Zugsunglück bei Larissa
Reuters/Giannis Floulis
Griechischer Premier

Zugsunglück wegen „menschlichen Fehlers“

Nach dem verheerenden Zusammenstoß zweier Züge in Griechenland hat am Mittwoch Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis das Unglück auf menschliches Fehlverhalten zurückgeführt. „Alles weist darauf hin, dass das Drama, traurigerweise, hauptsächlich aufgrund eines tragischen menschlichen Fehlers“ passiert sei, so Mitsotakis. Der griechische Verkehrsminister übte zuvor Kritik – und trat zurück.

Laut Angabe der Feuerwehr vom Donnerstag wurden 46 Menschen getötet, zahlreiche Menschen werden noch vermisst. Über 100 Menschen wurden verletzt. In seiner Fernsehansprache sagte Mitsotakis weiter, das Unglück werde „für immer in unserem kollektiven Gedächtnis bleiben“, es sei beispiellos in der Geschichte des Landes. Er dankte den Helferinnen und Helfern. Mitsotakis sagte laut BBC auch, er habe eine unabhängige Untersuchung gefordert.

„Die Justiz wird ihre Arbeit tun. Die Menschen werden zur Rechenschaft gezogen werden, und der Staat wird auf der Seite der Menschen stehen“, sagte er und forderte die Öffentlichkeit auf, nun „zusammenzuhalten“, zitierte der britische Sender den griechischen Ministerpräsidenten.

Mitsotakis sagte auch, er habe die Rücktritte hochrangiger Beamter des Bahnbetreibers OSE und seiner Tochtergesellschaft ERGOSE akzeptiert. In Athen protestierten rund 1.000 Menschen vor den Büros von Hellenic Train, wo einige Steine gegen Fensterscheiben warfen.

Protestierende in Athen
Reuters/Louiza Vradi
In Athen kam es zu spontanen Protesten

Verkehrsminister tritt mit Kritik zurück

Die Bergungsarbeiten wurden fortgesetzt. Schon am Nachmittag trat der griechische Verkehrsminister Kostas Karamanlis zurück. Die aktuelle Regierung habe die Eisenbahn vor dreieinhalb Jahren in einem Zustand übernommen, der nicht ins 21. Jahrhundert passe, teilte Karamanlis am Nachmittag mit. Man habe seither alles getan, um diesen Zustand zu verbessern.

„Leider reichten diese Bemühungen nicht aus, um einen solchen Unfall zu verhindern. Das ist sehr schwer für uns alle und für mich persönlich.“ Wenn so etwas Tragisches passiere, sei es nicht möglich, so weiterzumachen, als sei nichts geschehen. Er halte es für unabdingbar, dass die Bürgerinnen und Bürger dem politischen System vertrauen können.

Zugsunglück in Griechenland

Nach dem Zusammenstoß zweier Züge in Griechenland in der Nacht auf Mittwoch wird das ganze Ausmaß nach und nach sichtbar.

„Aus diesem Grund trete ich vom Amt des Ministers für Infrastruktur und Verkehr zurück.“ Er fühle sich verpflichtet, die Verantwortung für die Fehler des griechischen Staates zu übernehmen, sagte Karamanlis, und drückte den Familien der Opfer nochmals sein Mitleid aus.

Medien: Elektronisches Leitsystem funktionierte nicht

Schon zuvor spekulierten Medien über die Unfallursache – dass die beiden Züge auf der zweispurigen Strecke aufeinander zurasten und letztlich kollidierten, scheint einer Kombination aus technischer Unzulänglichkeit und menschlichem Versagen geschuldet.

Medienberichten zufolge funktionierte das elektronische Leitsystem auf der Strecke nicht – bereits seit einiger Zeit soll es Bahnangestellten zufolge außer Betrieb sein. Deshalb seien die jeweiligen Bahnhofsvorsteher für die korrekte Weiterleitung der Züge verantwortlich gewesen. Der Personenzug könnte schon vom Bahnhof der Stadt Larisa aus auf die falsche Spur geschickt worden sein, auf der ihm später der Güterzug entgegenkam.

