Einsatzkräfte neben Zugwrack
AP/Vaggelis Kousioras
Zugsunfall in Griechenland

Dutzende Tote, Suche in Wracks dauert an

Nach dem Zusammenstoß zweier Züge in Griechenland in der Nacht auf Mittwoch wird das ganze Ausmaß nach und nach sichtbar: 40 Menschen kamen ums Leben, 130 wurden verletzt, 66 von ihnen mussten ins Spital gebracht werden, wie der griechische öffentlich-rechtliche Rundfunk berichtete. Die Suche am Unfallort nahe Larisa im Zentrum des Landes geht weiter – und das mit der Befürchtung, dass es weitere Opfer gibt.

Mit Kränen und anderem schwerem Gerät versuchen Feuerwehrleute und Rettungskräfte, die entgleisten und teils ausgebrannten Waggons zu heben, um in den Wracks nach Überlebenden und möglichen weiteren Opfern zu suchen. Viele der Verletzten zogen sich Brandwunden zu, weil die Waggons Feuer fingen. Viele der Toten können Berichten zufolge nur per DNA-Test identifiziert werden. Die griechische Eisenbahngewerkschaft sprach vom „schlimmsten Zugsunfall in der Geschichte des Landes“.

Zug mit 352 Personen nach Thessaloniki unterwegs

Das Unglück ereignete sich kurz vor Mitternacht. Die ersten vier Waggons des mit 352 Personen besetzten Personenzuges aus Athen seien nach dem Zusammenstoß mit dem aus der Gegenrichtung anfahrenden Güterzug (mit zwei Arbeitern an Bord) entgleist, sagte der Gouverneur der Region Thessalien, Konstantinos Agorastos. Die beiden Waggons an der Spitze des Zuges seien nahezu vollständig zerstört worden. Der Personenzug war der Intercity 62, der aus Athen um 19.22 Uhr nach Thessaloniki abgefahren war.

Zugsunglück in der Nähe von Larisa (Griechenland)
AP/Vaggelis Kousioras
Durch die Wucht des Aufpralls wurden die Waggons teils komplett zerstört

Verkehrsminister tritt mit Kritik zurück

Der griechische Verkehrsminister Kostas Karamanlis trat am Mittwochnachmittag zurück. Die aktuelle Regierung habe die Eisenbahn vor dreieinhalb Jahren in einem Zustand übernommen, der nicht ins 21. Jahrhundert passe, teilte Karamanlis am Nachmittag mit. Man habe seither alles getan, um diesen Zustand zu verbessern.

„Leider reichten diese Bemühungen nicht aus, um einen solchen Unfall zu verhindern. Das ist sehr schwer für uns alle und für mich persönlich.“ Wenn so etwas Tragisches passiere, sei es nicht möglich, so weiterzumachen, als sei nichts geschehen. Er halte es für unabdingbar, dass die Bürger dem politischen System vertrauen können.

„Aus diesem Grund trete ich vom Amt des Ministers für Infrastruktur und Verkehr zurück.“ Er fühle sich verpflichtet, die Verantwortung für die Fehler des griechischen Staates zu übernehmen, sagte Karamanlis und drückte den Familien der Opfer nochmals sein Mitleid aus.

„Es herrschte Chaos“

Der griechische öffentlich-rechtliche Rundfunk ERT zeigte Videos von der Unglücksstelle bei Tempi in Mittelgriechenland. Ein Überlebender schilderte, dass im Personenzug nach dem Zusammenstoß Feuer ausgebrochen sei. „Es herrschte Chaos und fürchterlicher Lärm“, fügte er gegenüber ERT hinzu. Man habe mit Koffern die Fensterscheiben eingedrückt, um ins Freie zu kommen, sagte ein junger Mann.

Schweres Zugsunglück in Griechenland

Bei einem schweren Zugsunglück in Griechenland sind in der Nacht auf Mittwoch nach Angaben der Feuerwehr mindestens 35 Menschen ums Leben gekommen. Dutzende Menschen wurden schwer verletzt und in Krankenhäusern behandelt. „Die Such- und Rettungsaktion dauert an“, sagte ein Sprecher der Feuerwehr im öffentlich-rechtlichen Rundfunk weiter.

„Ich dachte, ich würde sterben“, sagte ein Passagier der Tageszeitung „Kathimerini“. Der junge Mann saß nach eigenen Angaben in einem der hinteren Waggons. Er habe auf dem Boden Schutz gesucht, Menschen hätten geschrien und geweint.

