OMV Gasspeicherstation Tallesbrunn
ORF.at/Roland Winkler
Ex-OMV-Chef über Gasverträge

Zweifel an Aussagen der Politik

Russische Gaslieferungen nach Österreich sorgen derzeit für Diskussionen. Während die Regierung bis 2027 zur Gänze auf Gaslieferungen aus Russland verzichten will, verweist die OMV auf langfristige Verträge. Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) beruft sich darauf, dass die Regierung keinen Einblick in die Verträge habe – Ex-OMV-Chef Gerhard Roiss zweifelt daran.

Die Verträge mit Russland sehen laut OMV eine Abnahme des Gases bis 2040 vor. Zuletzt stieg die Abhängigkeit Österreichs von russischem Gas wieder: Im Dezember kamen 70 Prozent des Gases – und damit annähernd so viel wie vor dem Krieg – aus Russland.

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) verwies laut dem TV-Sender Puls24 darauf, dass er den Vertrag der OMV mit der russischen Gasprom nicht kenne. Die OMV sei ein privatisierter Konzern. Derzeit habe die Regierung keinen Einblick in die Verträge. Zum anderen könne das russische Gas erst dann reduziert werden, wenn Österreich genug andere Lieferzusicherungen habe, die es ersetzen. Energieversorgungssicherheit habe oberste Priorität, so Nehammer.

Für Roiss sei das hingegen schwer nachvollziehbar, wurde er am Dienstag im Ö1-Morgenjournal zitiert. Schließlich halte die Republik über die Beteiligungsgesellschaft ÖBAG mehr als 30 Prozent an der OMV und sei im OMV-Aufsichtsrat vertreten.

Milliardenvertrag muss Aufsichtsrat bekannt sein

Ein Vertrag über mehrere Milliarden Euro und eine Laufzeit über mehr als zehn Jahre müssten dem Aufsichtsrat bekannt sein, sagte Roiss. „Die Wahrscheinlichkeit, dass sich der Aufsichtsrat damit nicht beschäftigt hat, geht gegen null“, sagte ein mit der Situation Vertrauter gegenüber der APA.

Der ÖBAG lägen die Verträge nicht vor, hieß es im Morgenjournal unter Verweis auf eine Stellungnahme der ÖBAG. Roiss hingegen sagte, er erwarte, „dass bei derartigen Verträgen und bei derartigen Risikodimensionen der Aufsichtsrat nachfragt und sich den Vertrag vorlegen lässt“. Ohne Transparenz sei es jedoch unklar, ob ein vorzeitiger Ausstieg rechtlich nicht möglich sei oder am politischen Willen scheitere, sagte Roiss.

OMV verweist auf Abnahmeverpflichtungen

Die OMV hingegen denke nicht daran, auf das russische Gas zu verzichten. Die Verträge würden Abnahmeverpflichtungen vorsehen. Daher sei es sinnvoll, dieses Gas zu verwenden, verwies das Morgenjournal auf eine schriftliche Stellungnahme der OMV.

Ex-OMV-Chef Gerhard Roiss
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Ohne Transparenz könne man nicht beurteilen, ob ein vorzeitiger Ausstieg möglich sei, so Roiss

Roiss sagte, er sehe die Regierung in der Pflicht: „Man muss dem Problem in die Augen schauen.“ Es gebe Gas aus Norwegen, LNG-Möglichkeiten über Rotterdam und Italien sowie Eigengas. Die Regierung müsse aber beginnen, dem Problem in die Augen zu schauen und nach Lösungen zu suchen. Aber das dürfte wesentlich mehr Geld kosten, als zu behaupten, man kenne die Verträge nicht, so Roiss.

Die SPÖ forderte, die Verträge zu veröffentlichen. „Dann ist es an der Regierung zu prüfen, wie man herauskommt“, meinte Vizeklubobmann Jörg Leichtfried am Rande einer Pressekonferenz am Dienstag.

Vertrag zehn Jahre vor Auslaufen 2018 verlängert

Der aktuelle Vertrag der OMV mit der Gasprom wurde 2018 von Ex-OMV-Chef Rainer Seele und Gasprom-Chef Alexej Miller in Anwesenheit des damaligen Bundeskanzlers Sebastian Kurz (ÖVP) und des russischen Präsidenten Wladimir Putin bis 2040 verlängert – obwohl der damals laufende Vertrag noch bis 2028 gültig gewesen wäre.

Im September hatte der frühere OMV-Aufsichtsratschef Wolfgang C. Berndt im ÖVP-U-Ausschuss gesagt, dass der Vertrag mit der Gasprom eine „Take-or-Pay“-Klausel beinhalte. Selbst wenn kein Gas fließt, muss laut den Angaben ein vereinbarter Betrag gezahlt werden (Zahlungsgarantie). Die Klausel sei üblich, so Berndt, und liege an den hohen Investitionskosten für die Infrastruktur. Der Vertrag sei im Aufsichtsrat nicht besprochen worden, weil er nicht vorgelegt werden musste.

In der Zwischenzeit sei diese Passage in der Geschäftsordnung vor wenigen Monaten geändert worden, sagte Berndt. Das Gremium müsse nun mit Gaslieferverträgen befasst werden. Dass man den aktuellen Vertrag, der noch 18 Jahre läuft – auch angesichts des russischen Angriffskrieges –, kündigen könnte, wäre nach Ansicht des früheren Aufsichtsratschefs möglich.

Berndt hatte im U-Ausschuss weiters zu Protokoll gegeben: Die Gasabhängigkeit von Russland sei gestiegen, das liege aber „nicht daran, dass irgendeiner eine Entscheidung getroffen hat, das hat sich so ergeben“. Der Gasverbrauch in Österreich sei von 2014 bis 2021 um ein Fünftel gestiegen, die einheimische Fördermengen hätten sich halbiert, Bezüge aus Deutschland und den Niederlanden seien dramatisch zurückgegangen – aus den Niederlanden etwa, weil das dortige größte Gasfeld Groningen geschlossen wird. „Also wurden zusätzliche Mengen gebraucht, um das auszugleichen“, argumentierte Berndt.