israelischer F-15 Kampfjet
APA/AFP/Jack Guez
Protestwelle in Israel

Milizpiloten verweigern Einrücken

Die Proteste gegen den Justizumbau haben die Kerninstitution Israels erreicht: Dutzende Kampfpiloten der Miliz haben angekündigt, nicht zu bevorstehenden Übungen einzurücken. Auch in anderen Einheiten, etwa im Militärgeheimdienst, gibt es ähnlichen Protest. Sollte sich der Protest stark ausweiten, könnte das die Grundfesten des Landes erschüttern. Entsprechend heftig sind die Reaktionen.

Die Piloten begründen ihre Weigerung mit dem geplanten dramatischen Justizumbau. Sie wollten nicht in einer Diktatur dienen, so ihr Argument. Armeechef Herzi Halevi warnte zu Wochenbeginn Regierungschef Benjamin Netanjahu, dass eine Ausweitung dieses Protests die Verteidigungsfähigkeit der israelischen Armee gefährden würde. Besonders betroffen seien davon die Luftstreitkräfte und der Militärgeheimdienst und somit zentrale Bereiche.

Die Armeeführung will vorerst keine Strafsanktionen gegen die „Refusenikim“ (Substantiv zu „to refuse“ (verweigern)) verhängen, sondern sucht laut israelischen Medienberichten das Gespräch mit den Milizsoldaten. Die Einsatzfähigkeit der Luftstreitkräfte sei akut noch nicht gefährdet, heißt es, und die Armee wolle versuchen, diese tickende Bombe zu entschärfen.

Ungewöhnlicher Schritt

37 Kampfpiloten der Miliz – rund die Hälfte einer Luftstreitkräfteeinheit – kündigten laut dem öffentlich-rechtlichen Sender Kan in einem Brief an, nicht zu der diese Woche anstehenden Übung einzurücken. Zuvor hatten bereits sechs Milizsoldaten der Eliteeinheit Schaldag, die unter anderem für Geiselbefreiungen eingesetzt wird, angekündigt, nicht zu Milizübungen zu erscheinen.

„Bangen um Schicksal unseres Staates“

Die Weigerung ist sehr ungewöhnlich und schwerwiegend. Es ist laut der Tageszeitung „Jediot Achronot“ zudem bisher einmalig, dass wie im Fall der Schaldag-Einheit ein ganzes Team das Einrücken verweigert. Einer von ihnen habe gesagt, sie würden „um das Schicksal unseres Staates bangen“. Ein anderer, der bereits 30 Jahre Militärdienst geleistet hat, meinte: „Ich fühle, dass ich nicht mehr einem System dienen kann, das sich zu einer Diktatur wandelt.“ Ein dritter beklagte, dass von Regierungsseite die Demonstrantinnen und Demonstranten seit Tagen als „Anarchisten“ bezeichnet werden. Das sei Radikalismus von oben.

„Refusenikim“ – Soldatinnen und Soldaten, die bestimmte Einsätze aufgrund moralischer Bedenken verweigern – gab es in der Vergangenheit mehrmals. So gab es in den 1990er Jahren immer wieder Milizsoldaten, die aus Gewissensgründen den Einsatz in den besetzten Gebieten ablehnten. Die nunmehrige Weigerung, überhaupt einzurücken, und die Begründung sind allerdings äußerst ungewöhnlich.

Drohende Schwächung der Kontrolle

Wegen des geplanten Justizumbaus, der die Regierung, die Exekutive, auf Kosten der kontrollierenden Judikative eklatant stärken würde, gehen seit Wochen immer wieder Zehntausende Menschen in Israel auf die Straße. Dazu warnen nicht nur Juristinnen und Juristen, sondern auch Banken und Unternehmen vor dramatischen Folgen für die Wirtschaft. Der Schekel ist bereits deutlich schwächer geworden, Kapital fließt aus dem Land, und einige Firmen haben den Rückzug aus Israel angekündigt.

Die rechts-religiöse Regierung von Regierungschef Netanjahu hält trotz des großen Widerstandes unbeirrt an den Plänen fest, die nicht zuletzt Netanjahu und andere Regierungsmitglieder vor Verurteilungen wegen Korruption und Verhängung eines Ämterverbots beschützen sollen.

Minister beschimpft Soldaten

Die Weigerung einzurücken beherrscht seit Tagen die Schlagzeilen in Israel – und wird sehr klar entlang der Kampflinien, die zwischen den beiden politischen Lagern verlaufen, beurteilt. Während es die Opposition als zulässige Notmaßnahme sieht, die die Regierung provoziert habe, verurteilt das Regierungslager den Protest mit scharfen Worten und fordert harte Sanktionen. Der Likud-Abgeordnete Ariel Kellner sprach von Hooliganismus und sagte, die Piloten müssten aus der Armee entlassen werden. Medienminister Schlomo Kari meinte, die Piloten sollten „sich zum Teufel scheren“.

Der politisch mitte-rechts einzuordnende Milizgeneral Gerschon Hakohen meinte, „was die Piloten gemacht haben, ist der halbe Weg zur Revolte“. Netanjahu selbst versuchte Montagabend bei einem Besuch einer Militärbasis, die aufgeheizte Stimmung etwas zu beruhigen. Er verurteilte den Pilotenprotest, aber appellierte gleichzeitig an die Grundwerte der Armee. „Wenn wir im Kampf links oder rechts schauen, machen wir das nicht, um die politischen Einstellungen unserer Brüder und Schwestern zu überprüfen“, so Netanjahu.

Einer der Piloten, die das Einrücken verweigern, begründete das mit „fehlender Kohärenz“ und „mangelndem Vertrauen in die politische Führung“. Insgesamt besteht die betroffene Luftstreitkräfteeinheit aus 69 Milizsoldaten, die in der Regel einen Tag pro Woche zu Übungen einrücken. Sie fliegen F-15-Kampfjets, die für den Einsatz gegen weit entfernt liegende Ziele gedacht sind.