Bahnhofsvorsteher festgenommen: Habe einen Fehler gemacht

Mangels eines Leitsystems war zunächst auch der genaue Unfallort nicht auszumachen, berichtete der griechische Rundfunk ERT zudem – die Rettungskräfte hätten die Stelle erst suchen müssen. Der für den Abschnitt zuständige Bahnhofsvorsteher sei bereits festgenommen worden, hieß es weiter. „Ich habe einen Fehler gemacht und den Personenzug auf dieselbe Schiene wie den entgegenkommenden Güterzug geschickt“, soll der 59 Jahre alte Eisenbahner zu Protokoll gegeben haben, wie ERT am Mittwochabend unter Berufung auf Polizeikreise berichtete.

Zugsunglück in der Nähe von Larisa (Griechenland)
AP/Vaggelis Kousioras
Durch die Wucht des Aufpralls wurden die Waggons teils komplett zerstört

Doch das dürfte noch längst nicht das Ende der Ermittlungen sein.
Andere Mitarbeiter und Techniker würden befragt. Nach Angaben eines Regierungssprechers waren die beiden Züge vor dem Unglück „mehrere Kilometer lang“ auf demselben Gleis unterwegs gewesen.

Zug mit 350 Reisenden nach Thessaloniki unterwegs

Das Unglück hatte sich kurz vor Mitternacht ereignet. Die ersten vier Waggons des mit 352 Passagieren besetzten Personenzuges aus Athen (darunter 342 Fahrgäste und zehn Angestellte) seien nach dem Zusammenstoß mit dem aus der Gegenrichtung anfahrenden Güterzug mit zwei Arbeitern an Bord entgleist, sagte der Gouverneur der Region Thessalien, Konstantinos Agorastos. Die beiden Waggons an der Spitze des Zuges seien nahezu vollständig zerstört worden. Der Personenzug war der Intercity 62, der aus Athen um 19.22 Uhr nach Thessaloniki abgefahren war.

Viele junge Menschen und Studierende

Bei vielen Passagieren soll es sich um junge Menschen gehandelt haben, Studierende, die nach einem verlängerten Wochenende wegen eines Feiertags nun auf dem Weg zur Universität von Thessaloniki waren. Im Bahnhof Thessalonikis versammelten sich schon in der Nacht verzweifelte Angehörige, Telefonhotlines wurden eingerichtet.

Österreicher oder Österreicherinnen dürften nicht unter den Opfern sein. „Nach unserem derzeitigen Kenntnisstand sind keine österreichischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürger vom Zugsunglück in Griechenland betroffen“, informierte das Außenministerium.

Einsatzkräfte neben Zugwrack
Reuters/Alexandros Avramidis
Vom „schlimmsten Zugsunfall in der Geschichte des Landes“ ist die Rede, Staatstrauer wurde angeordnet

Die Strecke, die Athen mit der nordgriechischen Hafenstadt Thessaloniki verbindet, war in den vergangenen Jahren modernisiert worden. Die griechische Bahn (Hellenic Train) wird von der italienischen Staatsbahn Ferrovie dello Stato Italiano (FS) betrieben – Hellenic Train ist eine Tochtergesellschaft der FS. Betrieben wird der Zugsverkehr im Netz der griechischen Eisenbahn.

Dreitägige Staatstrauer

Auf Beschluss von Premierminister Mitsotakis wurde für die Opfer des Zugsunglücks eine dreitägige Staatstrauer ausgerufen. Staatspräsidentin Katerina Sakellaropoulou unterbrach eine Reise nach Moldawien, um nach Griechenland zurückzukehren. Viele Staaten bekundeten ihr Beileid. Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu telefonierte mit seinem griechischen Amtskollegen Nikos Dendias. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen schrieb auf Twitter, ganz Europa trauere mit Griechenland.