Trafostation
ORF.at/Georg Hummer
Kostenstruktur

Strompreiserhöhungen auf dem Prüfstand

Die meisten Energieanbieter haben in den letzten Monaten die Preise für Strom und Gas erhöht, zum Teil drastisch. Die Begründung meist: gestiegene Großhandelspreise, teures Erdgas, Ukraine-Krieg. Doch nun, wo sich die Situation auf dem Energiemarkt zumindest etwas beruhigt hat, wird Kritik an der Preispolitik lauter. Teils wurden Preiserhöhungen bereits für nicht rechtmäßig erklärt, die Arbeiterkammer (AK) würde gerne mehr über die tatsächliche Preisstruktur der Stromanbieter wissen.

Strom- und Erdgaspreis sind in der Tat nicht ganz einfach zu durchschauen. Es spielt etwa bei Strom nicht nur eine Rolle, wer ihn wie produziert, sondern auch, wie der internationale Handel aussieht. Doch gerade darüber, wie sich die Preise genau zusammensetzen, verlangen die AK Tirol und die AK Salzburg Auskunft und haben dafür ein Gutachten in Auftrag gegeben.

Der Grund: Die AK ortet Rechtswidrigkeiten bei angekündigten bzw. bereits vollzogenen Preiserhöhungen, vorerst in Tirol und Salzburg. Die Kritik: Während die Inflation stark steige und die Energieanbieter hohe Gewinne einfuhren, sollen auch bei fallenden Indizes Preiserhöhungen möglich sein.

Wie viel wird gekauft – wie viel selbst erzeugt?

Eine konkrete Forderung: Der Tiroler Energieversorger TIWAG müsse in seinen Klauseln die besagte Kostenstruktur offenlegen, auch dahingehend, wie viel Strom eingekauft und wie viel selbst produziert wird. Sollte es zu keinem Einlenken kommen, wolle man notfalls auch Klage einbringen, heißt es von der AK Tirol.

Steckdosen
ORF.at/Patrick Bauer
Die meisten Energieversorger haben ihre Preise seit dem Herbst deutlich erhöht

Aktuell hoffe man aber, dass „das nicht notwendig ist“, so deren Präsident Erwin Zangerl am Montag bei einer Pressekonferenz in Innsbruck. Aufgrund des nunmehr vorliegenden Gutachtens gehe man nämlich davon aus, dass das Land Tirol „auf die Stromanbieter einwirken wird“. Wichtig sei jedenfalls, dass diese – untersucht wurden auch die Innsbrucker Kommunalbetriebe (IKB), Hall AG, Stadtwerke Wörgl und die Kommunalbetriebe Hopfgarten – vor etwaigen Erhöhungen deutlich machen, „wie die Preise zustande kommen“ – „unterschiedliche Stromanbieter – unterschiedliche Strombeschaffungskosten“, argumentiert die AK Tirol – mehr dazu in tirol.ORF.at.

Inflation, Ukraine, Börse

Das sei die wesentliche Erkenntnis des Rechtsgutachtens, für das sich Alexander Schopper, Vorstand des Instituts für Unternehmens- und Steuerrecht der Universität Innsbruck, verantwortlich zeigt. „Der bloße Verweis der Stromanbieter in den Klauseln auf Inflation, Ukraine oder Strompreisindex (ÖSPI) der Österreichischen Energieagentur (AEA) reicht nämlich definitiv nicht aus", sagte er. Es gelte darüber hinaus auch zu zeigen, wie viel Strom aus Eigenproduktion stammt und wie viel zugekauft wird.“

Staudamm Kühtai
ORF.at/Christian Öser
Stausee im Tiroler Kühtai

Wenn die Eigenproduktion hoch sei, wie beispielsweise in den Sommermonaten beim landeseigenen Tiroler Energieversorger TIWAG, könne es nämlich sein, dass der Strompreisindex überhaupt nicht relevant sei, sagte Schopper. „Stromanbieter können aus Sicht des Gutachtens Kosten nur dann an die Kunden weitergeben, wenn sich diese für sie auch tatsächlich erhöht haben.“ Das gelte auch für die Salzburg AG, deren Strompreiserhöhung ebenfalls rechtswidrig sei. Allerdings gehen an diesem Punkt die Meinungen mit Verweis auf den internationalen Handel auseinander.

