Frau arbeitet am Computer
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Keine „Gesamtantwort“

Weiter Debatte über Arbeitszeit

Neue Debattenbeiträge und Erhebungen nähren die Diskussion über eine generelle Arbeitszeitverkürzung. Eine solche wäre in einigen Branchen möglich, aber keine „Gesamtantwort“, sagte Johannes Kopf, Chef des Arbeitsmarktservice (AMS). Der am Dienstag veröffentlichte Arbeitsklimaindex der Arbeiterkammer (AK) OÖ zeigt ein ambivalentes Bild, was den Wunsch nach mehr bzw. weniger Stunden betrifft. Das gewerkschaftsnahe Momentum Institut ging indes der Frage nach, welche Einkommensschichten in den vergangenen Jahren verstärkt Stunden reduzierten.

AMS-Chef Kopf sprach sich am Montag in der ZIB2 angesichts des herrschenden Arbeitskräftemangels aktuell gegen eine generelle Verkürzung der Arbeitszeit aus. Die Situation sei anders als früher, heute gebe es „insgesamt zu wenige Leute“ auf dem Arbeitsmarkt, sagte Kopf. Die Arbeitslosenrate sei die niedrigste seit 15 Jahren – und werde auch im nächsten Jahr weiter sinken, so Kopf.

In manchen Branchen – IT oder Dienstleistungen – wären kürzere Arbeitszeiten denkbar. Auch „individuell“ könnten sie einzelnen Unternehmen helfen, mit attraktiveren Modellen leichter neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu finden. Aber die „Gesamtantwort“ könne die Arbeitszeitverkürzung nicht sein, wenn in vielen Bereichen Arbeitskräftemangel herrscht, meinte Kopf.

Johannes Kopf (AMS) über Arbeitszeitmodelle

Der Vorstand des Arbeitsmarktservice (AMS), Johannes Kopf, spricht über Vor- und Nachteile von verschiedenen Arbeitszeitmodellen.

Rütteln an Geringfügigkeitsgrenze

Für theoretisch sinnvoll hielt es der AMS-Chef, dass weniger Stunden pro Woche, dafür aber länger, über das jetzige Pensionsalter hinaus, gearbeitet wird. Das politisch umzusetzen wäre allerdings schwierig, räumte er ein.

Wichtig seien jetzt Anreize, damit Menschen länger arbeiten. Dazu gehöre vor allem auch die Frage der Kinderbetreuungskosten und -plätze. Überlegen sollte man zudem Änderungen etwa bei der Geringfügigkeitsgrenze. Diese sei mit 500 Euro relativ hoch. Man könnte erwägen, schon darunter Sozialversicherungsbeiträge („ungefähr 70 Euro“) zu verlangen, plädierte Kopf dafür, die Bevorzugung von Teilzeitarbeit im Abgaben- und Steuersystem zu überdenken.

Wunsch nach mehr und weniger Stunden

Der Arbeitsklimaindex der AK OÖ spiegelt unterdessen den Wunsch vieler Teilzeitkräfte nach mehr Stunden wider – Vollzeitkräfte wollen dagegen weniger lange arbeiten. Rund drei von zehn Frauen in Teilzeit wollen laut AK-Erhebung mehr Stunden arbeiten. Bei Männern in Teilzeit äußern sogar 37 Prozent diesen Wunsch. Auf der anderen Seite wollen aber viele Vollzeitbeschäftigte Stunden reduzieren. Unter vollzeitbeschäftigten Frauen tun das fast 40 Prozent, bei den Männern 30 Prozent.

„Hier schlummert viel Potenzial für eine fairere Verteilung der Arbeitszeit zwischen Vollzeit- und Teilzeitkräften“, so AK-OÖ-Präsident Andreas Stangl. Die Frauen, die gerne mehr arbeiten würden, hätten aktuell im Schnitt eine Wochenarbeitszeit von 27 Stunden und würden gerne sieben Stunden mehr arbeiten. Männer mit Wunsch nach einer Arbeitszeitverkürzung würden im Schnitt von 39 auf 32 Wochenstunden reduzieren wollen – mehr dazu in ooe.ORF.at.

