.

Der Winter war ein Kommen und Gehen, nichts Dauerhaftes, Kältewellen fielen kurz aus. Dagegen war es wochenlang mild wie im Frühling. In Bregenz gab es von 20. Dezember bis 16. Jänner keinen Frost. 28 Tage und Nächte lagen die Temperaturen durchgehend im Plus. Das ist beispiellos und hat es noch nie vorher gegeben.

Immer weniger Frost

Minusgrade sind ein zentrales Element des Winters in Österreich. Doch dieser Winter zeigt ähnlich wie schon die letzten: In den Niederungen ist Frost mancherorts fast schon eine Ausnahme. So war in Wien, Eisenstadt und Linz nur etwa jede dritte Nacht dieses Winters frostig, an der Wetterstation in der Wiener Innenstadt fiel die Temperatur gar nur in 20 Nächten unter null Grad.

Unterdurchschnittlich war auch die Anzahl an Eistagen. Das sind Tage, an denen die Temperatur durchgehend unter dem Gefrierpunkt bleibt. Klagenfurt war mit elf Eistagen noch die Landeshauptstadt mit den meisten, doch auch das waren weniger als halb so viele wie im langjährigen Schnitt. Kein Wunder, dass neben dem Weißensee in Kärnten nur wenige Seen zum Eislaufen freigegeben werden konnten.

Blick in den Wienerwald
ORF/Daniel Schrott
Im Wienerwald war es im Jänner vorübergehend tiefwinterlich

In Wien mehr Schnee als in Innsbruck

Auch der Schnee ist in Zeiten der Klimakrise mehr und mehr auf dem Rückzug. In Graz schneite es im ganzen Winter nur fünf Zentimeter, vier Tage lang war es weiß. Vor ein paar Jahrzehnten gab es selbst im Frühjahr noch mehr Schnee. Dabei war der Winter in der Steiermark ein überdurchschnittlich nasser. Fast der ganze Niederschlag kam aufgrund der hohen Temperaturen im Grazer Becken aber als Regen vom Himmel.

In Wien fielen von Dezember bis Februar immerhin 31 Zentimeter Schnee auf der Hohen Warte, fast doppelt so viel wie in Innsbruck, das einen der schneeärmsten Winter seiner Messgeschichte erlebte. Der Schnee blieb aber in Wien nie lange liegen, gerade einmal zwölf Tage waren auf der Hohe Warte schneebedeckt.

Der Grund ist auch hier bei den Temperaturen zu suchen. Ist es wärmer, schmilzt der Schnee früher. Darauf müsse man sich in Zukunft in Lagen unter 1.000 Metern häufiger einstellen, sagt Olefs. Die Verkürzung der Schneedeckendauer in Lagen unterhalb von rund 1.000 Metern sei die eindeutigste Folge der langfristigen Erwärmung.

Trockener Winter im Westen

Der Trend zu weniger Schnee war auch in vermeintlich schneesicheren Orten in den Alpen zu spüren. So war Bad Ischl (Oberösterreich), eigentlich ein „Schneeloch“, nur 22 Tage weiß. In Umhausen im Tiroler Ötztal wurden im ganzen Winter gerade einmal 22 Zentimeter Schnee gezählt. Hochfilzen (Tirol), Zell am See (Salzburg) und Gaschurn (Vorarlberg), normalerweise fast den ganzen Winter schneebedeckt, aperten mehrmals aus.

Der Westen Österreichs, vor allem Tirol, Vorarlberg und der Pinzgau, erlebten einen sehr trockenen Winter, mancherorts fiel dort nur halb so viel Niederschlag wie normal. Das hat auch Auswirkungen auf die heimischen Gletscher. Sie müssen auf ein schneereiches Frühjahr hoffen, sonst droht ihnen wie letztes Jahr ein dramatischer Sommer mit extremem Eisverlust.

Das Bild des heurigen Winters von weißen Kunstschneestreifen und daneben grünen Wiesen werde in Zukunft langfristig immer häufiger werden, sagt der Klimaforscher Olefs. Besonders extreme Jahre wie heuer seien ein Resultat der Überlagerung von natürlichen Schwankungen mit dem menschengemachten Klimawandel, und der verstärke sich mit jeder weiteren Tonne an emittierten Treibhausgasen.

Schneemassen in Eisenerz
Alena Zakova-Üblein
Sehr viel geschneit hat es Anfang Februar auch in Eisenerz (Steiermark)

Wie gewonnen, so zerronnen

Aber es gab in diesem Winter auch Regionen mit sehr viel Schnee, allen voran in Kärnten und der Steiermark. Auf der Koralpe und Packalpe schneite es im Jänner in nur zwei Tagen über einen Meter. In Ferlach im Rosental lagen zwischenzeitlich über 50 Zentimeter, so viel wie seit dem Jahr 2006 nicht mehr im Jänner. Auch Klagenfurt war vergleichsweise schneereich.

Anfang Februar traf es besonders die Obersteiermark. Auf dem Tamischbachturm, einem Berg im Gesäuse, fielen über anderthalb Meter Schnee. Der Raum Aflenz erlebte mit knapp einem Meter den stärksten Schneefall seit Jahrzehnten. Doch die nachfolgende Wärme, der Wind und der Sonnenschein ließen den ganzen Schnee innerhalb von nur zweieinhalb Wochen schmelzen.

Solche regional starken Schneefälle werde es auch in Zukunft geben, sagt Olefs. Die Winterniederschläge können sogar intensiver werden, so lassen es die neuesten Klimaszenarien vermuten. Über den ganzen Winter gesehen dominiert aber die Erwärmung, der Anteil des Regens nimmt zu. Somit dürfte in allen Höhenlagen die Schneemenge langfristig abnehmen, heißt es von der GeoSphere Austria.

Skiwelt Wilder Kaiser – Brixental
Valentina Debiasi
Die Hohe Salve in Tirol im Februar

Rekorde für die Windkraft

Fleißig drehten sich in diesem Winter die Windräder. Die meisten Windkraftanlagen in Österreich stehen in Niederösterreich und im Nordburgenland. Besonders die Zeit Anfang Februar war sehr windig, mehrere Sturmtiefs zogen über Österreich. In der ersten Woche im Februar wurden 400 Millionen kWh Windstrom erzeugt, so viel wie noch in keiner Woche zuvor in Österreich.

Der 4. Februar stellte auch einen neuen Tagesrekord auf. „Mit 71 Millionen kWh Windstrom wurde an diesem Tag so viel Strom erzeugt, wie 20.000 Haushalte in einem ganzen Jahr verbrauchen“, so Martin Jaksch-Fliegenschnee von der Interessengemeinschaft Windkraft Österreich.

Am 3. und 4. Februar wurden auch an einigen Wetterstationen neue Windrekorde für Februar aufgestellt, in Zeltweg (Steiermark) mit 108 km/h, in Golling (Salzburg), in Micheldorf in Oberösterreich und in Millstatt (Kärnten).