Vor dem Hintergrund der Drohungen gegen das demokratische Taiwan, der umstrittenen Territorialansprüche Chinas im Ost- und Südchinesischen Meer und der Rivalität mit den USA erwartet das China-Institut MERICS in Berlin einen Anstieg des Militäretats um mehr als sieben Prozent.
Der Sprecher der Tagung, Wang Chao, nannte am Samstag noch keine Zahlen, sagte aber: „Hinter dem Wachstum der Verteidigungsausgaben steht nicht nur die Notwendigkeit, komplexe Herausforderungen für die Sicherheit anzugehen, sondern auch die Notwendigkeit, die Verantwortung als große Macht zu erfüllen.“ Zugleich sagte der Sprecher weiter: „Chinas militärische Modernisierung ist keine Bedrohung für andere Länder.“

Chinas Verteidigungshaushalt stieg in den vergangenen Jahren immer stärker als die Gesamtausgaben – im Vorjahr um 7,1 Prozent. Auch lag der Anstieg meist über der Wachstumsrate der Wirtschaft. Der offizielle Militärhaushalt gibt nach Angaben von Fachleuten allerdings nur einen Teil der wahren Ausgaben wieder, da viele Aufwendungen für die Volksbefreiungsarmee auch von anderen Etats gedeckt werden.
EU für China „strategischer Partner“
Ungeachtet der Meinungsunterschiede mit der Europäischen Union über den russischen Angriffskrieg in der Ukraine sieht China „keine grundlegenden strategischen Differenzen und Konflikte“ zwischen beiden Seiten. Wang hob vielmehr die Gemeinsamkeiten hervor und sprach sich für einen Ausbau der Beziehungen und der wirtschaftlichen Kooperation aus.
China betrachte Europa als „umfassenden strategischen Partner“, betonte der Sprecher. Er spielte die fundamentalen Differenzen hinsichtlich des russischen Aggressionskrieges in der Ukraine herunter. Angesichts der unterschiedlichen Geschichte, Kultur, Entwicklung und Ideologie sei es nur normal, „verschiedene Ansichten über einige Fragen“ zu haben, so Wang.

Auf den Ukraine-Krieg ging der Sprecher nicht konkret ein. Seit der Invasion vor einem Jahr hat Chinas Führung Russlands Präsidenten Wladimir Putin politisch Rückendeckung gegeben und die USA und die NATO als eigentliche Verursacher des Konflikts dargestellt, was von europäischer Seite zurückgewiesen wird. China hatte vor einer Woche ein Positionspapier zum Ukraine-Konflikt vorgelegt, das international enttäuschte, weil es keine neue Initiative für eine Friedenslösung erkennen ließ.
Podcast aus Peking
Der Volkskongress ist auch Thema in einem ausführlichen Podcast von ORF-China-Korrespondent Joseph Dollinger – mehr dazu in sound.ORF.at.
Xi strebt nach Machterhalt
Die Tagung der knapp 3.000 handverlesenen Delegierten in der Großen Halle des Volkes wird noch der jetzige Regierungschef Li Keqiang am Sonntag mit seinem letzten Rechenschaftsbericht eröffnen. Der nach zwei Amtszeiten ausscheidende 67-jährige Premier dürfte ein Wachstumsziel für dieses Jahr von voraussichtlich fünf Prozent oder sogar etwas mehr vorgeben, wie Beobachter und Beobachterinnen erwarteten. Im vergangenen Jahr waren rund 5,5 Prozent angestrebt worden.
Unter dem Druck der erst im Dezember aufgegebenen Null-Covid-Politik mit Lockdowns, Zwangsquarantäne und Massentests hat die zweitgrößte Volkswirtschaft aber nur drei Prozent erreicht. Es war die zweitschlechteste Wachstumsrate seit 1976 und nur etwas besser als 2020 zu Beginn der Pandemie mit 2,2 Prozent.

Im Mittelpunkt der gut einwöchigen Tagung steht die Neubildung der Regierung. Staats- und Parteichef Xi Jinping wird seine Macht weiter konsolidieren, indem enge Vertraute in Regierungsämter aufrücken werden. Der 69-Jährige hatte sich auf dem Parteitag im Oktober über frühere Alters- und Amtszeitbegrenzungen hinweggesetzt und seine dauerhafte Führungsrolle in der Parteiverfassung verankert.
Neuer Ministerpräsident soll gekürt werden
Neuer Ministerpräsident soll der frühere Parteichef von Schanghai, Li Qiang, werden. Der enge Gefolgsmann von Xi rückte auf dem Parteitag bereits zur Nummer zwei auf. Bereits 2007 arbeitete der neue Premier direkt unter Xi, als dieser noch Parteichef der wichtigen Provinz Zhejiang war. Der 63-Jährige hat eine lange Karriere hinter sich, die er vor allem an der wohlhabenden Ostküste verbrachte. Ihm werden wirtschaftlicher Sachverstand und eine freundliche Haltung gegenüber privaten Unternehmen nachgesagt.

In Schanghai hatte sich Li Qiang für die Interessen der lokalen Wirtschaft eingesetzt und gleichzeitig um ausländische Investitionen geworben. „Er redet nicht so viel über Ideologie, sondern ein bisschen mehr darüber, wie die Dinge erledigt werden“, sagt Nis Grünberg vom China-Institut MERICS. Damit passe Li Qiang relativ gut in die Rolle des Premierministers. Trotz seiner Nähe zu Xi sei er auch nicht einfach nur ein Ja-Sager.
Während der Coronavirus-Pandemie setzte Li Qiang in Schanghai im Gegensatz zu anderen Regionen Chinas zunächst einen weniger restriktiven Umgang mit dem Virus durch. Da die Metropole jedoch einen Ausbruch im Frühjahr 2022 nicht unter Kontrolle bekam, wurde die Hafenstadt für zwei Monate in einen strengen Lockdown versetzt. Die teils chaotischen Zustände schadeten Li Qiang aber offensichtlich nicht.