Stärkere Stundenreduktion bei Besserverdienenden

Eine aktuelle Erhebung des gewerkschaftsnahen Momentum Instituts zeigt indes, dass unselbstständig Beschäftigte ihre Arbeitszeit in den vergangenen acht Jahren um durchschnittlich 0,9 Wochenstunden reduziert haben.

Wenig überraschend reduzierten Besserverdienerinnen und Besserverdiener ihre Arbeitszeit stärker als weniger gut verdienende Menschen in Österreich. Die größte Stundenreduktion fand unter den 20 Prozent statt, die am besten verdienen. Am anderen Ende der Einkommensskala ist die Senkung der Arbeitszeit laut Erhebung deutlich schwächer ausgeprägt.

Menschen mit den niedrigsten Einkommen (erstes Einkommenszehntel) arbeiteten 2021 um nur 18 Minuten pro Woche weniger als 2014. Im Durchschnitt sei die wöchentliche Normalarbeitszeit um knapp eine Stunde (54 Minuten) bzw. 0,9 Wochenstunden gesunken.

Gewerkschaftsvorstoß für Viertagewoche

Von Gewerkschaftsseite gab es unterdessen am Montag den Ruf nach der Einführung einer Viertagewoche bei vollem Lohnausgleich. Der Vorstoß kommt nicht nur vonseiten der sozialdemokratischen Gewerkschaftsgruppen. Auch der Bundesvorsitzende der Fraktion Christlicher Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter (FCG), Norbert Schnedl, sprach sich gegenüber Ö1 dafür aus.

Anlass ist eine in der Vorwoche veröffentlichte britische Studie zur Viertagewoche, die positive Ergebnisse des Modells gezeigt hatte – mehr dazu in science.ORF.at. Josef Muchitsch, designierter Vorsitzender der Fraktion Sozialdemokratischer GewerkschafterInnen (FSG), wünscht sich ein ähnliches Projekt in Österreich.

Kocher weiter für Attraktivierung von Vollzeitarbeit

ÖVP-Wirtschafts- und Arbeitsminister Martin Kocher hatte unterdessen am Sonntag in der ZIB2 seine Forderung nach einer Attraktivierung von Vollzeitarbeit erneuert. Kocher verwies auf die demografische Entwicklung. Viele würden in den nächsten Jahren in Pension gehen, gleichzeitig brauchten Unternehmen mehr Arbeitskräfte. Es gebe jetzt schon eine „große Knappheit“, und beim „nächsten Aufschwung wird diese noch stärker werden“.

NEOS-Antrag auf Vollzeitbonus

NEOS wird indes in der Nationalratssitzung am Mittwoch im Rahmen der Aktuellen Stunde einen Vollzeitbonus beantragen. Jeder Vollzeit tätige Arbeitnehmer soll damit eine Steuergutschrift von 100 Euro pro Monat erhalten, unabhängig von seinem Einkommen.

Davon würden rund drei Millionen Vollzeit tätige Arbeitnehmenden profitieren, rechnete NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger in einer Pressekonferenz vor. Die Kosten dafür beziffern die Pinken mit rund 1,8 Milliarden Euro. Als zweiten Punkt wird die Partei im Plenum ein flächendeckendes kostenloses Angebot an Kinderbetreuungseinrichtungen in Österreich beantragen.

Ökonomin: „Reduktion kontraproduktiv“

Der aktuellen Diskussion wenig abgewinnen kann die Ökonomin Monika Köppl-Turyna vom wirtschaftsliberalen Forschungsinstitut EcoAustria. Das Arbeitsvolumen sei zuletzt nicht nach oben gegangen, sagte die Ökonomin im Ö1-Morgenjournal. Die Reduktion der Arbeitszeit wäre daher kontraproduktiv und würde den Arbeitskräftemangel verstärken.

Eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich sei für sie in einzelnen Branchen vorstellbar. Dazu zählten etwa die Kreativbranche, Managementberufe und Dienstleistungsberufe mit hohem Digitalisierungsanteil. „Was ein Problem sein kann, ist, wenn man das mit einem Schlag quer durch alle Branchen einführt.“