Wettbewerbsbehörde-Chefposten: Stillstand bei Bestellung

Seit 15 Monaten wird die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) interimistisch geleitet. Dieser Zustand dürfte sich nicht so schnell ändern. Denn innerhalb der ÖVP-Grünen-Koalition herrscht offenbar Uneinigkeit darüber, wer nun eigentlich am Zug ist.

Die Entscheidung über die BWB-Generaldirektion hätte schon im vergangenen Sommer fallen sollen. Seit November 2021 ist klar, dass es einen neuen Chef bzw. neue Chefin braucht. Ausgeschrieben war der Posten schnell. Von der Begutachtungskommission wurde der amtierende Vizepräsident des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG), Michael Sachs, erstgereiht, einen Punkt weniger erhielt die interimistische BWB-Chefin Natalie Harsdorf-Borsch.

Die Grünen legen sich aber gegen Sachs quer, weil unter anderem ein von ihnen in Auftrag gegebenes Gutachten zum Schluss kam, dass er die Anforderungen für den Posten nicht erfüllen würde. Das ÖVP-geführte Wirtschafts- und Arbeitsministerium beauftragte daraufhin ein Gegengutachten. Die nötigen Ernennungsvoraussetzungen im Ausschreibungsverfahren seien eingehalten worden, teilte das Ressort mit Blick auf das Gutachten, das nicht veröffentlicht wird, mit.

Das Warten auf den anderen

Seitdem gibt es kein Vor oder Zurück. Man könne „nichts Neues“ berichten, hielt eine Sprecherin von ÖVP-Minister Martin Kocher gegenüber ORF.at fest. Man habe alle „rechtlich vorgegebenen Schritte“ gesetzt, das Ergebnis der Begutachtungskommission sei zu berücksichtigen. Auf Regierungsebene würden Gespräche laufen.

Nach Ansicht der Grünen liegt der Ball hingegen weiter bei Kocher. „Ja, es ist richtig, dass wir vor dem Hintergrund der fragwürdigen Besetzung der Kommission und der laut Gutachten (von den Grünen beauftragt, Anm.) unzureichenden Erfahrung des erstgereihten Kandidaten Sachs im Bereich des Wettbewerbsrechts das erforderliche Einvernehmen im Ministerrat nicht herstellen können“, heißt es aus der Partei auf ORF.at-Anfrage.

Angesprochen auf das Gegengutachten des Ministeriums hielten die Grünen schriftlich fest, dass für die Veröffentlichung von Gutachten eines Ministeriums „ausschließlich das betroffene Ministerium selbst verantwortlich“ sei. Von grüner Seite würde man eine solche jedenfalls begrüßen.

In einer Anfragebeantwortung von Jänner schrieb Kocher, dass das Gutachten „der Regierungskoordinierung“ übermittelt worden sei. Weil sich das Ministeriumsgutachten auch mit dem Gutachten der Grünen auseinandersetzt, so der Minister, sei „in der Frage einer allfälligen Veröffentlichung im Einvernehmen mit dem Koalitionspartner vorzugehen.“

BWB: Gehen „Aufgaben mit hohem Engagement“ nach

Sachs gilt als politisch gut vernetzt, er war unter anderem Mitarbeiter im Kabinett von Wolfgang Schüssel (ÖVP). Harsdorf-Borsch hingegen gilt als Fachfrau mit viel Expertise, ist aber politisch weniger gut vernetzt. Seit 2009 ist sie für die BWB als Referentin und seit 2021 als stellvertretende Generaldirektorin tätig. Die Interimschefin leitet derzeit auch die Geschäftsstelle.

Die Behörde selbst will den langen Bestellungsprozess nicht kommentieren, hielt aber gegenüber ORF.at fest, dass die BWB ihren Aufgaben als Wettbewerbshüterin „mit hohem Engagement“ nachgehe. Der Fokus liege derzeit auf Energie und Lebensmittel. „Die noch am Baukartell offenen Anträge der beteiligten Unternehmen werden größtenteils 2023 vor das Kartellgericht gebracht werden“, heißt es.

Es sei auch mit Anträgen im Bereich Abfallwirtschaft zu rechnen. Die Ermittlungen dazu seien fast abgeschlossen. „Mit knapp 50 Mitarbeiter:innen leistet die BWB einen wesentlichen Beitrag für faire Wettbewerbsbedingungen und das Funktionieren der Märkte in Österreich.“

Weitere Posten noch ausständig

Etwas Bewegung könnte in den Fall kommen, wenn ein anderer Posten entschieden wird. Denn das Bundesverwaltungsgericht, das derzeit von Sachs interimistisch geleitet wird, sucht einen neuen Präsidenten bzw. eine neue Präsidentin. Medienberichten zufolge ging die Präsidentin der Richtervereinigung und Vorsteherin des Wiener Bezirksgerichts Floridsdorf, Sabine Matejka, als Bestgereihte aus dem Auswahlverfahren hervor.

Dem Vernehmen nach soll sich auch Sachs beworben haben, dürfte aber nicht „zum Zug“ gekommen sein, wie die „Vorarlberger Nachrichten“ erst kürzlich berichteten. Spannend ist die Bestellung besonders deshalb, weil in den publik gewordenen ÖVP-Grünen-Sideletter das „Nominierungsrecht“ für das BVwG-Präsidentenamt der ÖVP zugeschrieben wurde.

Laut Gesetz hat die Personalkommission der Regierung drei Bewerber bzw. Bewerberinnen vorzuschlagen. Ernannt wird die neue Präsidentin oder der neue Präsident des BVwG letztlich vom Bundespräsidenten auf Vorschlag der Regierung. Justizministerin Alma Zadic (Grüne) hatte im „Standard“ betont, dass der bzw. die Erstgereihte nominiert werden soll. Davor braucht es allerdings ein Einvernehmen zwischen ÖVP und Grüne im Ministerrat.