„So etwas habe ich noch nie in meinem Leben gesehen“, sagte ein Vertreter der Rettungskräfte, der im Zuge der Bergungsarbeiten völlig erschöpft aus einem zerstörten Waggon kam. Ein AFP-Reporter berichtete, dass einer der Waggons komplett zerquetscht war, die Rettungskräfte hätten ihn kaum betreten können. Andere Waggons waren teilweise zerstört, Flammen loderten, Rauch lag über dem Gelände.

Bei vielen Passagieren soll es sich um junge Menschen gehandelt haben, Studierende, die nach einem verlängerten Wochenende wegen eines Feiertags nun auf dem Weg zur Universität von Thessaloniki waren. Im Bahnhof Thessalonikis versammelten sich schon in der Nacht verzweifelte Angehörige, Telefonhotlines wurden eingerichtet.

Österreicherinnen oder Österreicher dürften nicht unter den Opfern sein. „Nach unserem derzeitigen Kenntnisstand sind keine österreichischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürger vom Zugsunglück in Griechenland betroffen“, informierte das Außenministerium.

Erste Mutmaßungen zur Unfallursache

Erste Mutmaßungen zur Unfallursache weisen auf menschliches Versagen hin. Medienberichten zufolge funktionierte das elektronische Leitsystem auf der Strecke nicht. Deshalb seien die jeweiligen Bahnhofsvorsteher für die korrekte Weiterleitung der Züge verantwortlich gewesen. Der Personenzug könnte schon vom Bahnhof der Stadt Larisa aus auf die falsche Spur geschickt worden sein, auf der ihm später der Güterzug entgegenkam.

Mangels Leitsystem war zunächst auch der genaue Unfallort nicht auszumachen, berichtete ERT – die Rettungskräfte hätten die Stelle erst suchen müssen. Der für den Abschnitt zuständige Eisenbahner sei bereits festgenommen worden, hieß es weiter. Andere Mitarbeiter und Techniker würden befragt. Die Verkehrsbehörde von Larisa hat mit Ermittlungen zur Unfallursache begonnen. Viele anknüpfende Bahnstrecken wurden für den Bahnverkehr vorerst gesperrt.

Die Strecke, die Athen mit der nordgriechischen Hafenstadt Thessaloniki verbindet, war in den vergangenen Jahren modernisiert worden. Die griechische Bahn (Hellenic Train) wird von der italienischen Staatsbahn Ferrovie dello Stato Italiano (FS) betrieben – Hellenic Train ist eine Tochtergesellschaft der FS. Betrieben wird der Zugsverkehr im Netz der griechischen Eisenbahn.

Einsatzkräfte neben Zugwrack
Reuters/Alexandros Avramidis
Vom „schlimmsten Zugsunfall in der Geschichte des Landes“ ist die Rede, Staatstrauer wurde angeordnet

Das Eisenbahnsystem in Griechenland ist veraltet und muss modernisiert werden. Viele Strecken sind eingleisig. „Wir fahren wie in alten Zeiten von einem Streckenteil zum anderen per Funk. Die Stationsleiter geben uns grünes Licht“, sagte Kostas Genidounias, Präsident der Gewerkschaft der Lokführer, im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Warum das geschieht und kein modernes Leitsystem funktioniert, konnte er nicht angeben.

Dreitägige Staatstrauer

Auf Beschluss von Premierminister Kyriakos Mitsotakis wurde für die Opfer des Zugsunglücks eine dreitägige Staatstrauer ausgerufen. Gleichzeitig zeigte sich EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erschüttert. „Ganz Europa trauert mit Ihnen“, schrieb von der Leyen am Mittwoch auf Twitter. Ihre Gedanken seien bei den Menschen in Griechenland. Auf Griechisch ergänzte von der Leyen, dass die EU an der Seite Griechenlands stehe.

Auch EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola zeigte sich tief betrübt. Sie richtete ihr Beileid auf Twitter an die Opfer, deren Familien und Freunde und dankte den Rettungskräften sowie dem medizinischen Personal. „Unsere Gedanken sind nach diesem tragischen Ereignis bei den Menschen in Griechenland.“ EU-Ratschef Charles Michel äußerte sich ähnlich. Er sei schockiert von den Nachrichten aus Griechenland. „Meine Gedanken sind heute Früh bei den Menschen in Griechenland.“