Ales Bialiatski
AP/BelTA/Vitaly Pivovarchyk
Belarus

Zehn Jahre Haft für Friedensnobelpreisträger

Der Bürgerrechtler Ales Bjaljazki hat Menschenrechtsverletzungen und andere Repressalien des Lukaschenko-Regimes in Belarus dokumentiert und im Vorjahr dafür den Friedensnobelpreis zugesprochen bekommen. Am Freitag wurde er wegen angeblicher Finanzdelikte zu zehn Jahren Haft verurteilt. Bjaljazki wies die Vorwürfe zurück und bezeichnete sie als politisch motiviert.

Bjaljazki sei des organisierten Schmuggels und der Finanzierung öffentlicher Unruhen schuldig gesprochen worden, teilte die staatliche Nachrichtenagentur Belta am Freitag mit. Die Anklage hatte sogar zwölf Jahre Haft gefordert. Neben dem 60-Jährigen wurden drei weitere belarussische Bürgerrechtler zu langjährigen Freiheitsstrafen verurteilt, einer davon in Abwesenheit.

Bjaljazki ist seit dem Juli 2021 in Haft. Im vergangenen Jahr wurde der Bürgerrechtler mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet, konnte ihn aber nicht entgegennehmen. Den Preis erhielt er zusammen mit der russischen Organisation Memorial und der ukrainischen Menschenrechtsorganisation Zentrum für bürgerliche Freiheiten. Die belarussische Führung kritisierte die Auszeichnung als „politisierte Entscheidung“.

Langer Kampf für Demokratie

Bjaljazki begann in den frühen 1980er Jahren, sich für die Unabhängigkeit und die Demokratie in Belarus einzusetzen, und organisierte vor dem Zusammenbruch der Sowjetunion antisowjetische Proteste. Während der Massenproteste der Opposition im Jahr 1996 war er Mitbegründer der Menschenrechtsorganisation Wjasna, deren Ziel es war, politischen Gefangenen und deren Familien finanzielle und rechtliche Unterstützung zu gewähren. Wjasna dokumentierte auch Misshandlungen und Folterungen von politischen Gefangenen durch die Behörden.

Demo in Minsk im August 2020
AP
Monatelange Massenproteste gegen die Wiederwahl Lukaschenkos 2020 wurden mit Gewalt niederschlagen

Bereits von 2011 bis 2014 war Bjaljazki wegen des Vorwurfs der Steuerhinterziehung inhaftiert. Im Zuge der Massenproteste gegen die manipulierte fünfte Wiederwahl von Machthaber Alexander Lukaschenko ab August 2020 wurden mehrere Aktivisten und Aktivistinnen von Wjasna verhaftet, im Juli 2021 auch Bjaljazki.

Bjaljazki: „Bürgerkrieg in Belarus beenden“

Bjaljazki und seine Kollegen mussten den Prozess in einem Käfig im Gerichtssaal über sich ergehen lassen. In seiner letzten Ansprache vor Gericht forderte Bjaljazki die Behörden auf, „den Bürgerkrieg in Belarus zu beenden“. Bjaljazki sagte, aus den Akten sei ihm klar geworden, dass „die Ermittler den Auftrag erfüllen, den sie erhalten haben: die Menschenrechtsverteidiger von Wjasna um jeden Preis ihrer Freiheit zu berauben, Wjasna zu zerstören und unsere Arbeit zu beenden“.

Die im Exil lebende belarussische Oppositionsführerin Swjetlana Tichanowskaja verurteilte das Gerichtsurteil am Freitag als „entsetzlich“. „Wir müssen alles tun, um gegen diese schändliche Ungerechtigkeit zu kämpfen (und) sie zu befreien“, schrieb sie in einem Tweet.

Ales Bialiatski vor Gericht in Minsk, im Jänner 2023
AP/BelTA/Vitaly Pivovarchyk
Das Urteil gegen Bjaljazki sorgt international für Empörung

Nobel-Komitee: Politisch motiviert

Schwere Kritik an der Verurteilung kam aus Norwegen: Sowohl der Prozess an sich als auch die Anschuldigungen gegen den Menschenrechtler seien „politisch motiviert“, erklärte die Vorsitzende des Norwegischen Nobel-Komitees, Berit Reiss-Andersen, in Oslo. „Das Urteil zeigt, dass das Regime zu allen Mitteln greift, um seine Gegner zu unterdrücken.“

Das Norwegische Helsinki-Komitee, eine Nichtregierungsorganisation, die sich für die Einhaltung der Menschenrechte einsetzt, zeigte sich „schockiert über den Zynismus, der hinter den Urteilen steht, die gerade gegen unsere belarussischen Freunde in Minsk verhängt wurden“. Der Prozess zeige, „wie Lukaschenkos Regime unsere Kollegen, die Menschenrechtsverteidiger, dafür bestraft, dass sie sich gegen die Unterdrückung und Ungerechtigkeit auflehnen“, hielt Generalsekretärin Berit Lindeman in einer Erklärung fest.

Außenministerium „entsetzt“

Das österreichische Außenministerium zeigte sich ebenfalls „entsetzt“ über die Entscheidung und forderte die sofortige Freilassung aller politischen Gefangenen. Mit der Verurteilung Bjaljazkis und anderer Aktivisten setze „Belarus seine brutale Unterdrückung fort“, kritisierte das Außenministerium auf Twitter.

Die außenpolitische Sprecherin der Grünen, Ewa Ernst-Dziedzic, forderte konkrete Maßnahmen der EU und der internationalen Staatengemeinschaft zur Unterstützung der zivilgesellschaftlichen Aktivistinnen und Aktivisten in Belarus. „Die Menschenrechtssituation in Belarus verschlimmert sich tagtäglich. Jedes Mal, wenn wir glauben, es ist ein weiterer Tiefpunkt erreicht, wird es noch schlimmer“, beklagte Ernst-Dziedzic in einer Aussendung.

Ewiger Machthaber mit Unterstützung Russlands

Lukaschenko regiert Belarus seit 1994 und ist damit der bis heute einzige Präsident der ehemaligen Sowjetrepublik. Seit 2020 erkennen die EU und mehrere weitere Länder den Machthaber wegen Wahlfälschungen und gewaltsamen Vorgehens gegen die anschließenden Proteste nicht als legitimen Präsidenten seines Landes an und verhängten Sanktionen gegen Minsk. Dazu gehören Einschränkungen des Handels und der Bankgeschäfte sowie eine Begrenzung der Finanzströme aus Belarus.

Nach Schätzungen von Menschenrechtsaktivisten und -aktivistinnen gibt es in Belarus etwa 1.500 politische Gefangene und rund 50.000 Menschen, die seit 2020 wegen der Teilnahme an Protesten oder Kritik an den Behörden in Gewahrsam genommen wurden.

Lukaschenko wird bei der Aufrechterhaltung seines Regimes von seinem wichtigsten Verbündeten unterstützt, dem russischen Präsidenten Wladimir Putin. Das zeigt sich etwa in regelmäßigen Milliardenkrediten, die Belarus aus Moskau erhält und die Lukaschenko unter anderem zur Finanzierung seines Sicherheitsapparats nutzt.

Im Gegenzug gestattete Belarus dem russischen Militär, sein Territorium für den Einmarsch in die Ukraine zu nutzen. Lukaschenko unterstützt Putins Kriegsaktivitäten, will aber nur dann eigene Streitkräfte entsenden, wenn ein anderes Land einen Angriff auf Belarus startet.