Druck auf Energieversorger

Der Präsident der AK Salzburg, Peter Eder, sprach nach der Veröffentlichung des Gutachtens von einem „Jackpot-Montag“ für die 240.000 Kundinnen und Kunden der Salzburg AG. Alleine die Strompreiserhöhung per 1. Jänner schlage mit insgesamt 13 Mio. Euro im Monat zu Buche.

Zähle man die Erhöhung im vergangenen April dazu, liege man inzwischen bei einer Gesamtsumme von über 60 Mio. Euro. In Salzburg und Oberösterreich beschäftigt das Thema auch die Landespolitik – mehr dazu in salzburg.ORF.at und ooe.ORF.at.

„Wir gehen davon aus, dass unser Unternehmen – und die Salzburg AG ist immer noch zu 74 Prozent im Eigentum der Salzburgerinnen und Salzburger – und die Politik das Gutachten ernst nehmen und uns nicht dazu zwingen, den Gerichtsweg einzuschlagen.“ Sollte die Expertise akzeptiert werden, seien „schnellstmöglich“ Verhandlungen erforderlich, um zu einer Lösung zu kommen.

Laut Handelsgericht nicht rechtmäßig

„Diese Teuerung ist in die Mitte der Gesellschaft gegangen, es geht hier um Existenzen. Wir reden da in vielen Fällen von 500 oder 600 Euro mehr, aber nicht im Jahr, sondern im Monat“, so Eder. Er verwies auch darauf, dass die Energiekosten der Preistreiber der Inflation seien. Die Menschen würden daher die hohen Energiepreise beim Bäcker oder mit der Miete ein zweites Mal bezahlen.

Vor der Präsentation des Gutachtens hatte das Handelsgericht Wien bereits die Preiserhöhung des teilstaatlichen Stromkonzerns Verbund vom Mai 2022 gekippt. Dieser hatte seine Tariferhöhung mit der Preisexplosion an der Strombörse begründet. Energieunternehmen, die selbst viel Strom etwa aus günstiger Wasserkraft herstellten, „können ihre Preiserhöhung nicht ohne Weiteres“ mit den teuren Börsenpreisen rechtfertigen, argumentierte das Gericht. Der Verbund hatte Berufung angemeldet – mehr dazu in wien.ORF.at.

„Nicht wirklich nachvollziehbar“

Die TIWAG hatte angekündigt, im Juni 2023 für Bestandskunden die Strompreise in einem Standardhaushalt um etwa 38 Prozent zu erhöhen. Sie argumentierte nun in einer Stellungnahme damit, dass man auch Strom „zukaufen" müsse. „Tatsache ist“, hieß es, man könne „mit den vorhandenen Kraftwerksanlagen den Tiroler Strombedarf nicht abdecken. Entsprechend muss – gerade für die Wintermonate – Strom in beträchtlichem Ausmaß zugekauft werden“, so der Vorstandsvorsitzende Erich Entstrasser. Man werde auch insgesamt die „Beschaffungsstrategie überprüfen“ und das Gutachten der AK berücksichtigen, so Entstrasser.

In der „Tiroler Tageszeitung“ hieß es dazu am Montag. Dass Energieversorger ihre eigenen Strompreise von den Preisen an den Börsen abhängig machten, habe „bis zum Ukraine-Krieg im vergangenen Jahr niemanden so richtig interessiert“. Erst die Energiepreisturbulenzen danach hätten „Fragen rund um dieses Preismodell aufgeworfen. Denn es ist tatsächlich nicht wirklich nachvollziehbar, warum Stromkonzerne wie die TIWAG oder auch der teilstaatliche Verbund, die selbst mit ihren Wasserkraftwerken viel günstigen Strom herstellen, sich bei Preisanpassungen ausschließlich auf die Börsenpreise berufen, die im Vorjahr hauptsächlich aufgrund der teuren Gaskraftwerke explodiert sind.“