Holzfässer
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Jack Daniel’s

Baustopp wegen schwarzen „Whiskeypilzes“

In den USA schwelt ein ungewöhnlicher Rechtsstreit. Er dreht sich um einen Pilz, der sich auf praktisch allen Oberflächen festsetzt und diese schwarz färbt: Baudoinia compniacensis, der „Whiskeypilz“. Er gedeiht bevorzugt in der Nähe von Destillerien. Im konkreten Fall geht es nun um Lager von Jack Daniel‘s im US-Bundesstaat Tennessee und die Klage einer Anrainerin. Ein Baustopp wurde verfügt.

Die Vorliebe des Pilzes für die Nähe zu Spirituosen kommt nicht von ungefähr. Er ernährt sich von Ethanol aus Alkoholdämpfen. Von denen gibt es im Umkreis der Lager von Jack Daniel‘s in Lincoln County im beschaulichen US-Süden genug.

Folge ist, dass sich der Pilz explosionsartig vermehrt und in Folge Straßenschilder, Autos, Bäume, Fassaden mit einer schwarzen Kruste überzieht. Beschwerden von Bewohnerinnen und Bewohnern seien in den letzten Monaten lauter geworden, berichtete die „New York Times“, eine Bewohnerin verklagte den Bezirk.

Ein alter „Begleiter“ von Brennereien

Der Pilz ist seit über 150 Jahren bekannt, vor allem als „Begleiter“ von Brennereien, aber auch Bäckereien. Es ist auch kein spezifisches Problem von Jack Daniel’s. Laut der US-Zeitung gibt es ihn auch im Umkreis der Bourbon-Brennereien im benachbarten Bundesstaat Kentucky, bei kanadischen Whiskey- genauso wie bei karibischen Rumherstellern. Im aktuellen Fall allerdings heißt es, der Pilz vermehre sich völlig unkontrolliert.

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Ein Teil des Alkohols (Ethanols) verdunstet bei der Fasslagerung

Jack Daniel’s ist im Nachbarbezirk von Lincoln County, Moore County, im Süden Tennessees beheimatet. Die US-Traditionsbrennerei, gegründet 1866, betreibt dort nach Angaben der US-Tageszeitung sechs Lager („barrelhouses“) für ihre hölzernen Fässer, in denen der Whiskey reift, und baut ein siebentes. Außerdem habe sie die Umwidmung eines Grundstücks beim Bezirk beantragt, um weitere Lager errichten zu können. Stattdessen gibt es nun einen gerichtlich verfügten Baustopp.

Ein großer Steuerzahler in wirtschaftlich schwacher Region

Der Whiskeyhersteller aus der Kleinstadt Lynchburg, rund 120 Kilometer südlich von Nashville, argumentiert laut Bericht der „New York Times“ gegenüber den Behörden vor allem mit Einnahmen für die öffentliche Hand. Moore County mit seinen knapp 6.500 Einwohnern ist wie viele Bezirke in der Region relativ strukturschwach.

Donna Willis, bei dem Whiskeyhersteller zuständig unter anderem für die Lagerlogistik, habe der Bezirksverwaltung vorgerechnet, dass dieser insgesamt 14 Fasslager eine Mio. Dollar (rund 945.000 Euro) an Grundsteuereinnahmen jährlich bringen würden. Insgesamt habe der kleine Bezirk im Fiskaljahr 2022 ein Budget von 15 Mio. Dollar gehabt. Die Marke Jack Daniel’s befindet sich im Eigentum des US-Spirituosenkonzerns Brown-Forman mit Unternehmenssitz in Louisville im benachbarten Kentucky. Sie ist die meistverkaufte Whiskeymarke in den USA.

Ein Landgut verfärbt sich schwarz

„Aber nicht alle Anrainer sind mit der Expansion glücklich“, schrieb die „New York Times“ am Mittwoch (Ortszeit). Eine davon, Christi Long, hat bereits im Jänner Klage gegen den Bezirk, genauer dessen Baubehörde geklagt.

Den Bezirk deshalb, da die Frau damit argumentiert, dass für den Neubau, Lager Nummer sieben, wichtige Genehmigungen fehlten. Nun wurde laut der US-Zeitung der Baubescheid vorübergehend ausgesetzt. Long besitzt in der Nähe einen alten herrschaftlichen Landsitz, das Manor at ShaeJo, gebaut 1900, den sie für Hochzeiten und andere Veranstaltungen vermietet.

„Denkmalschutz“ mit dem Hochdruckreiniger

Die BBC zitierte die Frau bzw. ihren Rechtsanwalt Jason Holleman mit den Worten, der Pilz habe bereits große Schäden an der Fassade und dem Dach der alten Villa verursacht. Laut „New York Times“ musste das Gebäude zuletzt alle drei Monate per Hochdruckreiniger und mit Chlor gesäubert werden, der Pilz sei aber immer wieder zurückgekommen.

Anwalt Holleman sagte, seine Mandantin fordere vom zuständigen Gericht, dass Jack Daniel’s keine Lager in der Nähe ihres 350-Quadratmeter-Landsitzes mehr betreiben dürfe – oder der Whiskeyhersteller müsse seine Lager, eines davon sei keine 250 Meter von Longs Villa entfernt, mit Filteranlagen ausstatten. Long beklagte, der betreffende Teil von Lincoln County werde „schwarz wie Kohle werden“.

Engels Anteil und Teufels Pilz aus dem Fass

Melvin Keebler, Generaldirektor bei Jack Daniel’s, habe in einer Stellungnahme betont, sein Unternehmen beachte alle Richtlinien auf Bezirks-, Bundesstaats- und staatlicher Ebene hinsichtlich Planung, Errichtung und Betrieb der Whiskeylagerhäuser. Man sei dem Schutz der Umwelt und der Sicherheit und Gesundheit von Beschäftigten verpflichtet. Der Spirituosenhersteller verwies außerdem auf eine Studie, in der nachgewiesen sei, dass der schwarze Pilz kein Gesundheitsrisiko darstelle. Er verursache auch keinerlei Schäden an Bausubstanz.

„Poetisch“ nannten Whiskeybrenner den Teil des Alkohols, der im Reifungsprozess aus den Fässern verdunstet, den Anteil „für die Engel“ („angel’s share“). Dieser werde einem auf jeder Verkostung erklärt, so Anwalt Holleman in der BBC. „Leider wird daraus auch der teuflische Pilz.“

Mysteriöse „Rußplage“ in der Cognac

Erforscht habe den Pilz unter anderem James A. Scott, Botaniker und Experte für Schimmelpilze an der Universität im kanadischen Toronto, und das über 20 Jahre. Über mögliche gesundheitliche Risiken, die von dem Pilz ausgehen, wisse man mangels spezifischer Studien nichts. Sehr wohl aber könne der Pilz Schäden an Eigentum verursachen, da er sich auf nahezu allen Oberflächen festsetzen könne. Er sei außerdem extrem widerstandsfähig, etwa gegen hohe Temperaturen. Die einzige Möglichkeit, ihn loszuwerden sei, „seine Alkoholversorgung“ abzudrehen.

Laut „New York Times“ ist der Pilz zumindest seit 1870 bekannt und benannt nach dem damaligen Direktor der französischen Distillerieverbandes, Antonin Baudoin. Er hatte ihn an den Wänden von Brennereien in der Cognac entdeckt und als „Rußplage“ beschrieben.