Maiskolben
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Konventionelle Züchtung

Novelle bremst Patente auf Leben aus

Pflanzen und Tiere aus konventioneller Züchtung sind in Europa nicht patentierbar – theoretisch. In der Praxis erteilt das Europäische Patentamt aufgrund von Schlupflöchern im Gesetz laufend neue Patente auf konventionelle Züchtungen. In Österreich wird das traditionell kritisch gesehen, eine neue Verschärfung wurde am Mittwoch mit einer Novelle des Patentrechts auf den Weg gebracht.

Beispiele aus den vergangenen Jahren, bei denen das Patentrecht in Europa de facto umgangen worden ist, sind Patente auf Braugerste von Carlsberg und Heineken, auf Mais mit besserer Verdaulichkeit und auf Salatpflanzen, die auch bei einem Klima mit erhöhten Temperaturen angebaut werden können. Erst vor zwei Wochen wies das Europäische Patentamt eine Beschwerde gegen ein Patent des Agrochemiekonzern Syngenta zurück: Syngenta beanspruchte eine insektenresistente Paprikasorte für sich. Diese Eigenschaft wurde allerdings lediglich in einer wilden Paprikasorte in Jamaika gefunden und dann in eine Handelssorte eingekreuzt.

Österreich sperrt sich gegen diese Entwicklung. Schon bisher habe man „besonders fortschrittliche Regeln, die Patente auf Leben verhindern und sicherstellen, dass die heimische Landwirtschaft geschützt ist“, sagte Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) am Mittwoch nach dem Ministerrat. Mit der nun fixierten Novelle gehe man aber „noch einen Schritt weiter“. „Natürliche Pflanzen und Tiere dürfen nicht patentiert werden. Das gilt für alle Formen konventioneller Züchtung“, so Gewessler – auch dann, wenn Zufallsmutationen im Labor entstehen.

Aus für klassische Züchtungsverfahren

Betroffen vom Verbot ist also auch die „nicht zielgerichtete Mutagenese“. Dabei handelt es sich laut Gewesslers Büro um ein in der konventionellen Pflanzenzüchtung schon seit Langem angewandtes Verfahren: Eine Pflanze wird einem bestimmten Stress ausgesetzt (z. B. intensiver UV-Bestrahlung), wodurch zufällige Mutationen entstehen.

In der Novelle des Patentgesetzes wurde dazu die Definition von „im Wesentlichen biologischen Verfahren der Züchtung von Pflanzen und Tieren“ ergänzt, die von der Patentierbarkeit ausgeschlossen sind. Ausgeschlossen sind jetzt sämtliche klassische Züchtungsverfahren. Somit könnten sowohl die Patente auf Braugerste und Bier als auch das auf Salat („nicht zielgerichtete Mutagenese“) und auf Mais (Nutzung von „in der Natur stattfindenden, zufälligen Genveränderungen“) in Österreich nicht mehr erteilt werden.

Gerstenfeld
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Österreich hat sich auf europäischer Ebene immer wieder für einen wirksamen Ausschluss von der Patentierbarkeit eingesetzt

Pharmazeutische Produkte ausgenommen

Dieses neue Patentverbot gilt nur für die landwirtschaftliche Nutzung. Weiterhin möglich sind etwa Patente, sofern die durch derartige Mutationen entstandenen Organismen etwa für pharmazeutische Produkte verwendet werden, hieß es aus Nachfrage aus Gewesslers Büro. Das Verbot zielt auf den gesamten Prozess der Lebensmittelerzeugung und die notwendigen Vorarbeiten wie die Saatgutproduktion ab. „Diese Vorgehensweise stellt sicher, dass die Sorten von allen genutzt werden können und gleichzeitig in der pharmazeutischen Forschung die notwendige Patentierbarkeit erhalten bleibt“, hieß es aus dem Umweltministerium.

Mit dem ebenfalls in der Novelle enthaltenen europäischen Einheitspatent können Patentanmelder und -anmelderinnen künftig in einem Schritt in 17 europäischen Ländern einen Patentschutz für ihre Erfindung erhalten. Damit soll auch das einheitliche Patentgericht – mit einer lokalen Kammer in Wien – seine Tätigkeit aufnehmen können. Die Novelle wird nun an den Nationalrat übermittelt, für den notwendigen Parlamentsbeschluss reicht eine einfache Mehrheit aus.

NGOs sehen „wichtigen Schritt“

Arche Noah, ein Verein für die Erhaltung der Kulturpflanzenvielfalt, sieht eine langjährige Forderung umgesetzt. „Der Beschluss ist ein wichtiges Signal an die EU und das Europäische Patentamt: Das Patentrecht darf nicht länger missbraucht werden, um den Saatgutmarkt immer weiter zu monopolisieren. Saatgut ist die Grundlage unserer Ernährung und keine Erfindung eines Konzerns.“ Zudem erwartet Arche Noah, „dass der Beschluss der Patentrechtsnovelle die internationale Diskussion vorantreiben wird. Letztendlich ist eine Änderung auf europäischer Ebene notwendig, um die Erteilung von Patenten auf Leben wirksam zu verhindern.“

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Auch Sorten oder Eigenschaften, die auf natürlichen Genveränderungen beruhen, sollen in Österreich nicht mehr patentierbar sein

Auch die Umweltorganisation Global 2000 begrüßte den Vorstoß der Regierung. „Gerade angesichts der Klimakrise ist es höchst problematisch, dass sich Konzerne mithilfe von Patenten auf Pflanzen exklusive Nutzungsrechte auf Merkmale wie Krankheitsresistenzen oder Hitzebeständigkeit von Pflanzen verschaffen, die für die konventionelle Züchtung von zukunftsfitten Sorten zentral sind.“ Auch die Menschenrechtsorganisation für das Recht auf Nahrung, FIAN, sieht einen wichtigen Schritt, um zunehmender Monopolisierung von Saatgut in Händen der Agrarchemiekonzerne entgegenzutreten.