Sicherheitsmann vor dem Wuhan Institute of Virology
AP/The Yomiuri Shimbun/Koki Kataoka
Coronavirus-Ursprung

Laborthese als Spielball der US-China-Politik

Mit seiner Aussage, wonach eine mögliche Laborpanne in China „höchstwahrscheinlich“ für die Ausbreitung des Coronavirus verantwortlich gewesen sei, hat FBI-Direktor Christopher Wray am Dienstag für Erstaunen und Debatten gesorgt. Denn andere US-Behörden gehen weiterhin davon aus, dass das Virus auf natürlichem Wege von Tier auf Mensch übertragen wurde. Beobachter meinen nun, dass es vielleicht weniger um die Suche nach Fakten gehe als vielmehr um die Frage, wie die USA mit China umgehen sollen.

„Das FBI geht schon seit geraumer Zeit davon aus, dass der Ursprung der Pandemie höchstwahrscheinlich ein möglicher Laborvorfall in Wuhan ist“, sagte Wray dem Sender Fox News. „Hier geht es um ein mögliches Leck in einem von der chinesischen Regierung kontrollierten Labor.“ Stutzig machte unter anderem, dass der vom damaligen US-Präsidenten Donald Trump eingesetzte FBI-Chef seine Aussagen ausgerechnet gegenüber dem konservativen Sender Fox News machte.

Details und Belege wollte Wray keine nennen – unter Verweis auf Geheimhaltung und auf noch offene Untersuchungen. Gleichzeitig beschuldigte er aber die chinesische Regierung, die „ihr Bestes getan“ habe, um die Arbeit der US-Regierung und ausländischer Partner „zu behindern und zu verschleiern“. Das sei bedauerlich für alle.

FBI-Direktor Christopher Wray
AP/Carlos Osorio
FBI-Chef Wray

Kein einheitliche Meinung in US-Regierung

Zuvor hatte bereits das für die Aufsicht von Laboren zuständige Energieministerium laut „Wall Street Journal“ seine Einschätzung zum Ursprung des Coronavirus geändert. Auch dort gehe man laut dem Bericht nun von einer möglichen Laborpanne aus – aber nur mit einem „niedrigen“ Grad der Gewissheit.

Nach dieser Veröffentlichung wies der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats, John Kirby, am Montag darauf hin, dass es über die Entstehung des Coronavirus noch keine einheitliche Auffassung innerhalb der US-Regierung gebe. „In der US-Regierung herrscht derzeit keine Einigkeit darüber, wie Covid genau entstanden ist“, sagte er.

Laut dem Bericht des „Wall Street Journal“ gehen das National Intelligence Council sowie vier US-Geheimdienste davon aus, dass das Virus durch eine „natürliche“ Übertragung für Menschen gefährlich wurde. Die CIA und ein weiterer Nachrichtendienst wiederum seien noch zu keinem finalen Schluss gekommen.

Ringen um Haltung zu China

Dass nun die Laborthese wieder vertreten wird, könnte, so meinen Kommentatoren, gar nicht so viel mit dem tatsächlichen Stand der Untersuchungen zusammenhängen. Denn in der US-Politik wird die Frage immer virulenter, wie man in Zukunft mit China umgehen soll: Die Spannung in der Taiwan-Frage und im Südchinesischen Meer, die zumindest tolerierende Haltung Pekings gegenüber Russland im Ukraine-Krieg und zuletzt die mysteriösen Ballons in den USA haben in Washington jene Stimmen lauter werden lassen, die sich für eine härtere Gangart gegenüber China aussprechen.

FBI: Covid stammt aus Labor

FBI-Direktor Christopher Wray erklärte in einem TV-Interview, dass das FBI schon seit geraumer Zeit davon ausgehe, dass der Ursprung der Covid-Pandemie höchstwahrscheinlich ein Laborunfall im chinesischen Wuhan sei. China reagiert empört.

Und wenn man China dann auch noch eine Mitschuld an der größten Pandemie seit Jahrzehnten gibt, lässt sich eine konfrontativere Politik leichter argumentieren. China wies freilich die Laborthese auch nach den neuen Entwicklungen immer wieder vehement zurück – gleichzeitig zeigte sich das Land bei internationalen Untersuchungen durch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) nur bedingt kooperativ.

Gar keine Klärung möglich

Die „Financial Times“ verwies darauf, dass bei der China-Frage die Grenzen zwischen den Konservativen und den Liberalen in den USA zu verschwimmen beginnen. Bisher hatten vor allem stramme Republikaner China beschuldigt zu vertuschen, dass das Virus aus einem Labor komme, Trump hatte sogar vom „Wuhan-Virus“ gesprochen. Demokraten hatten sich der in wissenschaftlichen Studien vorherrschenden These von einer natürlichen Zoonose angeschlossen, die auch von der WHO vertreten wird. Nicht selten wurde von dieser Seite die Laborthese als Verschwörungstheorie gesehen.

Möglicherweise kann auch gar nicht hundertprozentig geklärt werden, wie das Virus in die Welt kam. Damit wird die Frage erst recht zum Spielball in der politischen Debatte – weil am Ende niemand Gefahr läuft, nachgewiesenermaßen falsch gelegen zu sein.

„Falken“ werden lauter

Mehrere Medien, darunter der „Guardian“ und die „Financial Times“ stellten fest, dass die „Falken“ für eine schärfere China-Politik mehr und lauter werden – und das nicht nur bei den Republikanern, sondern auch bei den Demokraten. Damit wird auch US-Präsident Joe Biden unter Zugzwang gesetzt. Für ihn ist es eine schwierige Gratwanderung: Er muss einerseits Stärke gegenüber China zeigen, andererseits muss er sich aber auch weitere Spielräume offenlassen.

Die „Financial Times“ verwies aber auch auf die möglichen Folgen einer verschärften China-Politik. Man erinnerte daran, dass Australien, das als erstes Land im Jahr 2020 eine Untersuchung forderte, den höchsten Preis zahlte, als Peking hohe Zölle auf eine Reihe australischer Exporte verhängte. Abschrecken konnte Australien China aber nicht, der Konflikt verstärkte sich weiter und befeuerte auch die Debatte in den USA.

Gefährlicher Konfrontationskurs

Eine geopolitische Situation, bei der die USA und China auf offenem Konfrontationskurs liegen, ist nicht nur für Konfliktregionen wie Taiwan und die Ukraine brandgefährlich. Die „Financial Times“ wies darauf hin, dass die beiden Mächte bei globalen Fragen kooperieren müssten. Als Beispiel nannte die Zeitung nicht nur den Kampf gegen die Klimakrise: Auch bei einer möglichen nächsten Pandemie, deren Ursprung rein statistisch nicht unwahrscheinlich in China liegen könnte, seien die USA wie die ganze Welt auf eine funktionierende Kooperation angewiesen.