Soldat wärmt seine Hände
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Ukraine

Kiew gerät in Bachmut unter Druck

Die ukrainischen Streitkräfte geraten bei der Verteidigung der östlichen Stadt Bachmut gegen die russischen Truppen laut britischen Angaben immer mehr in Bedrängnis. Die Ukraine verstärke zwar ihre Truppen in der Region mit Eliteeinheiten, die russische Armee und Kämpfer der russischen Söldnergruppe Wagner seien aber weiter in die nördlichen Vororte von Bachmut vorgedrungen.

In der Stadt und der Umgebung gebe es heftige Kämpfe, teilte das britische Verteidigungsministerium am Samstag auf Twitter mit. Zwei wichtige Brücken in Bachmut seien in den vergangenen 36 Stunden zerstört worden, und die von den ukrainischen Truppen gehaltenen Versorgungsrouten seien zunehmend eingeschränkt.

Am Freitag hatte die russische Artillerie die letzten Ausfallstraßen aus Bachmut beschossen, um die seit Monaten umkämpfte Stadt vollends einzuschließen. In der Stadt, in der vor dem Krieg rund 70.000 Menschen lebten, harren noch immer einige tausend Zivilisten und Zivilistinnen aus.

Offenbar letzte Gefechte um Bachmut

Die Einnahme der ukrainischen Stadt Bachmut durch Russland könnte bald bevorstehen. Der ukrainische Verteidigungsminister Olexij Resnikow schloss einen Fall der seit Monaten schwer umkämpften Stadt durch die russische Söldnertruppe Wagner in einem aktuellen Interview nicht aus. Die Bedeutung Bachmuts wird allerdings von der Ukraine und Russland höchst unterschiedlich bewertet.

Das britische Verteidigungsministerium veröffentlicht seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine unter Berufung auf Geheimdienstinformationen täglich Updates zum Kriegsverlauf. Damit will die britische Regierung sowohl der russischen Darstellung über den Krieg entgegentreten als auch Verbündete bei der Stange halten. Moskau wirft London eine Desinformationskampagne vor.

„Schlachthaus auf beiden Seiten“

Die Situation sei „ein Schlachthaus auf beiden Seiten“, hatte bereits zuvor der Kommandant einer ukrainischen Einheit der Fernsehstation Espreso TV gesagt. Teile einiger Einheiten seien angewiesen worden, in sichere Stellungen zu wechseln. Der Anführer einer ukrainischen Drohneneinheit sagte in einem Video, seine Einheit sei zum sofortigen Rückzug aufgefordert worden.

Ukrainische Soldaten mit Panzer in Wald
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In Bachmut finden derzeit wieder vermehrt Gefechte statt

Kiew hatte zuvor eingeräumt, dass die Angreifer versuchten, die Stadt einzukesseln. Der Chef der russischen Söldnertruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, sprach von einer fast vollständigen Einkesselung. Eine einzige Straße Richtung Westen würde den Ukrainern noch offen stehen. Ein Wagner-Kämpfer berichtete der russischen Nachrichtenagentur RIA Nowosty, die ukrainischen Truppen hätten bereits fast alle Brücken über den Bachmutska-Fluss gesprengt.

Schoigu in der Ukraine

Der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu besuchte nach offiziellen Angaben Kampftruppen in der Ukraine. Schoigu habe einen vorgelagerten Gefechtsstand in der Region Süddonezk inspiziert, teilte das Verteidigungsministerium in Moskau mit. In einem von dem Ministerium veröffentlichten Video ist Schoigu zu sehen, wie er Soldaten Orden verleiht und zusammen mit dem Kommandanten des Östlichen Militärbezirks, Rustam Muradow, eine zerstörte Stadt besichtigt.

Schoigu hat bisher selten die russischen Truppen in der Ukraine besucht. Er wurde in Russland für den Verlauf des Krieges, der nicht den raschen Sieg, dafür aber mehrere herbe Rückschläge brachte, von Kommentatoren und Kriegsverfechtern scharf kritisiert, auch von Wagner-Chef Prigoschin.

Soldaten bauen automatischen Granatenwerfer auf
Reuters
Laut britischen Angaben stehen die ukrainischen Streitkräfte unter Druck

NATO: Russland verlor über 2.000 Kampfpanzer

Nach den Worten des NATO-Oberbefehlshabers in Europa hat Russland bisher mehr als 2.000 große Kampfpanzer verloren. Mehr als 200.000 russische Soldaten und über 1.800 Offiziere seien gefallen oder verwundet worden, sagte General Christopher Cavoli am Freitag auf einer Veranstaltung im Hamburger Rathaus. Pro Tag verschieße die russische Armee im Schnitt über 23.000 Artilleriegeschoße.

Während der Fonds des ukrainischen Komikers und Fernsehmoderators Serhij Prytula über 100 gebrauchte Panzerfahrzeuge zur Unterstützung der Armee erworben haben will, machte der deutsche Rüstungskonzern Rheinmetall Verhandlungen über den Bau einer Panzerfabrik auf ukrainischem Boden publik.

„Für rund 200 Millionen Euro kann ein Rheinmetall-Werk in der Ukraine aufgebaut werden, das jährlich bis zu 400 Panther produziert. Die Gespräche mit der dortigen Regierung sind vielversprechend, und ich hoffe auf eine Entscheidung in den nächsten zwei Monaten“, sagte Konzernchef Armin Papperger der Düsseldorfer „Rheinischen Post“ (Samstag-Ausgabe). Die Ukraine brauche 600 bis 800 Panzer für einen Sieg, so Papperger laut einem Vorabbericht.