Demonstranten und Polizisten auf Straße
APA/AFP/Louisa Gouliamaki
Zugsunglück

Gewalt bei Demo in Athen

Bei neuen Protesten nach dem schweren Zugsunglück in Griechenland mit 57 Toten haben sich am Sonntag vor dem Parlament in Athen Demonstrierende und Polizei gewaltsame Auseinandersetzungen geliefert. Indes kommen mehr und mehr Details ans Licht, die ein Versagen auf allen Ebenen offenbaren. Regierungschef Kyriakos Mitsotakis bat die Angehörigen der Opfer um Verzeihung, der Bahnhofsvorsteher wurde in U-Haft genommen – laut seinem Anwalt gab er zu, die Weiche falsch gestellt zu haben.

Nach Angaben der Polizei hatten sich rund 12.000 Menschen vor dem Parlament zu einer Protestkundgebung versammelt. Sie ließen Hunderte schwarze Ballons in den Himmel steigen, um der Toten des Unglücks nahe der Stadt Larisa zu gedenken. Die Demonstrierenden setzten sich aus Studierenden, Bahnangestellten und Mitgliedern von linken Parteien nahestehenden Gruppierungen zusammen.

Sie gedachten der Toten des Unglücks und forderten bessere Sicherheitsstandards im Eisenbahnverkehr. „Dieses Verbrechen wird nicht vergessen“, riefen sie, als die schwarzen Luftballons aufstiegen. Auf einem Plakat war zu lesen: „Ihre Politik kostet Leben.“ Am Rande der Kundgebung setzten Demonstrierende Mülltonnen in Brand und griffen die Polizei mit Brandsätzen an. Die Polizei setzte ihrerseits Tränengas und Blendgranaten ein.

Athen: Proteste nach Zugsunglück

Bei einer Protestkundgebung nach dem schweren Zugsunglück in Griechenland mit 57 Toten haben vor dem Parlament in Athen Demonstrierende der Polizei gewaltsame Auseinandersetzungen geliefert.

Premier bat um Verzeihung

Griechenlands Premier Mitsotakis entschuldigte sich unterdessen bei den Angehörigen der Opfer. Als Ministerpräsident sei er es „insbesondere den Angehörigen der Opfer schuldig, um Vergebung“ zu bitten, erklärte Mitsotakis am Sonntag in einer Botschaft an die Nation auf Facebook. „Es kann nicht sein, dass 2023 in Griechenland zwei Züge auf derselben Strecke aufeinander zufahren und das von niemandem bemerkt wird“, fügte er hinzu.

Demonstranten in Athen
Reuters/Alkis Konstantinidis
12.000 Menschen beteiligten sich in Athen an der Kundgebung

Auf der Strecke zwischen Athen und der Hafenstadt Thessaloniki waren am Dienstagabend kurz vor Mitternacht ein Personenzug und ein auf demselben Gleis entgegenkommender Güterzug frontal zusammengestoßen. Es war das schwerste Zugsunglück in der Geschichte des Landes.

Details werfen Fragen auf

Zu dem Frontalzusammenstoß kommen indes mehr und mehr Details ans Licht, die ein großflächiges Versagen zeigen. Allein der Werdegang des Bahnhofsvorstehers, der den entscheidenden Fehler machte und den Personenzug auf die falschen Gleise schickte, wirft unzählige Fragen auf.

Szene des Zugunglücks
Reuters/Alexandros Avramidis
Das Zugsunglück war das schwerste in der Geschichte Griechenlands

Der Mann ist 59 Jahre alt – und hatte erst im vergangenen Jahr seine Ausbildung als Bahnhofsvorsteher begonnen, obwohl die Altersgrenze für die Ausbildung bei 42 Jahren liegt, wie griechische Medien berichten. Zuvor arbeitete er als Gepäckträger sowie als Bote im Kulturministerium.

Der Mann hätte gar nicht ausgebildet werden dürfen und war Berichten zufolge völlig überfordert. Auch saß er tagelang ohne einen erfahreneren Kollegen auf dem wichtigen Posten im Bahnhof der Stadt Larisa. Nachdem er den Zug auf die falschen Gleise geschickt hatte, soll er elektronische Hinweise und auch Nachfragen sowohl von einem der betroffenen Lokführer als auch einem Bahnhofsvorsteher an einem der nächsten Bahnhöfe ignoriert haben, so „Kathimerini“. Minutenlang seien die Züge deshalb ungehindert aufeinander zugerast, bevor es zu dem fatalen Frontalzusammenstoß kam.

Anwalt: Mandant gab zu, Weiche falsch gestellt zu haben

Dem 59-Jährigen werde „der Tod einer großen Zahl von Personen“ zur Last gelegt, verlautete am Sonntag aus Justizkreisen. Sein Rechtsanwalt sagte Montagfrüh griechischen Medien, dass sein Mandant zugegeben habe, eine Weiche falsch gestellt zu haben. Die Befragung durch die Justiz war nach mehr als sieben Stunden am späten Sonntagabend zu Ende gegangen, teilte der Rechtsanwalt weiter mit.

Dem Bahnangestellten drohe eine Strafe von zehn Jahren und bis lebenslang wegen mehrfacher fahrlässiger Tötung, sagten Juristen am Montag im öffentlich-rechtlichen Rundfunk.