Menschen vor einem Lokal mit Zigarette
IMAGO/Pacific Press Agency
Rauchverbot im Freien

Italien streitet über schärferes Gesetz

In Italien könnte das Rauchen auch im Freien verboten werden. Das und zahlreiche weitere Einschränkungen will Gesundheitsminister Orazio Schillaci durchsetzen. Aber nicht nur Raucherinnen und Rauchern gehen die Pläne zu weit. Auch innerhalb der rechten Regierung sind einige vehement dagegen.

Die Tageszeitung „La Stampa“ veröffentlichte am Sonntag geleakte Details eines Entwurfs zum Rauchergesetz, an dem Schillaci angeblich arbeitet. Das Rauchverbot solle auf den Raum vor Bars und Restaurants im Freien ausgeweitet werden. Dort soll höchstens noch in abgetrennten Bereichen geraucht werden dürfen. In den Lokalen sollen die separaten Raucherräume gänzlich verschwinden.

Auch die Raucherlounges in Italiens Flughäfen sollen nach Schillacis Plan abgeschafft werden. Außerdem soll es ein komplettes Rauchverbot an Haltestellen öffentlicher Verkehrsmittel gelten sowie in Parks, wenn Schwangere und Kinder anwesend sind. Die neuen Regeln sollen auch für E-Zigaretten gelten. Werbung für diese und andere nikotinhaltige Produkte soll verboten werden. Das Gesetz wolle die zunehmende Verbreitung solcher Produkte berücksichtigen, so Schillaci.

Novelle des 20 Jahre alten Gesetzes

„Rauchen wird nicht nur für Lungenkrebs verantwortlich gemacht, sondern ist auch der Hauptrisikofaktor für Atemwegs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen“, sagte der Gesundheitsminister. Er wolle vermeiden, dass „die vielfältigen Interessen im Zusammenhang mit Tabakerzeugnissen über den Gesundheitsschutz gestellt werden“.

Schillaci will das seit 20 Jahren geltende Rauchergesetz novellieren, das als Erfolg im Kampf gegen die Nikotinsucht gilt. Per Gesetz ist in Italien seit 2003 das Rauchen in allen öffentlichen Gebäuden, Büros, Bars, Restaurants, Diskotheken und Hotels verboten, falls es dort nicht völlig getrennte Raucherzimmer und ein funktionierendes Belüftungssystem gibt.

Die Übergangsfrist ging bis 2005, seit damals besteht das strikte Rauchverbot. Wer in öffentlichen Bereichen trotzdem zur Zigarette greift, muss mit Geldstrafen von mindestens 27 Euro rechnen. Falls vor Kindern oder Schwangeren geraucht wird, drohen bis zu 600 Euro Strafe. Erlaubt ist hingegen der Konsum elektronischer Zigaretten auch in geschlossenen Räumen – außer in Schulen und Krankenhäusern.

„Übertrieben“ und „einschüchternd“

Um den Gesetzesentwurf des parteilosen Ressortchefs ist nun eine öffentliche Debatte entbrannt, die nicht nur Raucher auf den Plan ruft. Auch einige von Schillacis Kabinettskollegen wehren sich vehement dagegen. Der stellvertretende Ministerpräsident und Chef der rechtspopulistischen Regierungspartei Lega, Matteo Salvini, der vor vier Jahren mit dem Rauchen aufgehört hat, hält das Verbot von E-Zigaretten im Freien für „übertrieben“. „Elektronische Zigaretten helfen vielen Menschen, auf normale Zigaretten zu verzichten“, fügte er hinzu.

Giorgio Mule, Vizepräsident der Kammer und Parlamentarier der rechtskonservativen Forza Italia, appellierte an den gesunden Menschenverstand: „Es reicht, nicht Taliban zu sein. Warum das Rauchen auch denen verbieten, die im Freien sind, und wenn es niemanden stört?“ Dafür gebe es keinen Grund. Er wolle lieber den Onlineverkauf von E-Zigaretten verbieten, um Jugendliche davor zu schützen.

Mules Parteifreund und Präsident der Region Ligurien, Giovanni Toti, schrieb auf Facebook, dass es im Land andere dringende Bedürfnisse gebe, die angegangen werden müssen. Außerdem gebe es Grenzen, die persönlichen Freiheiten einzuschränken. Rauchen in Innenräumen schränke die Freiheit anderer ein, Rauchen im Freien hingegen nur die Freiheit der Raucher selbst, so Toti.

Kulturstaatssekretär Vittorio Sgarbi, der für seinen extravertierten Stil bekannt ist, nannte Schillacis Vorhaben „einschüchternd“ und meinte, solche Verbote würden die Menschen eher zum Rauchen ermutigen. „Das ist typisch für ein autoritäres und diktatorisches kommunistisches Regime“, so Sgarbi laut Medienangaben.

Applaus der Opposition

Anerkennende Äußerungen kamen von Mitgliedern der Opposition. Die frühere Staatssekretärin für Gesundheit, Sandra Zampa von der sozialdemokratischen Partito Democratico, sagte beispielsweise, sie verstehe „die Strenge von Minister Schillaci“ in dieser Frage. „Viele Krankheiten hängen mit dem Rauchen zusammen“, so Zampa, auch E-Zigaretten seien nicht ungefährlich.

Nun, da die Pläne Schillacis an die Öffentlichkeit drangen und eine Debatte auslösten, könnten einige Vorhaben aufgeweicht werden, weil sie als unpopulär gelten, spekulieren italienische Medien. Der Parlamentsabgeordnete Giovanni Donzelli von der postfaschistischen Partei Fratelli d’Italia von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni rief indes dazu auf, auf die offizielle Ankündigung zu warten und Leaks nicht zu kommentieren.

Jeder Vierte raucht

Aus heiterem Himmel kommen Schillacis Pläne freilich nicht. Bereits im Jänner hatte der Minister seine Absicht angekündigt, das Rauchverbot drastisch zu verschärfen. Sollte er keine Mehrheit dafür finden, bestehe auch die Möglichkeit, das Rauchverbot per Dekret durchzusetzen.

Laut Italiens oberstem Gesundheitsinstitut ISS waren im vergangenen Jahr rund 24 Prozent der erwachsenen Italienerinnen und Italiener Raucher – etwa 12,4 Millionen Menschen, der höchste Prozentsatz seit 2009. Experten schätzen, dass in Italien jedes Jahr mindestens 43.000 Menschen an den Folgen des Rauchens sterben.